Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wollen, um von Oesterreich bessere Bedingungen in Schleswig-Holstein zu
erreichen. Aber, so jubelt Govone, das soll ihm nicht gelingen! Aussicht
mit ihm zu einem Vertrage zu gelangen, ist zwar nicht vorhanden; ich könnte
deshalb nur gleich wieder abreisen; aber ich will bleiben um Oesterreich bange
zu machen und Zeit für die famosen "andern Combinationen" zu gewinnen;
habe ich das glücklich erreicht, dann ist es zum Abbruch noch früh genug:
"dann hat die Natter den Charlatan gebissen."

So dachte und schrieb der italienische Unterhändler am 15. März, nach¬
dem er Tags zuvor eine erste, lange Unterredung mit Bismarck gehabt und
dieser ihm mit einer staunenswerthen Offenheit und Klarheit (Klarheit selbst
noch in dem Referate Govone's) die ganze Sachlage und alle seine Pläne dar¬
gelegt hatte. Daran, daß man den Krieg sofort beginnen könne, sei nicht
zu denken, das schickte Bismarck sogleich voraus; auch gestand er unverhohlen,
daß es dem Bündniß mit Italien in Berlin nicht an Gegnern fehlte. Er
aber wünsche dasselbe und wünsche es gleich, weil er es brauche, um den
König an seine Politik zu binden. Als deren Ziel bezeichnete er die Hege¬
monie Preußens in Norddeutschland; nur dieses rechtfertige einen so gewal¬
tigen Krieg, wie der mit Oesterreich sein werde; um der Elbherzogthümer
willen dürfe man ihn nicht anfangen. Seine Absicht sei deshalb, eine Reform
des deutschen Bundes in Anregung zu bringen und die Berufung eines Par¬
lamentes zu fordern, darüber werde es zum Bruch mit Oesterreich kommen.
Die Zeit, die bis dahin noch verstreichen könne, schätzte er auf mehrere Mo¬
nate. Es schien ihm begreiflich, daß Italien Bedenken tragen möchte, sich
soweit hinaus zu binden, und wenn es deshalb auch im Interesse seiner eige¬
nen Politik einem sofortigen Kriegsbündniß (für dessen Jnslebentreten er selbst
den Zeitpunkt bestimmt haben würde) den Borzug gab, so schlug er doch zu¬
gleich auch zwei andere Formen vor, entweder: Italien solle an den zu schlie¬
ßenden Vertrag erst dann gebunden sein, wenn Preußen die Berufung eines
Parlamentes gefordert und damit die Schiffe hinter sich verbrannt habe; --
oder: das Bündniß, welches man schließe, solle noch gar keine Bestimmungen
über eventuelle Kriegshülfe enthalten, sondern nur ein allgemein gehaltener
Freundschaftsvertrag sein, der dann im gegebenen Angenbli et durch ein Kriegs'
bündniß ergänzt werden konnte.

Den beiden Italienern (Barral nahm an der Unterhaltung Theil) kam
diese Auswahl sehr wunderbar vor. Besonders bei Govone stand es jetzt
unerschütterlich fest, daß Bismarck gar keinen ernstlichen Vertrag mit Italien
schließen, sondern sich ihrer nur als Strohmänner bedienen wolle. Vielleicht,
so schoß es ihm durch den Kopf, sei die Absicht auch nur die, Italien an
einem gütlichen Vergleich mit Oesterreich durch einen solchen Vertrag zu hin¬
dern, weil es in Preußens Interesse liege, für alle Fälle die Rivalität


wollen, um von Oesterreich bessere Bedingungen in Schleswig-Holstein zu
erreichen. Aber, so jubelt Govone, das soll ihm nicht gelingen! Aussicht
mit ihm zu einem Vertrage zu gelangen, ist zwar nicht vorhanden; ich könnte
deshalb nur gleich wieder abreisen; aber ich will bleiben um Oesterreich bange
zu machen und Zeit für die famosen „andern Combinationen" zu gewinnen;
habe ich das glücklich erreicht, dann ist es zum Abbruch noch früh genug:
„dann hat die Natter den Charlatan gebissen."

