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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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nungen nach Artikel 62 künftig der Vereinbarung des Militärbudgets zu
Grunde gelegt werden sollen. Eine gesetzlich festgestellte Organisation be¬
schränkt jedoch das unbegrenzte Budgetbewilligungsrecht des Repräsentativ¬
körpers. Deshalb wollte Herr Richter von einem Organisationsgesetz nicht
allzuviel wissen. Er bestritt wenigstens, daß die Vorlegung eines solchen durch
Artikel 61 der Reichsverfassung vorgeschrieben sei, und bezog sich für seine
Bestreitung auf die Verhandlungen des constituirenden Reichstags. Er meinte,
das in Artikel 61 verheißene Neichsmilitärgesetz habe nur die bisher schon
gesetzlich geordneten Materien des Kriegswesens zusammenfassen sollen. Was
kann er aber gegen Artikel 62 anfangen, dessen letzter Absatz anordnet, daß
bei den Militärausgaben, die auf Grundlage der Verfassung gesetzlich festste¬
hende Organisation des Reichsheeres zu Grunde zu legen sei? Hier ist doch
offenbar gemeint ein Organisationsgesetz, welches auf Grundlage der Vor¬
schrift des Artikel 61 erlassen worden.

Herr Richter erklärte indeß, daß er und seine Freunde einer gesetzlichen
Feststellung der Organisation des Reichsheeres sich nicht widersetzen würden,
wenn sie auch die Verpflichtung dazu durch die Reichsverfassung nicht anzu¬
erkennen vermöchten. Nun aber erklärte Herr Richter weiter, daß er kein Or¬
ganisationsgesetz annehmen könne, durch welches nur die Friedensorganisation
geregelt werde. Er verlangte also die Organisation des Kriegsheeres
durch ein unveränderliches Gesetz. Man muß das wirklich mehrmals lesen,
um es zu glauben. Ist das dem deutschen Reichstag gesagt worden, oder
dem Reichstag der vereinigten Staaten von Abdera, Schöppenstedt und Kräh¬
winkel? Hoffentlich wird bald ein Bilderbogen erscheinen: "Wie die Schöp-
penstedter ein Gesetz machen, wie stark das Kriegsheer sein soll, und wie sie
den Feind ersuchen, sein Heer nicht stärker, eher etwas kleiner zu machen."
Bisher weiß doch Jedermann, daß eine Nation, die in ihrem Leben bedroht
ist, den letzten Mann daransetzt, so lange das noch etwas helfen kann. Die
Friedensformation des Heeres hat im Wesentlichen die Bestimmung, den Rah¬
men der beim Uebergang auf den Kriegsfuß sofort aufstellbarem Feldarmee
zu bilden. Je größer dieser Rahmen und je größer demnach die bet der Mo¬
bilmachung aufstellbare Feldarmee ist, desto schlagfertiger ist eine Nation.
Aber keine Nation kann daran denken, im Frieden die Formation zur er¬
schöpfenden Aufnahme aller ihrer Streitmittel aufzustellen. Daß man gleich¬
wohl Bedacht nimmt auf die Bereithaltung gewisser Stämme noch außerhalb
des Rahmens der activen Friedensarmee, ist in der Ordnung. Herr Richter
wollte, soweit er sich deutlich ausgedrückt hat, das Friedensheer auf Stämme
reduciren zur Aufnahme eines Kriegsheeres von gesetzlich begrenztem Umfang.
Das ist seine gesetzliche Feststellung der Heeresorganisation. Außer den bloßen
Stämmen wird er wohl auch einige vollzählige Truppentheile zur Ausbildung


nungen nach Artikel 62 künftig der Vereinbarung des Militärbudgets zu
Grunde gelegt werden sollen. Eine gesetzlich festgestellte Organisation be¬
schränkt jedoch das unbegrenzte Budgetbewilligungsrecht des Repräsentativ¬
körpers. Deshalb wollte Herr Richter von einem Organisationsgesetz nicht
allzuviel wissen. Er bestritt wenigstens, daß die Vorlegung eines solchen durch
Artikel 61 der Reichsverfassung vorgeschrieben sei, und bezog sich für seine
Bestreitung auf die Verhandlungen des constituirenden Reichstags. Er meinte,
das in Artikel 61 verheißene Neichsmilitärgesetz habe nur die bisher schon
gesetzlich geordneten Materien des Kriegswesens zusammenfassen sollen. Was
kann er aber gegen Artikel 62 anfangen, dessen letzter Absatz anordnet, daß
bei den Militärausgaben, die auf Grundlage der Verfassung gesetzlich festste¬
hende Organisation des Reichsheeres zu Grunde zu legen sei? Hier ist doch
offenbar gemeint ein Organisationsgesetz, welches auf Grundlage der Vor¬
schrift des Artikel 61 erlassen worden.

Herr Richter erklärte indeß, daß er und seine Freunde einer gesetzlichen
Feststellung der Organisation des Reichsheeres sich nicht widersetzen würden,
wenn sie auch die Verpflichtung dazu durch die Reichsverfassung nicht anzu¬
erkennen vermöchten. Nun aber erklärte Herr Richter weiter, daß er kein Or¬
ganisationsgesetz annehmen könne, durch welches nur die Friedensorganisation
geregelt werde. Er verlangte also die Organisation des Kriegsheeres
durch ein unveränderliches Gesetz. Man muß das wirklich mehrmals lesen,
um es zu glauben. Ist das dem deutschen Reichstag gesagt worden, oder
dem Reichstag der vereinigten Staaten von Abdera, Schöppenstedt und Kräh¬
winkel? Hoffentlich wird bald ein Bilderbogen erscheinen: „Wie die Schöp-
penstedter ein Gesetz machen, wie stark das Kriegsheer sein soll, und wie sie
den Feind ersuchen, sein Heer nicht stärker, eher etwas kleiner zu machen."
Bisher weiß doch Jedermann, daß eine Nation, die in ihrem Leben bedroht
ist, den letzten Mann daransetzt, so lange das noch etwas helfen kann. Die
Friedensformation des Heeres hat im Wesentlichen die Bestimmung, den Rah¬
men der beim Uebergang auf den Kriegsfuß sofort aufstellbarem Feldarmee
zu bilden. Je größer dieser Rahmen und je größer demnach die bet der Mo¬
bilmachung aufstellbare Feldarmee ist, desto schlagfertiger ist eine Nation.
Aber keine Nation kann daran denken, im Frieden die Formation zur er¬
schöpfenden Aufnahme aller ihrer Streitmittel aufzustellen. Daß man gleich¬
wohl Bedacht nimmt auf die Bereithaltung gewisser Stämme noch außerhalb
des Rahmens der activen Friedensarmee, ist in der Ordnung. Herr Richter
wollte, soweit er sich deutlich ausgedrückt hat, das Friedensheer auf Stämme
reduciren zur Aufnahme eines Kriegsheeres von gesetzlich begrenztem Umfang.
Das ist seine gesetzliche Feststellung der Heeresorganisation. Außer den bloßen
Stämmen wird er wohl auch einige vollzählige Truppentheile zur Ausbildung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/360>, abgerufen am 17.06.2024.