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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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rigere Aufgabe der Einführung desselben ins Volk, die Verbreitung desselben
gegen den Argwohn und Haß des Dalwigk'schen Regiments. Kein Mittel
ließ diese Regierung unversucht, um die neue Bewegung im Keime zu er¬
sticken, ihre Führer einzuschüchtern. Metz, der sofort in Frankfurt zum Mit¬
glied des Ausschusses des Nationalvereins gewählt worden war, und in dieser
Stellung bis zur Auflösung des Vereins bei jeder Neuwahl bestätigt ward,
wurde nun für jede Versammlung des Vereins oder seines Ausschusses, der
er beiwohnte, in eine neue Untersuchung gezogen, zu drei verschiedenen Malen
mit Gefängnißstrafe belegt und gleichzeitig disziplinarisch processirt und ver¬
urtheilt und endlich in eine fünfte Criminaluntersuchung verwickelt wegen
"Aufforderung zum Ungehorsam", weil er die damals viel genannten "109
Offenbacher" zum Eintritt in den Nationalverein und zur öffentlichen Anzeige
ihrer Mitgliedschaft in den Zeitungen veranlaßt hatte. Seine Absetzung als
Anwalt und eine längere Correctionshausstrafe erschien schon unausbleiblich,
als plötzlich etwa 1000 der angesehensten Bürger aus allen Theilen des
Großherzogthums sich öffentlich dem Nationalverein anschlössen und dadurch
das Ministerium Dalwigk zur Aufhebung seines Verbots und zur kläglichen
Retirade hinter den Bundestag zwangen. Der Bundestag seinerseits erklärte
sich wie gewöhnlich -- diesmal im Interesse der nationalen Sache und Dank
der neuen Aera in Preußen -- für incompetent. Diese monatelangen Con¬
flicte zwischen Metz und der hessischen Justiz fanden ihr Pendant in einigen
sehr spaßhaften Conflicten zwischen Metz und der hessischen Polizei. So rettete
er sich in Alzey, nach Auflösung einer zahlreichen Volksversammlung über
die rheinbayrische Grenze und ließ die Freunde drüben in der fröhlichen Pfalz
weiter tagen, Angesichts des Aergers der großhessischen Gensdarmerie, die
ihrerseits die blauweißen Grenzpfähle nicht überschreiten durfte, ohne einen
internationalen Conflict mit der Krone Baiern heraufzubeschwören. Ein an¬
dermal verfügte sich Metz, als ihn die Häscher nach Auflösung einer Volks¬
versammlung in Oppenheim greifen wollten, mit allen seinen Zuhörern auf
den "freien Rhein" und hielt auf den Fluthen des deutschen Stroms die zu
Lande gestörte Versammlung ab, während kein Schiffer der am Ufer rathlos
dastehenden Gensdarmerie einen Nachen zur Verfügung stellte. Solche Scenen
erregten die Heiterkeit von ganz Deutschland und vermehrten in gewaltigen
Progressionen die Theilnahme an dem verfolgten deutschen Nationalverein. Metz
selbst hatte bei jedem Anlasse, wo er öffentlich sprach, eine so ungewöhnliche,
namentlich auf große Volksmassen so mächtig wirkende Beredsamkeit offen¬
bart, daß der Nationalveretn ihn von nun an bis 1868 vorzugsweise als
Apostel und Reiseprediger in allen deutschen Gauen verwendete. Metz hat
sich dieser mühseligen, und für einen Anwalt öconomisch sehr wenig lohnen¬
den Thätigkeit ein halbes Jahrzehnt hindurch mit unermüdlicher Ausdauer


rigere Aufgabe der Einführung desselben ins Volk, die Verbreitung desselben
gegen den Argwohn und Haß des Dalwigk'schen Regiments. Kein Mittel
ließ diese Regierung unversucht, um die neue Bewegung im Keime zu er¬
sticken, ihre Führer einzuschüchtern. Metz, der sofort in Frankfurt zum Mit¬
glied des Ausschusses des Nationalvereins gewählt worden war, und in dieser
Stellung bis zur Auflösung des Vereins bei jeder Neuwahl bestätigt ward,
wurde nun für jede Versammlung des Vereins oder seines Ausschusses, der
er beiwohnte, in eine neue Untersuchung gezogen, zu drei verschiedenen Malen
mit Gefängnißstrafe belegt und gleichzeitig disziplinarisch processirt und ver¬
urtheilt und endlich in eine fünfte Criminaluntersuchung verwickelt wegen
„Aufforderung zum Ungehorsam", weil er die damals viel genannten „109
Offenbacher" zum Eintritt in den Nationalverein und zur öffentlichen Anzeige
ihrer Mitgliedschaft in den Zeitungen veranlaßt hatte. Seine Absetzung als
Anwalt und eine längere Correctionshausstrafe erschien schon unausbleiblich,
als plötzlich etwa 1000 der angesehensten Bürger aus allen Theilen des
Großherzogthums sich öffentlich dem Nationalverein anschlössen und dadurch
das Ministerium Dalwigk zur Aufhebung seines Verbots und zur kläglichen
Retirade hinter den Bundestag zwangen. Der Bundestag seinerseits erklärte
sich wie gewöhnlich — diesmal im Interesse der nationalen Sache und Dank
der neuen Aera in Preußen — für incompetent. Diese monatelangen Con¬
flicte zwischen Metz und der hessischen Justiz fanden ihr Pendant in einigen
sehr spaßhaften Conflicten zwischen Metz und der hessischen Polizei. So rettete
er sich in Alzey, nach Auflösung einer zahlreichen Volksversammlung über
die rheinbayrische Grenze und ließ die Freunde drüben in der fröhlichen Pfalz
weiter tagen, Angesichts des Aergers der großhessischen Gensdarmerie, die
ihrerseits die blauweißen Grenzpfähle nicht überschreiten durfte, ohne einen
internationalen Conflict mit der Krone Baiern heraufzubeschwören. Ein an¬
dermal verfügte sich Metz, als ihn die Häscher nach Auflösung einer Volks¬
versammlung in Oppenheim greifen wollten, mit allen seinen Zuhörern auf
den „freien Rhein" und hielt auf den Fluthen des deutschen Stroms die zu
Lande gestörte Versammlung ab, während kein Schiffer der am Ufer rathlos
dastehenden Gensdarmerie einen Nachen zur Verfügung stellte. Solche Scenen
erregten die Heiterkeit von ganz Deutschland und vermehrten in gewaltigen
Progressionen die Theilnahme an dem verfolgten deutschen Nationalverein. Metz
selbst hatte bei jedem Anlasse, wo er öffentlich sprach, eine so ungewöhnliche,
namentlich auf große Volksmassen so mächtig wirkende Beredsamkeit offen¬
bart, daß der Nationalveretn ihn von nun an bis 1868 vorzugsweise als
Apostel und Reiseprediger in allen deutschen Gauen verwendete. Metz hat
sich dieser mühseligen, und für einen Anwalt öconomisch sehr wenig lohnen¬
den Thätigkeit ein halbes Jahrzehnt hindurch mit unermüdlicher Ausdauer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/393>, abgerufen am 17.06.2024.