So dachte und schrieb der italienische Unterhändler am 15. März, nach¬
dem er Tags zuvor eine erste, lange Unterredung mit Bismarck gehabt und
dieser ihm mit einer staunenswerthen Offenheit und Klarheit (Klarheit selbst
noch in dem Referate Govone's) die ganze Sachlage und alle seine Pläne dar¬
gelegt hatte. Daran, daß man den Krieg sofort beginnen könne, sei nicht
zu denken, das schickte Bismarck sogleich voraus; auch gestand er unverhohlen,
daß es dem Bündniß mit Italien in Berlin nicht an Gegnern fehlte. Er
aber wünsche dasselbe und wünsche es gleich, weil er es brauche, um den
König an seine Politik zu binden. Als deren Ziel bezeichnete er die Hege¬
monie Preußens in Norddeutschland; nur dieses rechtfertige einen so gewal¬
tigen Krieg, wie der mit Oesterreich sein werde; um der Elbherzogthümer
willen dürfe man ihn nicht anfangen. Seine Absicht sei deshalb, eine Reform
des deutschen Bundes in Anregung zu bringen und die Berufung eines Par¬
lamentes zu fordern, darüber werde es zum Bruch mit Oesterreich kommen.
Die Zeit, die bis dahin noch verstreichen könne, schätzte er auf mehrere Mo¬
nate. Es schien ihm begreiflich, daß Italien Bedenken tragen möchte, sich
soweit hinaus zu binden, und wenn es deshalb auch im Interesse seiner eige¬
nen Politik einem sofortigen Kriegsbündniß (für dessen Jnslebentreten er selbst
den Zeitpunkt bestimmt haben würde) den Borzug gab, so schlug er doch zu¬
gleich auch zwei andere Formen vor, entweder: Italien solle an den zu schlie¬
ßenden Vertrag erst dann gebunden sein, wenn Preußen die Berufung eines
Parlamentes gefordert und damit die Schiffe hinter sich verbrannt habe; —
oder: das Bündniß, welches man schließe, solle noch gar keine Bestimmungen
über eventuelle Kriegshülfe enthalten, sondern nur ein allgemein gehaltener
Freundschaftsvertrag sein, der dann im gegebenen Angenbli et durch ein Kriegs'
bündniß ergänzt werden konnte.

Den beiden Italienern (Barral nahm an der Unterhaltung Theil) kam
diese Auswahl sehr wunderbar vor. Besonders bei Govone stand es jetzt
unerschütterlich fest, daß Bismarck gar keinen ernstlichen Vertrag mit Italien
schließen, sondern sich ihrer nur als Strohmänner bedienen wolle. Vielleicht,
so schoß es ihm durch den Kopf, sei die Absicht auch nur die, Italien an
einem gütlichen Vergleich mit Oesterreich durch einen solchen Vertrag zu hin¬
dern, weil es in Preußens Interesse liege, für alle Fälle die Rivalität


