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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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gedichtet von Absvlutulus von Hegelingen. Zauberspiel in 3 Akten." Gruppe
sucht darin mit keckem Muthwillen und nicht ohne Laune die Hegel'sche Schule
zu persistiren.

Ferner gehört hierher "die politische Wochenstube" von Prutz, Es ist
das ein kraftvolles Stück, in welchem die politischen, literarischen und reli¬
giösen Zustände Deutschlands und namentlich Preußens unter der Regierung
Friedrich Wilhelm's IV. mit vieler Bitterkeit, aber auch mit unleugbaren Ge¬
schick und ganz im Ton des antiken Dramas satirisch behandelt werden.

Ganz jüngst erst ist Julius Richter, ein um Kritik und Exegese des
Aristophanes hochverdienter Philolog, mit zwei Aristophaneischen Stücken an
die Öffentlichkeit getreten. I87l erschien von ihm das "Ungeziefer", 1873
die "Ultramontanocommunisten". Der Verfasser nennt sie Griechische Komö¬
dien, und er hat ein Recht dazu; sie find in fließendem, ja elegantem Griechisch
geschrieben, sie schließen sich im Aufbau, in der technischen Zurüstung, in der
Behandlung des Chors und der Parabase u. s. w. möglichst eng an die
Attische Komödie an und erinnern auch in der Art des Angriffs, der Charak¬
terzeichnung, der Witze und Derbheiten lebhaft an ihr Vorbild. In dem
ersten Stücke, dem Ungeziefer, zieht Richter gegen eine falsche Richtung der
heutigen Philologie, und nebenbei auch gegen die Ultramontanen, im zweiten
gegen die Ultramontanen und Socialisten zu Felde. Die Fabel ist es nicht,
die diesen Komödien ihren Werth gibt, dagegen fesseln sie durch frische Be¬
handlung zeitgemäßer Fragen, durch den warmen, patriotischen Ton, der durch
viele Chorlieder hindurchklingt, und durch die Vortrefflichkeit der Rhythmen
und des Ausdrucks.

So viel Fesselndes nun aber alle diese Versuche haben, es kennt sie doch
nur ein kleiner Theil der Gebildeten des Volks. Die fremde Pflanze scheint
auf deutschem Boden nicht gedeihen zu wollen. -- Nur die Platen'schen
Dichtungen machen hiervon eine Ausnahme. Wie sie ihrer Zeit das größte
Aufsehen erregten, so werden sie auch jetzt noch gelesen und vielfach besprochen.
Der Zeit nach steht Platen zwischen den vorgenannten Männern, da er auf
Rückert folgt, und Gruppe sowohl als auch Prutz erst nach ihm und von ihm
angeregt Aristophaneisch gedichtet haben, an Bedeutung aber und Ansehen
übertrifft er sie alle. Daher haben die Literarhistoriker diesem Zweige seiner
Dichtung besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und es fehlt auch ''nicht an
Abhandlungen, die sich eigens die Aufgabe stellen, seine Aristophaneischen Lei¬
stungen genauer zu prüfen. Trotzdem kann die Frage nach dem Verhältniß
Platens zu Aristophanes noch keineswegs als gelöst betrachtet werden. Der
attische Komiker wird bei der Vergleichung entweder zu wenig berücksichtigt
oder falsch beurtheilt, und gewisse Momente, die für die Charakteristik beider
Männer von Belang sind, werden außer Acht gelassen. Sonach dürfte es der


gedichtet von Absvlutulus von Hegelingen. Zauberspiel in 3 Akten." Gruppe
sucht darin mit keckem Muthwillen und nicht ohne Laune die Hegel'sche Schule
zu persistiren.

Ferner gehört hierher „die politische Wochenstube" von Prutz, Es ist
das ein kraftvolles Stück, in welchem die politischen, literarischen und reli¬
giösen Zustände Deutschlands und namentlich Preußens unter der Regierung
Friedrich Wilhelm's IV. mit vieler Bitterkeit, aber auch mit unleugbaren Ge¬
schick und ganz im Ton des antiken Dramas satirisch behandelt werden.

Ganz jüngst erst ist Julius Richter, ein um Kritik und Exegese des
Aristophanes hochverdienter Philolog, mit zwei Aristophaneischen Stücken an
die Öffentlichkeit getreten. I87l erschien von ihm das „Ungeziefer", 1873
die „Ultramontanocommunisten". Der Verfasser nennt sie Griechische Komö¬
dien, und er hat ein Recht dazu; sie find in fließendem, ja elegantem Griechisch
geschrieben, sie schließen sich im Aufbau, in der technischen Zurüstung, in der
Behandlung des Chors und der Parabase u. s. w. möglichst eng an die
Attische Komödie an und erinnern auch in der Art des Angriffs, der Charak¬
terzeichnung, der Witze und Derbheiten lebhaft an ihr Vorbild. In dem
ersten Stücke, dem Ungeziefer, zieht Richter gegen eine falsche Richtung der
heutigen Philologie, und nebenbei auch gegen die Ultramontanen, im zweiten
gegen die Ultramontanen und Socialisten zu Felde. Die Fabel ist es nicht,
die diesen Komödien ihren Werth gibt, dagegen fesseln sie durch frische Be¬
handlung zeitgemäßer Fragen, durch den warmen, patriotischen Ton, der durch
viele Chorlieder hindurchklingt, und durch die Vortrefflichkeit der Rhythmen
und des Ausdrucks.

