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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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alsbald auch noch Kriegsschiffe anderer Nationen sich an den eantabrischen
Küsten einfinden werden. Von einer wirklichen Intervention ist dabei keine
Rede, am wenigsten von einer solchen "aus Furcht vor dem Siege des Legi¬
timismus und Katholicismus" (soll heißen Ultramontanismus), wie die Kleri¬
kalen insinuiren. Der bourbomsch-jesuitischen Universalherrschaft wird sich
die Welt zu verwahren wissen, selbst wenn es dem sauberen Kleeblatt Carlos,
Alfonso und Donna Bianca gelänge, mit ihren Mordbrennerbanden das
spanische Volk unter ihre Füße zu treten. Sehr überflüssig waren also auch
die Posaunenstöße der ultramontanen Presse, mit welchen sie den angeblichen
Verrath des deutschen Liberalismus an dem von ihm sonst so heilig ge¬
haltenen Nichtinterventionsprinzip verkündete. Kein Mensch in der liberalen
Partei hält heute die Einmischung einer fremden Macht in die inneren An¬
gelegenheiten eines Volkes für minder verwerflich, als vor drei Jahren, wo
die Ultramontanen noch von einer deutschen Intervention zu Gunsten der
Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes träumten. Für einen
Fall aber kann der Grundsatz der Nichtintervention freilich nicht verbindlich
sein, für den Fall nämlich, daß ein Bürgerkrieg die civilisirte Kriegführung
dauernd außer Acht läßt und in barbarische gegenseitige Ausrottung aus¬
artet. Es wäre doch wahrlich eine unauslöschliche Schmach für unsere ganze
Civilisation, wenn Europa in dem Augenblicke, da es auf einem besonderen
Congreß über -die Milderung des Krieges beräth, sich absolut außer Stande
erklären wollte, einer an die blutigsten Gräuel barbarischer Jahrhunderte er¬
innernden Schlächterei ein Ende zu machen! Natürlich ist für ein solches
Einschränken der Augenblick noch nicht gekommen. Und wenn er käme, so
könnte selbstverständlich nur an eine Collectivintervention der Mächte gedacht
werden, es sei denn, daß die eine oder andere sich freiwillig von dem Schritte
ausschlösse. Eine solche Operation steht aber auf jeden Fall noch in sehr
weitem Felde. Sollte sie jedoch ja unternommen werden müssen, so sei auf
die unausbleiblichen Anklagen der ultramontanen Parteigänger des spanischen
Prätendenten schon jetzt im Voraus erwidert, daß nicht politisch-religiöse
Parteitendenzen, sondern lediglich die Gebote der Menschlichkeit die Triebfeder
zu derselben sein könnten. -- --

Berlin trägt die Physiognomie der Hundstage: die Straßen wenig belebt,
die Linden voll dürren Laubes, der Thiergarten grau von Staub. Matten
Schrittes schleichen die Menschen, und die weltberühmten Araber unserer
Droschken üben mehr als je den "Laufschritt am Platze". An zwei oder drei
Punkten der Stadt ist die seit einem Decennium und länger ersehnte Canali-
sation endlich in Angriff genommen; das hindert aber nicht, daß sich die
Höllenplage der Rinnsteine noch einmal recht energisch bemerkbar macht. Und
wer weiß, ob nicht die picante Erfindung der "Fäkalsteine" die Durchführung


alsbald auch noch Kriegsschiffe anderer Nationen sich an den eantabrischen
Küsten einfinden werden. Von einer wirklichen Intervention ist dabei keine
Rede, am wenigsten von einer solchen „aus Furcht vor dem Siege des Legi¬
timismus und Katholicismus" (soll heißen Ultramontanismus), wie die Kleri¬
kalen insinuiren. Der bourbomsch-jesuitischen Universalherrschaft wird sich
die Welt zu verwahren wissen, selbst wenn es dem sauberen Kleeblatt Carlos,
Alfonso und Donna Bianca gelänge, mit ihren Mordbrennerbanden das
spanische Volk unter ihre Füße zu treten. Sehr überflüssig waren also auch
die Posaunenstöße der ultramontanen Presse, mit welchen sie den angeblichen
Verrath des deutschen Liberalismus an dem von ihm sonst so heilig ge¬
haltenen Nichtinterventionsprinzip verkündete. Kein Mensch in der liberalen
Partei hält heute die Einmischung einer fremden Macht in die inneren An¬
gelegenheiten eines Volkes für minder verwerflich, als vor drei Jahren, wo
die Ultramontanen noch von einer deutschen Intervention zu Gunsten der
Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes träumten. Für einen
Fall aber kann der Grundsatz der Nichtintervention freilich nicht verbindlich
sein, für den Fall nämlich, daß ein Bürgerkrieg die civilisirte Kriegführung
dauernd außer Acht läßt und in barbarische gegenseitige Ausrottung aus¬
artet. Es wäre doch wahrlich eine unauslöschliche Schmach für unsere ganze
Civilisation, wenn Europa in dem Augenblicke, da es auf einem besonderen
Congreß über -die Milderung des Krieges beräth, sich absolut außer Stande
erklären wollte, einer an die blutigsten Gräuel barbarischer Jahrhunderte er¬
innernden Schlächterei ein Ende zu machen! Natürlich ist für ein solches
Einschränken der Augenblick noch nicht gekommen. Und wenn er käme, so
könnte selbstverständlich nur an eine Collectivintervention der Mächte gedacht
werden, es sei denn, daß die eine oder andere sich freiwillig von dem Schritte
ausschlösse. Eine solche Operation steht aber auf jeden Fall noch in sehr
weitem Felde. Sollte sie jedoch ja unternommen werden müssen, so sei auf
die unausbleiblichen Anklagen der ultramontanen Parteigänger des spanischen
Prätendenten schon jetzt im Voraus erwidert, daß nicht politisch-religiöse
Parteitendenzen, sondern lediglich die Gebote der Menschlichkeit die Triebfeder
zu derselben sein könnten. — —