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131020"/>
          <p xml:id="ID_1096" prev="#ID_1095"> wollen, um von Oesterreich bessere Bedingungen in Schleswig-Holstein zu<lb/>
erreichen. Aber, so jubelt Govone, das soll ihm nicht gelingen! Aussicht<lb/>
mit ihm zu einem Vertrage zu gelangen, ist zwar nicht vorhanden; ich könnte<lb/>
deshalb nur gleich wieder abreisen; aber ich will bleiben um Oesterreich bange<lb/>
zu machen und Zeit für die famosen &#x201E;andern Combinationen" zu gewinnen;<lb/>
habe ich das glücklich erreicht, dann ist es zum Abbruch noch früh genug:<lb/>
&#x201E;dann hat die Natter den Charlatan gebissen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1097"> So dachte und schrieb der italienische Unterhändler am 15. März, nach¬<lb/>
dem er Tags zuvor eine erste, lange Unterredung mit Bismarck gehabt und<lb/>
dieser ihm mit einer staunenswerthen Offenheit und Klarheit (Klarheit selbst<lb/>
noch in dem Referate Govone's) die ganze Sachlage und alle seine Pläne dar¬<lb/>
gelegt hatte. Daran, daß man den Krieg sofort beginnen könne, sei nicht<lb/>
zu denken, das schickte Bismarck sogleich voraus; auch gestand er unverhohlen,<lb/>
daß es dem Bündniß mit Italien in Berlin nicht an Gegnern fehlte. Er<lb/>
aber wünsche dasselbe und wünsche es gleich, weil er es brauche, um den<lb/>
König an seine Politik zu binden. Als deren Ziel bezeichnete er die Hege¬<lb/>
monie Preußens in Norddeutschland; nur dieses rechtfertige einen so gewal¬<lb/>
tigen Krieg, wie der mit Oesterreich sein werde; um der Elbherzogthümer<lb/>
willen dürfe man ihn nicht anfangen. Seine Absicht sei deshalb, eine Reform<lb/>
des deutschen Bundes in Anregung zu bringen und die Berufung eines Par¬<lb/>
lamentes zu fordern, darüber werde es zum Bruch mit Oesterreich kommen.<lb/>
Die Zeit, die bis dahin noch verstreichen könne, schätzte er auf mehrere Mo¬<lb/>
nate. Es schien ihm begreiflich, daß Italien Bedenken tragen möchte, sich<lb/>
soweit hinaus zu binden, und wenn es deshalb auch im Interesse seiner eige¬<lb/>
nen Politik einem sofortigen Kriegsbündniß (für dessen Jnslebentreten er selbst<lb/>
den Zeitpunkt bestimmt haben würde) den Borzug gab, so schlug er doch zu¬<lb/>
gleich auch zwei andere Formen vor, entweder: Italien solle an den zu schlie¬<lb/>
ßenden Vertrag erst dann gebunden sein, wenn Preußen die Berufung eines<lb/>
Parlamentes gefordert und damit die Schiffe hinter sich verbrannt habe; &#x2014;<lb/>
oder: das Bündniß, welches man schließe, solle noch gar keine Bestimmungen<lb/>
über eventuelle Kriegshülfe enthalten, sondern nur ein allgemein gehaltener<lb/>
Freundschaftsvertrag sein, der dann im gegebenen Angenbli et durch ein Kriegs'<lb/>
bündniß ergänzt werden konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1098" next="#ID_1099"> Den beiden Italienern (Barral nahm an der Unterhaltung Theil) kam<lb/>
diese Auswahl sehr wunderbar vor. Besonders bei Govone stand es jetzt<lb/>
unerschütterlich fest, daß Bismarck gar keinen ernstlichen Vertrag mit Italien<lb/>
schließen, sondern sich ihrer nur als Strohmänner bedienen wolle. Vielleicht,<lb/>
so schoß es ihm durch den Kopf, sei die Absicht auch nur die, Italien an<lb/>
einem gütlichen Vergleich mit Oesterreich durch einen solchen Vertrag zu hin¬<lb/>
dern, weil es in Preußens Interesse liege, für alle Fälle die Rivalität</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0376] wollen, um von Oesterreich bessere Bedingungen in Schleswig-Holstein zu erreichen. Aber, so jubelt Govone, das soll ihm nicht gelingen! Aussicht mit ihm zu einem Vertrage zu gelangen, ist zwar nicht vorhanden; ich könnte deshalb nur gleich wieder abreisen; aber ich will bleiben um Oesterreich bange zu machen und Zeit für die famosen „andern Combinationen" zu gewinnen; habe ich das glücklich erreicht, dann ist es zum Abbruch noch früh genug: „dann hat die Natter den Charlatan gebissen." So dachte und schrieb der italienische Unterhändler am 15. März, nach¬ dem er Tags zuvor eine erste, lange Unterredung mit Bismarck gehabt und dieser ihm mit einer staunenswerthen Offenheit und Klarheit (Klarheit selbst noch in dem Referate Govone's) die ganze Sachlage und alle seine Pläne dar¬ gelegt hatte. Daran, daß man den Krieg sofort beginnen könne, sei nicht zu denken, das schickte Bismarck sogleich voraus; auch gestand er unverhohlen, daß es dem Bündniß mit Italien in Berlin nicht an Gegnern fehlte. Er aber wünsche dasselbe und wünsche es gleich, weil er es brauche, um den König an seine Politik zu binden. Als deren Ziel bezeichnete er die Hege¬ monie Preußens in Norddeutschland; nur dieses rechtfertige einen so gewal¬ tigen Krieg, wie der mit Oesterreich sein werde; um der Elbherzogthümer willen dürfe man ihn nicht anfangen. Seine Absicht sei deshalb, eine Reform des deutschen Bundes in Anregung zu bringen und die Berufung eines Par¬ lamentes zu fordern, darüber werde es zum Bruch mit Oesterreich kommen. Die Zeit, die bis dahin noch verstreichen könne, schätzte er auf mehrere Mo¬ nate. Es schien ihm begreiflich, daß Italien Bedenken tragen möchte, sich soweit hinaus zu binden, und wenn es deshalb auch im Interesse seiner eige¬ nen Politik einem sofortigen Kriegsbündniß (für dessen Jnslebentreten er selbst den Zeitpunkt bestimmt haben würde) den Borzug gab, so schlug er doch zu¬ gleich auch zwei andere Formen vor, entweder: Italien solle an den zu schlie¬ ßenden Vertrag erst dann gebunden sein, wenn Preußen die Berufung eines Parlamentes gefordert und damit die Schiffe hinter sich verbrannt habe; — oder: das Bündniß, welches man schließe, solle noch gar keine Bestimmungen über eventuelle Kriegshülfe enthalten, sondern nur ein allgemein gehaltener Freundschaftsvertrag sein, der dann im gegebenen Angenbli et durch ein Kriegs' bündniß ergänzt werden konnte. Den beiden Italienern (Barral nahm an der Unterhaltung Theil) kam diese Auswahl sehr wunderbar vor. Besonders bei Govone stand es jetzt unerschütterlich fest, daß Bismarck gar keinen ernstlichen Vertrag mit Italien schließen, sondern sich ihrer nur als Strohmänner bedienen wolle. Vielleicht, so schoß es ihm durch den Kopf, sei die Absicht auch nur die, Italien an einem gütlichen Vergleich mit Oesterreich durch einen solchen Vertrag zu hin¬ dern, weil es in Preußens Interesse liege, für alle Fälle die Rivalität

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/376
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/376>, abgerufen am 17.06.2024.