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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Batterien auf dem Hügel Bellecroir errichten und den Hauptangriff auf der
Nordost-Seite oder nördlich über die Insel Chambiöres machen, und trafen
daher alsbald die entsprechenden Vertheidigungsanstalten. Da einige Deser¬
teurs, welche sich nach der Stadt geflüchtet, aussagten, daß der Marquis von Ma-
rigncmo beim Recognosciren zu la Belle-Croir geäußert habe: er bemerke eine
Stelle zu einer schönen und großen Bresche, welche derart zu beherrschen sei,
daß man durch Artilleriefeuer die Anlage eines Abschnittes unmöglich machen
könne, so verließ Guise heimlich die Stadt und begab sich selbst nach der
Höhe von Bellecroix, nahm die Sache in Augenschein und befahl, zurückge¬
kehrt, sofort sehr wirksame Gegenmaßregeln. Allein bald zeigte sich, daß die
bisherigen Maßnahmen der Kaiserlichen entweder nur ein Scheinangriff waren,
durch den die Aufmerksamkeit der Franzosen von dem wahren Angriffspunkt
abgelenkt werden sollte, oder daß das Feuer von der Plattform des Rats sich
hier so stark erwiesen, daß Alba seinen Angriffspunkt verändern zu müssen
glaubte. Das letztere geschah in der That. Alba ließ jedoch zu Se. Julien
und Chatillon 4 Regimenter deutscher Infanterie und 3000 Pferde unter dem
Befehl des Sir de Bravan-zon zurück, der sich hier einrichtete und bis zum
Schluß der Belagerung verblieb. Sein Lager wurde von den französischen
Soldaten scherzhaft "0twi> as In. i-eins Nario" genannt, weil man annahm,
daß Braban"M der Geliebte der Prinzeß Marie, der Statthalterin der
Niederlande, sei. Die übrigen Truppen behielt Alba unter seinem unmittel¬
baren Befehl und brach mit ihnen heimlich, ohne Trommelschlag auf. Ihre
Fahnen blieben zunächst noch auf den Spitzen der begonnenen Approchen stehn
und wurden erst nach und nach zurückgezogen, "als wenn sie der Wind fort¬
geweht hätte; aber doch nicht so fein, daß Herr von Guise es nicht bemerkt
hätte." -- Am 2. November ging Alba bei Magny über die senke, um sich
an der Südseite von Metz in die Sablon's zu lagern. Die dort statio-
nirten französischen Truppen hielten jedoch, von den vorstädtischen Abteien
Se. Pier'e und Se. Arnould aus, die Kaiserlichen volle 10 Tage auf. um der
Besatzung die Zeit zu gewähren, die Befestigungen, die auf dieser Seite mit
Ausnahme des Bollwerks am Thor Champenoise noch in schlechtem Zustande
waren, herstellen und vollenden zu können. Guise legte auf eine schleunige
Verstärkung der neuen Verschanzungen an der Porte Champenoise so großes
Gewicht, daß selbst die Prinzen als Handarbeiter an den Erdarbeiten Theil
nahmens) Nach acht Tagen rastloser Arbeit an einem 24 Fuß breiten



") Um das Außerordentliche dieser Thatsache zu verstehn, muß man sich erinnern, daß so¬
gar den gemeinen Soldaten jener Zeit Schanzarbeiten eigentlich als unwürdig galten. Mont-
luc berichtet in seinen Memoiren mehrere Züge davon. Als z. B. bei Boulogne die Pioniere
zersprengt und geflohen waren, befahl der Marschall dn'Biez, daß ein Fort^ welches für die
Einschließung des Platzes von der äußersten Wichtigkeit war, seitens der Soldaten selbst vol-

Batterien auf dem Hügel Bellecroir errichten und den Hauptangriff auf der
Nordost-Seite oder nördlich über die Insel Chambiöres machen, und trafen
daher alsbald die entsprechenden Vertheidigungsanstalten. Da einige Deser¬
teurs, welche sich nach der Stadt geflüchtet, aussagten, daß der Marquis von Ma-
rigncmo beim Recognosciren zu la Belle-Croir geäußert habe: er bemerke eine
Stelle zu einer schönen und großen Bresche, welche derart zu beherrschen sei,
daß man durch Artilleriefeuer die Anlage eines Abschnittes unmöglich machen
könne, so verließ Guise heimlich die Stadt und begab sich selbst nach der
Höhe von Bellecroix, nahm die Sache in Augenschein und befahl, zurückge¬
kehrt, sofort sehr wirksame Gegenmaßregeln. Allein bald zeigte sich, daß die
bisherigen Maßnahmen der Kaiserlichen entweder nur ein Scheinangriff waren,
durch den die Aufmerksamkeit der Franzosen von dem wahren Angriffspunkt
abgelenkt werden sollte, oder daß das Feuer von der Plattform des Rats sich
hier so stark erwiesen, daß Alba seinen Angriffspunkt verändern zu müssen
glaubte. Das letztere geschah in der That. Alba ließ jedoch zu Se. Julien
und Chatillon 4 Regimenter deutscher Infanterie und 3000 Pferde unter dem
Befehl des Sir de Bravan-zon zurück, der sich hier einrichtete und bis zum
Schluß der Belagerung verblieb. Sein Lager wurde von den französischen
Soldaten scherzhaft „0twi> as In. i-eins Nario" genannt, weil man annahm,
daß Braban«M der Geliebte der Prinzeß Marie, der Statthalterin der
Niederlande, sei. Die übrigen Truppen behielt Alba unter seinem unmittel¬
baren Befehl und brach mit ihnen heimlich, ohne Trommelschlag auf. Ihre
Fahnen blieben zunächst noch auf den Spitzen der begonnenen Approchen stehn
und wurden erst nach und nach zurückgezogen, „als wenn sie der Wind fort¬
geweht hätte; aber doch nicht so fein, daß Herr von Guise es nicht bemerkt
hätte." — Am 2. November ging Alba bei Magny über die senke, um sich
an der Südseite von Metz in die Sablon's zu lagern. Die dort statio-
nirten französischen Truppen hielten jedoch, von den vorstädtischen Abteien
Se. Pier'e und Se. Arnould aus, die Kaiserlichen volle 10 Tage auf. um der
Besatzung die Zeit zu gewähren, die Befestigungen, die auf dieser Seite mit
Ausnahme des Bollwerks am Thor Champenoise noch in schlechtem Zustande
waren, herstellen und vollenden zu können. Guise legte auf eine schleunige
Verstärkung der neuen Verschanzungen an der Porte Champenoise so großes
Gewicht, daß selbst die Prinzen als Handarbeiter an den Erdarbeiten Theil
nahmens) Nach acht Tagen rastloser Arbeit an einem 24 Fuß breiten



") Um das Außerordentliche dieser Thatsache zu verstehn, muß man sich erinnern, daß so¬
gar den gemeinen Soldaten jener Zeit Schanzarbeiten eigentlich als unwürdig galten. Mont-
luc berichtet in seinen Memoiren mehrere Züge davon. Als z. B. bei Boulogne die Pioniere
zersprengt und geflohen waren, befahl der Marschall dn'Biez, daß ein Fort^ welches für die
Einschließung des Platzes von der äußersten Wichtigkeit war, seitens der Soldaten selbst vol-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/57>, abgerufen am 26.05.2024.