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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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der Bruchländereien, ohne welche das erforderliche Maß und die wünschens¬
werte Stetigkeit der Zuflüsse nicht zu beschaffen sind. Allein darin stimmen
sie alle überein, daß sich in Bezug aus die Binnenschifffahrt eine Reihe von
volkswirthschaftlichen Gesetzen herausgestellt hat, von deren treuer Beachtung
die Wohlfuhrt Deutschlands in nicht geringem Grade abhängig ist, und die
zu dem Satze hinleiten: "Das deutsche Reich muH ein großartig
durchgeführtes Kanalnetz haben."

Jene Gesetze lauten:

1. Trotz der Eisenbahnen bleiben die Wasserstraßen für Handel, Industrie
und Volksbedürfnisse unersetzlich.

2. Denn zwischen Eisenbahnen und Wasserstraßen findet eine Theilung
der Arbeit statt, in der Weise, daß der Wasserstraße naturgemäß der
Transport der Rohstoffe und derjenigen Fabrikate zufällt, die bei Verhältniß-
mäßig geringem Werthe ein starkes Volumen oder ein großes Gewicht be¬
sitzen, oder die aus besonderen Gründen, z. B. wegen ihrer Zerbrechlichkeit
oder Feuergefährlichkeit, sich für den Eisenbahntransport weniger eignen, --
während alle übrigen, namentlich die werthvolleren Güter, vorzugsweise auf
die Eisenbahn angewiesen sind.

3. Ueberdies bleiben die Wasserwege in Zeiten anschwellender Transport¬
menge ein erwünschtes Ausgangsthor für die lebhaftere Handelsbewegung.

4. Der Hauptvorzug des Wassertransports, der der größeren Wohl¬
feilheit, beruht nicht auf zufälligen, vorübergehenden, sondern auf inhärenten,
Dauer versprechenden Verhältnissen.

5. Wo die natürlichen Wasserstraßen nicht ausreichen, müssen künstliche
angelegt werden.

6. Anfänglich haben die Eisenbahnen das Geschäft der Kanäle beein¬
trächtigt, dann aber hat es sich, infolge der großartigen Entwicklung des
Handels und Gewerbfleißes, wieder stetig gehoben. Auch "im Zeitalter ,der
Eisenbahnen" sind die Kanäle rentabel, vorausgesetzt, daß sie gewisse Be¬
dingungen erfüllen.

7. Diese Bedingungen sind: Nicht zu viele Schleusen und möglichst
leichte und rasche Schleusen-Durchfahrt; vor allem aber: großartige Anlage,
d. h. hinlängliche Breite, Tiefe und Länge; endlich: ein billiger Tarif. -- --

Zu 1. Der Behauptung, die Eisenbahnen hätten die Wasserstraßen über¬
flüssig gemacht, hat Faucher den Satz gegenübergestellt: "Umgekehrt! Je mehr
Eisenbahnen ein Land hat, desto mehr Wasserstraßen muß es haben." Wie
das zugeht hat Faucher an einem Beispiel sehr hübsch gezeigt. Eine



*) Und wie zugleich durch die Eisenbahnen die Landstraßen vermehrt wurden; auch diesen
sollten ja die Schienenwege den Garaus machen, während sie doch gegenwärtig weit mehr
Fuhrleute unterhalten, als sie anfänglich ruinirt haben.

der Bruchländereien, ohne welche das erforderliche Maß und die wünschens¬
werte Stetigkeit der Zuflüsse nicht zu beschaffen sind. Allein darin stimmen
sie alle überein, daß sich in Bezug aus die Binnenschifffahrt eine Reihe von
volkswirthschaftlichen Gesetzen herausgestellt hat, von deren treuer Beachtung
die Wohlfuhrt Deutschlands in nicht geringem Grade abhängig ist, und die
zu dem Satze hinleiten: „Das deutsche Reich muH ein großartig
durchgeführtes Kanalnetz haben."

Jene Gesetze lauten:

1. Trotz der Eisenbahnen bleiben die Wasserstraßen für Handel, Industrie
und Volksbedürfnisse unersetzlich.

2. Denn zwischen Eisenbahnen und Wasserstraßen findet eine Theilung
der Arbeit statt, in der Weise, daß der Wasserstraße naturgemäß der
Transport der Rohstoffe und derjenigen Fabrikate zufällt, die bei Verhältniß-
mäßig geringem Werthe ein starkes Volumen oder ein großes Gewicht be¬
sitzen, oder die aus besonderen Gründen, z. B. wegen ihrer Zerbrechlichkeit
oder Feuergefährlichkeit, sich für den Eisenbahntransport weniger eignen, —
während alle übrigen, namentlich die werthvolleren Güter, vorzugsweise auf
die Eisenbahn angewiesen sind.

3. Ueberdies bleiben die Wasserwege in Zeiten anschwellender Transport¬
menge ein erwünschtes Ausgangsthor für die lebhaftere Handelsbewegung.

