Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band.kannten Erfolge gespielt haben. Sicherlich nicht mit Unrecht läßt sich die Und was von dieser Seite her nicht erreicht wird, das soll das neue Seltsamer Anblick! Vor dem 17. November predigte die Rechte mit kannten Erfolge gespielt haben. Sicherlich nicht mit Unrecht läßt sich die Und was von dieser Seite her nicht erreicht wird, das soll das neue Seltsamer Anblick! Vor dem 17. November predigte die Rechte mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130582"/> <p xml:id="ID_1541" prev="#ID_1540"> kannten Erfolge gespielt haben. Sicherlich nicht mit Unrecht läßt sich die<lb/> Signatur dieses Gesetzes dahin zusammenfassen: es ist die Wiedereinführung<lb/> des ganzen Apparats der officiellen Candidaturen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1542"> Und was von dieser Seite her nicht erreicht wird, das soll das neue<lb/> Wahlgesetz leisten. Mit Feuereifer hat sich die sogenannte Dreißigercom¬<lb/> mission dieses Gegenstands bemächtigt. Man traut seinen Augen kaum, eine<lb/> solche Fülle genialer Einfälle zur Depravation des allgemeinen, gleichen und<lb/> directen Wahlrechts hat sie bereits zu Tage gefördert. Oder ist es nicht genial,<lb/> wenn Belcastel den verheiratheten Männern und Wittwern doppeltes, den ver-<lb/> heiratheten Beamten und Gelehrten dreifaches oder gar vierfaches Stimmrecht<lb/> beilegt? Von den ernsten Vorschlägen zu reden, so ist man bis jetzt nur<lb/> darin einig, das zur Wahlfähigkeit berechtigende Alter von 21 auf 23 Jahre<lb/> zu erhöhen. Interessant ist, daß neben dieser Maßregel zur Beschränkung des<lb/> allgemeinen, und neben anderen zur Modification des gleichen auch ein Vor¬<lb/> schlag zur Aufhebung des directen Wahlrechts gemacht worden ist. Wie im¬<lb/> mer diese verwickelten Berathungen schließlich werden mögen, dessen darf man<lb/> sicher sein, die Majorität wird ein Wahlgesetz zu Stande bringen, das nach<lb/> ihrer Ansicht mit mathematischer Sicherheit zu antirepublikanischen Wahlen<lb/> führen muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1543" next="#ID_1544"> Seltsamer Anblick! Vor dem 17. November predigte die Rechte mit<lb/> lautester Stimme die Nothwendigkeit, endlich feste Institutionen zu schaffen.<lb/> Ausdrücklich ward bei der Verlängerung der Mac Mahon'schen Gewalten zur<lb/> Bedingung gemacht, daß sofort ein Ausschuß von 30 Mitgliedern sich mit<lb/> diesen Institutionen zu beschäftigen haben werde. Statt dessen sehen wir jetzt<lb/> das ganze Sinnen und Trachten der herrschenden Parteien auf den Einen<lb/> Punkt gerichtet, über kurz oder lang eine neue Entscheidung herbeizuführen,<lb/> welche dieser verhaßten republikanischen Staatsform endlich den Todesstoß geben<lb/> soll. Was Wunder da, daß das ganze Land unter dem Gefühle steht, mehr<lb/> als je im Provisorium zu leben? Was Wunder, daß Niemand an die sieben¬<lb/> jährige Dauer der Mac Mahonschen Aera glauben will? Die Geschäfte<lb/> liegen schlimmer darnieder, als unmittelbar nach dem Kriege; nicht lange<lb/> mehr, und in alle Provinzen des reichsten Landes der Welt wird bittere Noth<lb/> eingekehrt sein. Paris zumal leidet zusehends. Nicht mehr nur seine innerste<lb/> Luxusindustrie, die sich seit dem Kriege niemals recht erholte, auch ein großer<lb/> Theil der Fabrication nothwendiger Lebensbedürfnisse liegt gegenwärtig lahm;<lb/> in den Arbeitervierteln häufen sich die Bilder herzzerreißenden Elends. Was<lb/> nützt es, daß die Parteien einander diese Jammerscenen vorhalten und sich<lb/> gegenseitig beschuldigen, das Vaterland nicht zur Ruhe kommen zu lassen?<lb/> Das Eine steht leider fest: auch die Stabilität, wenn sie Stabilität der Republik<lb/> oder des Königthums Heinrich's V. wäre, würde der Hauptstadt nicht grünt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0522]
kannten Erfolge gespielt haben. Sicherlich nicht mit Unrecht läßt sich die
Signatur dieses Gesetzes dahin zusammenfassen: es ist die Wiedereinführung
des ganzen Apparats der officiellen Candidaturen.