So viel Fesselndes nun aber alle diese Versuche haben, es kennt sie doch
nur ein kleiner Theil der Gebildeten des Volks. Die fremde Pflanze scheint
auf deutschem Boden nicht gedeihen zu wollen. — Nur die Platen'schen
Dichtungen machen hiervon eine Ausnahme. Wie sie ihrer Zeit das größte
Aufsehen erregten, so werden sie auch jetzt noch gelesen und vielfach besprochen.
Der Zeit nach steht Platen zwischen den vorgenannten Männern, da er auf
Rückert folgt, und Gruppe sowohl als auch Prutz erst nach ihm und von ihm
angeregt Aristophaneisch gedichtet haben, an Bedeutung aber und Ansehen
übertrifft er sie alle. Daher haben die Literarhistoriker diesem Zweige seiner
Dichtung besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und es fehlt auch ''nicht an
Abhandlungen, die sich eigens die Aufgabe stellen, seine Aristophaneischen Lei¬
stungen genauer zu prüfen. Trotzdem kann die Frage nach dem Verhältniß
Platens zu Aristophanes noch keineswegs als gelöst betrachtet werden. Der
attische Komiker wird bei der Vergleichung entweder zu wenig berücksichtigt
oder falsch beurtheilt, und gewisse Momente, die für die Charakteristik beider
Männer von Belang sind, werden außer Acht gelassen. Sonach dürfte es der


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[0210] gedichtet von Absvlutulus von Hegelingen. Zauberspiel in 3 Akten." Gruppe sucht darin mit keckem Muthwillen und nicht ohne Laune die Hegel'sche Schule zu persistiren. Ferner gehört hierher „die politische Wochenstube" von Prutz, Es ist das ein kraftvolles Stück, in welchem die politischen, literarischen und reli¬ giösen Zustände Deutschlands und namentlich Preußens unter der Regierung Friedrich Wilhelm's IV. mit vieler Bitterkeit, aber auch mit unleugbaren Ge¬ schick und ganz im Ton des antiken Dramas satirisch behandelt werden. Ganz jüngst erst ist Julius Richter, ein um Kritik und Exegese des Aristophanes hochverdienter Philolog, mit zwei Aristophaneischen Stücken an die Öffentlichkeit getreten. I87l erschien von ihm das „Ungeziefer", 1873 die „Ultramontanocommunisten". Der Verfasser nennt sie Griechische Komö¬ dien, und er hat ein Recht dazu; sie find in fließendem, ja elegantem Griechisch geschrieben, sie schließen sich im Aufbau, in der technischen Zurüstung, in der Behandlung des Chors und der Parabase u. s. w. möglichst eng an die Attische Komödie an und erinnern auch in der Art des Angriffs, der Charak¬ terzeichnung, der Witze und Derbheiten lebhaft an ihr Vorbild. In dem ersten Stücke, dem Ungeziefer, zieht Richter gegen eine falsche Richtung der heutigen Philologie, und nebenbei auch gegen die Ultramontanen, im zweiten gegen die Ultramontanen und Socialisten zu Felde. Die Fabel ist es nicht, die diesen Komödien ihren Werth gibt, dagegen fesseln sie durch frische Be¬ handlung zeitgemäßer Fragen, durch den warmen, patriotischen Ton, der durch viele Chorlieder hindurchklingt, und durch die Vortrefflichkeit der Rhythmen und des Ausdrucks. So viel Fesselndes nun aber alle diese Versuche haben, es kennt sie doch nur ein kleiner Theil der Gebildeten des Volks. Die fremde Pflanze scheint auf deutschem Boden nicht gedeihen zu wollen. — Nur die Platen'schen Dichtungen machen hiervon eine Ausnahme. Wie sie ihrer Zeit das größte Aufsehen erregten, so werden sie auch jetzt noch gelesen und vielfach besprochen. Der Zeit nach steht Platen zwischen den vorgenannten Männern, da er auf Rückert folgt, und Gruppe sowohl als auch Prutz erst nach ihm und von ihm angeregt Aristophaneisch gedichtet haben, an Bedeutung aber und Ansehen übertrifft er sie alle. Daher haben die Literarhistoriker diesem Zweige seiner Dichtung besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und es fehlt auch ''nicht an Abhandlungen, die sich eigens die Aufgabe stellen, seine Aristophaneischen Lei¬ stungen genauer zu prüfen. Trotzdem kann die Frage nach dem Verhältniß Platens zu Aristophanes noch keineswegs als gelöst betrachtet werden. Der attische Komiker wird bei der Vergleichung entweder zu wenig berücksichtigt oder falsch beurtheilt, und gewisse Momente, die für die Charakteristik beider Männer von Belang sind, werden außer Acht gelassen. Sonach dürfte es der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/210>, abgerufen am 20.05.2024.