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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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theile aufs neue gewinnen können, ist bekannt genug, allein hoffentlich werden
doch nur einige Thoren diesen perfiden Rath befolgen.

Im übrigen läßt sich nicht verkennen, daß diese ganze Angelegenheit ein
schwerer Schlag für die clericale Partei in Baiern und speciell für die katho¬
lische Presse dieses Landes ist, denn der Eifer, womit die extremen Organe
sich der Sache annahmen, war gar zu drastisch und wirft auf die Disciplin
im katholischen Lager ein bedenkliches Streiflicht. Kurz darauf ergriff sogar
der Redacteur des "Volksvoten" die Flucht und nachdem er sich auf Distance
über seine Beziehungen zur Spitzeder'schen Bank geäußert hatte, erfolgte zu¬
gleich die Erklärung, daß das Blatt vom 1. Januar ab eingehen werde.
Während der fünfziger Jahre war der "Volksbote" eines der mächtigsten
Parteiorgane in Baiern; denn die Reaction, die damals herrschte, schuf seiner
Thätigkeit einen doppelt günstigen Boden; aber auch noch in letzter Zeit er¬
zielte er einen Reinertrag von 6000 si. Heute ist das Blatt durch seine Mi߬
wirthschaft und seine Extravaganzen erst moralisch und dann materiell un¬
möglich geworden.

An seine Stelle soll ein anderes clericales Organ treten, das sich der
"Volksfreund" betitelt und von dem Priester Dr. Rittler redigirt werden wird.
Ganz abgesehen von der Tendenz, die dieser Name erwarten läßt, ist überhaupt
der Augenblick für katholische Blätter kein günstiger; denn das Landvolk ist
zum Theil durch Schaden klug geworden, manche geistliche Oberbehörden sind
wie es scheint der Unannehmlichkeiten müde, in welche sie fortwährend durch
jene extremen Publicisten verwickelt werden und die gebildeten Katholiken be¬
ginnen nicht minder das peinliche zu begreifen, daß derartige Elemente sich
als Parteiorgane geberden. Die Polemik die durch den Bischof Heinrich von
Passau in die katholische Presse hineingetragen ward, dauert noch unvermindert
fort, sie betrifft zwar zunächst nur das Treiben der Casinos und Bauern¬
vereine, aber in weiterer Folge natürlich auch die Presse, welche dieses Treiben
befürwortet. Und da auch viele der sog. gemäßigten Blätter diesen Hebel für
die katholischen Interessen nicht missen wollen und deßhalb heftig gegen das
"Tageblatt" des Bischofs von Passau eifern, so gewinnt diese Polemik einen
noch viel weiteren Wirkungskreis.

Wären die Katholiken klug, so würden sie im gegenwärtigen Augenblick,
der ja ihren Interessen so wenig günstig ist, ihren Bestrebungen möglichst jede
demonstrative Spitze abbrechen, um bei den Regierungen wenigstens den An¬
schein, wenn auch nicht die Ueberzeugung wachzurufen, daß sie sich der
staatlichen Gewalt in voller Ordnung fügen, allein immer wieder begegnen
wir den verschiedensten Provocationen. So versuchte es das Stadtpfarramt
von Se. Peter in München beim Begräbniß eines hochgeachteten Altkatholiken,
das Glockengeläute zu inhibiren. und als die Kreisregierung von Oberbaiern


theile aufs neue gewinnen können, ist bekannt genug, allein hoffentlich werden
doch nur einige Thoren diesen perfiden Rath befolgen.

Im übrigen läßt sich nicht verkennen, daß diese ganze Angelegenheit ein
schwerer Schlag für die clericale Partei in Baiern und speciell für die katho¬
lische Presse dieses Landes ist, denn der Eifer, womit die extremen Organe
sich der Sache annahmen, war gar zu drastisch und wirft auf die Disciplin
im katholischen Lager ein bedenkliches Streiflicht. Kurz darauf ergriff sogar
der Redacteur des „Volksvoten" die Flucht und nachdem er sich auf Distance
über seine Beziehungen zur Spitzeder'schen Bank geäußert hatte, erfolgte zu¬
gleich die Erklärung, daß das Blatt vom 1. Januar ab eingehen werde.
Während der fünfziger Jahre war der „Volksbote" eines der mächtigsten
Parteiorgane in Baiern; denn die Reaction, die damals herrschte, schuf seiner
Thätigkeit einen doppelt günstigen Boden; aber auch noch in letzter Zeit er¬
zielte er einen Reinertrag von 6000 si. Heute ist das Blatt durch seine Mi߬
wirthschaft und seine Extravaganzen erst moralisch und dann materiell un¬
möglich geworden.

An seine Stelle soll ein anderes clericales Organ treten, das sich der
„Volksfreund" betitelt und von dem Priester Dr. Rittler redigirt werden wird.
Ganz abgesehen von der Tendenz, die dieser Name erwarten läßt, ist überhaupt
der Augenblick für katholische Blätter kein günstiger; denn das Landvolk ist
zum Theil durch Schaden klug geworden, manche geistliche Oberbehörden sind
wie es scheint der Unannehmlichkeiten müde, in welche sie fortwährend durch
jene extremen Publicisten verwickelt werden und die gebildeten Katholiken be¬
ginnen nicht minder das peinliche zu begreifen, daß derartige Elemente sich
als Parteiorgane geberden. Die Polemik die durch den Bischof Heinrich von
Passau in die katholische Presse hineingetragen ward, dauert noch unvermindert
fort, sie betrifft zwar zunächst nur das Treiben der Casinos und Bauern¬
vereine, aber in weiterer Folge natürlich auch die Presse, welche dieses Treiben
befürwortet. Und da auch viele der sog. gemäßigten Blätter diesen Hebel für
die katholischen Interessen nicht missen wollen und deßhalb heftig gegen das
„Tageblatt" des Bischofs von Passau eifern, so gewinnt diese Polemik einen
noch viel weiteren Wirkungskreis.

Wären die Katholiken klug, so würden sie im gegenwärtigen Augenblick,
der ja ihren Interessen so wenig günstig ist, ihren Bestrebungen möglichst jede
demonstrative Spitze abbrechen, um bei den Regierungen wenigstens den An¬
schein, wenn auch nicht die Ueberzeugung wachzurufen, daß sie sich der
staatlichen Gewalt in voller Ordnung fügen, allein immer wieder begegnen
wir den verschiedensten Provocationen. So versuchte es das Stadtpfarramt
von Se. Peter in München beim Begräbniß eines hochgeachteten Altkatholiken,
das Glockengeläute zu inhibiren. und als die Kreisregierung von Oberbaiern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/35>, abgerufen am 24.05.2024.