Und was von dieser Seite her nicht erreicht wird, das soll das neue
Wahlgesetz leisten. Mit Feuereifer hat sich die sogenannte Dreißigercom¬
mission dieses Gegenstands bemächtigt. Man traut seinen Augen kaum, eine
solche Fülle genialer Einfälle zur Depravation des allgemeinen, gleichen und
directen Wahlrechts hat sie bereits zu Tage gefördert. Oder ist es nicht genial,
wenn Belcastel den verheiratheten Männern und Wittwern doppeltes, den ver-
heiratheten Beamten und Gelehrten dreifaches oder gar vierfaches Stimmrecht
beilegt? Von den ernsten Vorschlägen zu reden, so ist man bis jetzt nur
darin einig, das zur Wahlfähigkeit berechtigende Alter von 21 auf 23 Jahre
zu erhöhen. Interessant ist, daß neben dieser Maßregel zur Beschränkung des
allgemeinen, und neben anderen zur Modification des gleichen auch ein Vor¬
schlag zur Aufhebung des directen Wahlrechts gemacht worden ist. Wie im¬
mer diese verwickelten Berathungen schließlich werden mögen, dessen darf man
sicher sein, die Majorität wird ein Wahlgesetz zu Stande bringen, das nach
ihrer Ansicht mit mathematischer Sicherheit zu antirepublikanischen Wahlen
führen muß.
Seltsamer Anblick! Vor dem 17. November predigte die Rechte mit
lautester Stimme die Nothwendigkeit, endlich feste Institutionen zu schaffen.
Ausdrücklich ward bei der Verlängerung der Mac Mahon'schen Gewalten zur
Bedingung gemacht, daß sofort ein Ausschuß von 30 Mitgliedern sich mit
diesen Institutionen zu beschäftigen haben werde. Statt dessen sehen wir jetzt
das ganze Sinnen und Trachten der herrschenden Parteien auf den Einen
Punkt gerichtet, über kurz oder lang eine neue Entscheidung herbeizuführen,
welche dieser verhaßten republikanischen Staatsform endlich den Todesstoß geben
soll. Was Wunder da, daß das ganze Land unter dem Gefühle steht, mehr
als je im Provisorium zu leben? Was Wunder, daß Niemand an die sieben¬
jährige Dauer der Mac Mahonschen Aera glauben will? Die Geschäfte
liegen schlimmer darnieder, als unmittelbar nach dem Kriege; nicht lange
mehr, und in alle Provinzen des reichsten Landes der Welt wird bittere Noth
eingekehrt sein. Paris zumal leidet zusehends. Nicht mehr nur seine innerste
Luxusindustrie, die sich seit dem Kriege niemals recht erholte, auch ein großer
Theil der Fabrication nothwendiger Lebensbedürfnisse liegt gegenwärtig lahm;
in den Arbeitervierteln häufen sich die Bilder herzzerreißenden Elends. Was
nützt es, daß die Parteien einander diese Jammerscenen vorhalten und sich
gegenseitig beschuldigen, das Vaterland nicht zur Ruhe kommen zu lassen?
Das Eine steht leider fest: auch die Stabilität, wenn sie Stabilität der Republik
oder des Königthums Heinrich's V. wäre, würde der Hauptstadt nicht grünt-
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