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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Kapitain oder Hauptmann bei Formation eines Fabricius (Fendle schreibt
Schärtlin) vorzustellen, diente als gemeiner Landsknecht, und erschien auch
wohl mit einem bloßen Schlachtschwert, -- Die Befehlshaber führten, neben
guten Trutzwaffen, meistens eine Partisane. Der kleine runde Schild, den
Fronsperger deutschen höheren Offizieren giebt, mag zwar hier und dort
wirklich getragen worden sein, dürfte aber doch als eine Art Luxusartikel
zu betrachten sein.*)

Im Allgemeinen bot ein daherziehendes Landsknechtregiment um die
Mitte, ja selbst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wol noch an¬
nähernd dasselbe Bild, wie unter Maximilian. Es ist allerdings in seiner
ungleichen mannigfachen Ausrüstung und Bewehrung, seiner oft bizarren oder
bäuerisch-ärmlichen, unzierlichen Kleidung, abgerissen mit "schlimmem" Schuh¬
werk, mit plumpen Hauben oder Baretten eine seltsame Erscheinung. Dann
wieder, wenn die Knechte in einer eroberten Stadt einmal "Sammet und feines
Tuch mit der längsten Elle (dem Spieß) gemessen", erscheinen sie ausstaffirt
wie Wilde. -- Sturmhauben, Hüte, Baretts wechselten mit einander in
farbigem Gemisch; Wamms und Hose waren in Schnitt, Stoff und Farbe so
verschieden wie Heimath und Herkunft ihrer Träger; ganz wie der Geschmack
und die Putzsucht es dem Einzelnen eingab. -- Der ungezwungene regellose
Schritt des lärmenden, singenden Haufens, voran der Oberst zu Roß (oder,
wie Herr Georg von Frundsberg, der Leibesschwere halber, wohl auf starkem
Maulthiere) umsprungen von seltsam geputzten Trabanten und von bellenden
Hunden, die thurmhohen Fähnlein buntester Art, die Verschiedenheit der
Gestalten, die Ornate des Schultheißen, des Freimanns, und hinterdrein,
zwischen einer Anzahl Karren und Wagen, der Schweif von "Hurer und
Buben", die Weiber, beladen mit Kindern, Kochgeschirren und Flaschen --
All das miteinander gewährte gewiß das eigenthümlichste Bild, und die Dar¬
stellungen aus jener Zeit mahnen in der That sehr an Plutarch's Schilderung
von der Fahrt eines cimbrischen Volksheeres. **) --Die allertollste Phantastik
athmen Trachtenbilder, welche dies Kriegsvolk zur Anschauung bringen. Nie
vielleicht hat der deutsche Jndividualisirungstrieb in der äußeren Erscheinung
so üppige Blüthen hervorgebracht, als in den Heeren der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts.

Leutselig gönnte der Kaiser seinen Landsknechten zeitweilige Pracht und
entschuldigte sie vor den scheelen Hofjunkern, da er seiner Kriegsgesellen
kümmerliches und wechselvolles Leben kannte; aber es kann uns andererseits
doch kaum Wunder nehmen, den hochwürdigen Doctor Muskulus, Oberhof¬
prediger des Kurfürsten Joachim I., allen Ernstes von der Berliner Kanzel




General v. Brandt: Geschichte des Kriegswesens. Berlin 1833.
"
) Barthold a. o, O.

Kapitain oder Hauptmann bei Formation eines Fabricius (Fendle schreibt
Schärtlin) vorzustellen, diente als gemeiner Landsknecht, und erschien auch
wohl mit einem bloßen Schlachtschwert, — Die Befehlshaber führten, neben
guten Trutzwaffen, meistens eine Partisane. Der kleine runde Schild, den
Fronsperger deutschen höheren Offizieren giebt, mag zwar hier und dort
wirklich getragen worden sein, dürfte aber doch als eine Art Luxusartikel
zu betrachten sein.*)

Im Allgemeinen bot ein daherziehendes Landsknechtregiment um die
Mitte, ja selbst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wol noch an¬
nähernd dasselbe Bild, wie unter Maximilian. Es ist allerdings in seiner
ungleichen mannigfachen Ausrüstung und Bewehrung, seiner oft bizarren oder
bäuerisch-ärmlichen, unzierlichen Kleidung, abgerissen mit „schlimmem" Schuh¬
werk, mit plumpen Hauben oder Baretten eine seltsame Erscheinung. Dann
wieder, wenn die Knechte in einer eroberten Stadt einmal „Sammet und feines
Tuch mit der längsten Elle (dem Spieß) gemessen", erscheinen sie ausstaffirt
wie Wilde. — Sturmhauben, Hüte, Baretts wechselten mit einander in
farbigem Gemisch; Wamms und Hose waren in Schnitt, Stoff und Farbe so
verschieden wie Heimath und Herkunft ihrer Träger; ganz wie der Geschmack
und die Putzsucht es dem Einzelnen eingab. — Der ungezwungene regellose
Schritt des lärmenden, singenden Haufens, voran der Oberst zu Roß (oder,
wie Herr Georg von Frundsberg, der Leibesschwere halber, wohl auf starkem
Maulthiere) umsprungen von seltsam geputzten Trabanten und von bellenden
Hunden, die thurmhohen Fähnlein buntester Art, die Verschiedenheit der
Gestalten, die Ornate des Schultheißen, des Freimanns, und hinterdrein,
zwischen einer Anzahl Karren und Wagen, der Schweif von „Hurer und
Buben", die Weiber, beladen mit Kindern, Kochgeschirren und Flaschen —
All das miteinander gewährte gewiß das eigenthümlichste Bild, und die Dar¬
stellungen aus jener Zeit mahnen in der That sehr an Plutarch's Schilderung
von der Fahrt eines cimbrischen Volksheeres. **) —Die allertollste Phantastik
athmen Trachtenbilder, welche dies Kriegsvolk zur Anschauung bringen. Nie
vielleicht hat der deutsche Jndividualisirungstrieb in der äußeren Erscheinung
so üppige Blüthen hervorgebracht, als in den Heeren der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts.

Leutselig gönnte der Kaiser seinen Landsknechten zeitweilige Pracht und
entschuldigte sie vor den scheelen Hofjunkern, da er seiner Kriegsgesellen
kümmerliches und wechselvolles Leben kannte; aber es kann uns andererseits
doch kaum Wunder nehmen, den hochwürdigen Doctor Muskulus, Oberhof¬
prediger des Kurfürsten Joachim I., allen Ernstes von der Berliner Kanzel




General v. Brandt: Geschichte des Kriegswesens. Berlin 1833.
"
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/19>, abgerufen am 12.05.2024.