4. Der Hauptvorzug des Wassertransports, der der größeren Wohl¬
feilheit, beruht nicht auf zufälligen, vorübergehenden, sondern auf inhärenten,
Dauer versprechenden Verhältnissen.

5. Wo die natürlichen Wasserstraßen nicht ausreichen, müssen künstliche
angelegt werden.

6. Anfänglich haben die Eisenbahnen das Geschäft der Kanäle beein¬
trächtigt, dann aber hat es sich, infolge der großartigen Entwicklung des
Handels und Gewerbfleißes, wieder stetig gehoben. Auch „im Zeitalter ,der
Eisenbahnen" sind die Kanäle rentabel, vorausgesetzt, daß sie gewisse Be¬
dingungen erfüllen.

7. Diese Bedingungen sind: Nicht zu viele Schleusen und möglichst
leichte und rasche Schleusen-Durchfahrt; vor allem aber: großartige Anlage,
d. h. hinlängliche Breite, Tiefe und Länge; endlich: ein billiger Tarif. — —

Zu 1. Der Behauptung, die Eisenbahnen hätten die Wasserstraßen über¬
flüssig gemacht, hat Faucher den Satz gegenübergestellt: „Umgekehrt! Je mehr
Eisenbahnen ein Land hat, desto mehr Wasserstraßen muß es haben." Wie
das zugeht hat Faucher an einem Beispiel sehr hübsch gezeigt. Eine



*) Und wie zugleich durch die Eisenbahnen die Landstraßen vermehrt wurden; auch diesen
sollten ja die Schienenwege den Garaus machen, während sie doch gegenwärtig weit mehr
Fuhrleute unterhalten, als sie anfänglich ruinirt haben.
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[0171] der Bruchländereien, ohne welche das erforderliche Maß und die wünschens¬ werte Stetigkeit der Zuflüsse nicht zu beschaffen sind. Allein darin stimmen sie alle überein, daß sich in Bezug aus die Binnenschifffahrt eine Reihe von volkswirthschaftlichen Gesetzen herausgestellt hat, von deren treuer Beachtung die Wohlfuhrt Deutschlands in nicht geringem Grade abhängig ist, und die zu dem Satze hinleiten: „Das deutsche Reich muH ein großartig durchgeführtes Kanalnetz haben." Jene Gesetze lauten: 1. Trotz der Eisenbahnen bleiben die Wasserstraßen für Handel, Industrie und Volksbedürfnisse unersetzlich. 2. Denn zwischen Eisenbahnen und Wasserstraßen findet eine Theilung der Arbeit statt, in der Weise, daß der Wasserstraße naturgemäß der Transport der Rohstoffe und derjenigen Fabrikate zufällt, die bei Verhältniß- mäßig geringem Werthe ein starkes Volumen oder ein großes Gewicht be¬ sitzen, oder die aus besonderen Gründen, z. B. wegen ihrer Zerbrechlichkeit oder Feuergefährlichkeit, sich für den Eisenbahntransport weniger eignen, — während alle übrigen, namentlich die werthvolleren Güter, vorzugsweise auf die Eisenbahn angewiesen sind. 3. Ueberdies bleiben die Wasserwege in Zeiten anschwellender Transport¬ menge ein erwünschtes Ausgangsthor für die lebhaftere Handelsbewegung. 4. Der Hauptvorzug des Wassertransports, der der größeren Wohl¬ feilheit, beruht nicht auf zufälligen, vorübergehenden, sondern auf inhärenten, Dauer versprechenden Verhältnissen. 5. Wo die natürlichen Wasserstraßen nicht ausreichen, müssen künstliche angelegt werden. 6. Anfänglich haben die Eisenbahnen das Geschäft der Kanäle beein¬ trächtigt, dann aber hat es sich, infolge der großartigen Entwicklung des Handels und Gewerbfleißes, wieder stetig gehoben. Auch „im Zeitalter ,der Eisenbahnen" sind die Kanäle rentabel, vorausgesetzt, daß sie gewisse Be¬ dingungen erfüllen. 7. Diese Bedingungen sind: Nicht zu viele Schleusen und möglichst leichte und rasche Schleusen-Durchfahrt; vor allem aber: großartige Anlage, d. h. hinlängliche Breite, Tiefe und Länge; endlich: ein billiger Tarif. — — Zu 1. Der Behauptung, die Eisenbahnen hätten die Wasserstraßen über¬ flüssig gemacht, hat Faucher den Satz gegenübergestellt: „Umgekehrt! Je mehr Eisenbahnen ein Land hat, desto mehr Wasserstraßen muß es haben." Wie das zugeht hat Faucher an einem Beispiel sehr hübsch gezeigt. Eine *) Und wie zugleich durch die Eisenbahnen die Landstraßen vermehrt wurden; auch diesen sollten ja die Schienenwege den Garaus machen, während sie doch gegenwärtig weit mehr Fuhrleute unterhalten, als sie anfänglich ruinirt haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/171>, abgerufen am 17.06.2024.