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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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kann." Der Minister constatirte, daß gewisse panslavistische Tendenzen, die
sich fortwährend zur Aufgabe machten, Rußland zu Oesterreich in Gegensatz
zu bringen, in den maßgebenden Kreisen des großen Nachbarreiches keine
Unterstützung finden.

Ganz besonders hervortretend ist die Uebereinstimmung mit der hier ge¬
gebenen Ausführung bei den Aeußerungen über die Türkei. Der Minister
sagte, die von Oesterreich-Ungarn befolgte Politik sei der Türkei gegenüber
eine traditionelle, welche den Bortheil der Zuverlässigkeit für sich habe; dies
schließe aber nicht aus, daß Oesterreich mit den übrigen Ländern des Orients,
welche theils integrirende Theile des türkischen Reiches, theils selbstständige
Staaten sind, die besten Beziehungen zu unterhalten bestrebt sei und das
regste Wohlwollen für ihre Betheiligung und ihre Entwickelung bethätige.
Noch bestimmter drückte sich der Minister dann weiterhin aus, der Gedanke
einer Ausdehnung der Reichsgrenzen nach irgend einer Richtung hin sei aus¬
geschlossen. Denn welcher Reichshälfte sollten die Erwerbungen denn zufallen?
Jede solche Ausdehnung würde nur eine Last für Oesterreich-Ungarn sein.

Wir dürfen in Uebereinstimmung mit unserer früheren Ausführung dem
Ausspruch des Ministers hinzufügen, daß jede Eroberungspolitik der öster¬
reichisch-ungarischen Monarchie die Beschränkung des jetzt bestehenden Dua¬
lismus theils zur Voraussetzung, theils zur Folge haben müßte.

Ganz in Uebereinstimmung mit dem hier Gesagten bezeichnet der Mi¬
nister die Aufgabe der österreichisch-ungarischen Negierung im Orient dahin,
die volkswirtschaftlichen Interessen zu fördern, die Communicationsmittel zu
heben und dadurch dem Handel zwischen Oesterreich-Ungarn und dem Orient
freie Bahn zu brechen.

Wir haben nur hinzuzufügen, was wir früher ausgeführt, daß nämlich
auch schon die Wahrnehmung der volkswirtschaftlichen Interessen Oesterreich-
Ungarns im Orient der ungarischen Reichshälfte allein nicht gelingen würde;
daß also die orientalische Frage d. h. die Sicherung der Interessen Oesterreichs
auf der Balcanhalbinsel denjenigen Parteien einen Zügel anlegt, welche den
Dualismus bis zur Separation durchführen möchten. Die Forderungen der
orientalischen Politik, welche die Lebensinteressen Ungarns berühren, sind eine
der wirksamsten Bürgschaften für die Einheit der Monarchie. Sie rufen dem
Dualismus das "bis hierher und nicht weiter" zu und gebieten den radicalen
Gegnern der Deakpartei vom Standpunkte des wahren ungarischen Patriotis¬
mus ein unabweisbares "Zurück".




kann." Der Minister constatirte, daß gewisse panslavistische Tendenzen, die
sich fortwährend zur Aufgabe machten, Rußland zu Oesterreich in Gegensatz
zu bringen, in den maßgebenden Kreisen des großen Nachbarreiches keine
Unterstützung finden.

Ganz besonders hervortretend ist die Uebereinstimmung mit der hier ge¬
gebenen Ausführung bei den Aeußerungen über die Türkei. Der Minister
sagte, die von Oesterreich-Ungarn befolgte Politik sei der Türkei gegenüber
eine traditionelle, welche den Bortheil der Zuverlässigkeit für sich habe; dies
schließe aber nicht aus, daß Oesterreich mit den übrigen Ländern des Orients,
welche theils integrirende Theile des türkischen Reiches, theils selbstständige
Staaten sind, die besten Beziehungen zu unterhalten bestrebt sei und das
regste Wohlwollen für ihre Betheiligung und ihre Entwickelung bethätige.
Noch bestimmter drückte sich der Minister dann weiterhin aus, der Gedanke
einer Ausdehnung der Reichsgrenzen nach irgend einer Richtung hin sei aus¬
geschlossen. Denn welcher Reichshälfte sollten die Erwerbungen denn zufallen?
Jede solche Ausdehnung würde nur eine Last für Oesterreich-Ungarn sein.

Wir dürfen in Uebereinstimmung mit unserer früheren Ausführung dem
Ausspruch des Ministers hinzufügen, daß jede Eroberungspolitik der öster¬
reichisch-ungarischen Monarchie die Beschränkung des jetzt bestehenden Dua¬
lismus theils zur Voraussetzung, theils zur Folge haben müßte.

Ganz in Uebereinstimmung mit dem hier Gesagten bezeichnet der Mi¬
nister die Aufgabe der österreichisch-ungarischen Negierung im Orient dahin,
die volkswirtschaftlichen Interessen zu fördern, die Communicationsmittel zu
heben und dadurch dem Handel zwischen Oesterreich-Ungarn und dem Orient
freie Bahn zu brechen.

Wir haben nur hinzuzufügen, was wir früher ausgeführt, daß nämlich
auch schon die Wahrnehmung der volkswirtschaftlichen Interessen Oesterreich-
Ungarns im Orient der ungarischen Reichshälfte allein nicht gelingen würde;
daß also die orientalische Frage d. h. die Sicherung der Interessen Oesterreichs
auf der Balcanhalbinsel denjenigen Parteien einen Zügel anlegt, welche den
Dualismus bis zur Separation durchführen möchten. Die Forderungen der
orientalischen Politik, welche die Lebensinteressen Ungarns berühren, sind eine
der wirksamsten Bürgschaften für die Einheit der Monarchie. Sie rufen dem
Dualismus das „bis hierher und nicht weiter" zu und gebieten den radicalen
Gegnern der Deakpartei vom Standpunkte des wahren ungarischen Patriotis¬
mus ein unabweisbares „Zurück".




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/120>, abgerufen am 23.05.2024.