Berlin trägt die Physiognomie der Hundstage: die Straßen wenig belebt,
die Linden voll dürren Laubes, der Thiergarten grau von Staub. Matten
Schrittes schleichen die Menschen, und die weltberühmten Araber unserer
Droschken üben mehr als je den „Laufschritt am Platze". An zwei oder drei
Punkten der Stadt ist die seit einem Decennium und länger ersehnte Canali-
sation endlich in Angriff genommen; das hindert aber nicht, daß sich die
Höllenplage der Rinnsteine noch einmal recht energisch bemerkbar macht. Und
wer weiß, ob nicht die picante Erfindung der „Fäkalsteine" die Durchführung


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[0246] alsbald auch noch Kriegsschiffe anderer Nationen sich an den eantabrischen Küsten einfinden werden. Von einer wirklichen Intervention ist dabei keine Rede, am wenigsten von einer solchen „aus Furcht vor dem Siege des Legi¬ timismus und Katholicismus" (soll heißen Ultramontanismus), wie die Kleri¬ kalen insinuiren. Der bourbomsch-jesuitischen Universalherrschaft wird sich die Welt zu verwahren wissen, selbst wenn es dem sauberen Kleeblatt Carlos, Alfonso und Donna Bianca gelänge, mit ihren Mordbrennerbanden das spanische Volk unter ihre Füße zu treten. Sehr überflüssig waren also auch die Posaunenstöße der ultramontanen Presse, mit welchen sie den angeblichen Verrath des deutschen Liberalismus an dem von ihm sonst so heilig ge¬ haltenen Nichtinterventionsprinzip verkündete. Kein Mensch in der liberalen Partei hält heute die Einmischung einer fremden Macht in die inneren An¬ gelegenheiten eines Volkes für minder verwerflich, als vor drei Jahren, wo die Ultramontanen noch von einer deutschen Intervention zu Gunsten der Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes träumten. Für einen Fall aber kann der Grundsatz der Nichtintervention freilich nicht verbindlich sein, für den Fall nämlich, daß ein Bürgerkrieg die civilisirte Kriegführung dauernd außer Acht läßt und in barbarische gegenseitige Ausrottung aus¬ artet. Es wäre doch wahrlich eine unauslöschliche Schmach für unsere ganze Civilisation, wenn Europa in dem Augenblicke, da es auf einem besonderen Congreß über -die Milderung des Krieges beräth, sich absolut außer Stande erklären wollte, einer an die blutigsten Gräuel barbarischer Jahrhunderte er¬ innernden Schlächterei ein Ende zu machen! Natürlich ist für ein solches Einschränken der Augenblick noch nicht gekommen. Und wenn er käme, so könnte selbstverständlich nur an eine Collectivintervention der Mächte gedacht werden, es sei denn, daß die eine oder andere sich freiwillig von dem Schritte ausschlösse. Eine solche Operation steht aber auf jeden Fall noch in sehr weitem Felde. Sollte sie jedoch ja unternommen werden müssen, so sei auf die unausbleiblichen Anklagen der ultramontanen Parteigänger des spanischen Prätendenten schon jetzt im Voraus erwidert, daß nicht politisch-religiöse Parteitendenzen, sondern lediglich die Gebote der Menschlichkeit die Triebfeder zu derselben sein könnten. — — Berlin trägt die Physiognomie der Hundstage: die Straßen wenig belebt, die Linden voll dürren Laubes, der Thiergarten grau von Staub. Matten Schrittes schleichen die Menschen, und die weltberühmten Araber unserer Droschken üben mehr als je den „Laufschritt am Platze". An zwei oder drei Punkten der Stadt ist die seit einem Decennium und länger ersehnte Canali- sation endlich in Angriff genommen; das hindert aber nicht, daß sich die Höllenplage der Rinnsteine noch einmal recht energisch bemerkbar macht. Und wer weiß, ob nicht die picante Erfindung der „Fäkalsteine" die Durchführung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/246>, abgerufen am 17.06.2024.