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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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zu entdecken, die wir jedoch die Vorsicht halten, vor unsern Weggehen sorg¬
fältig wieder unter dieselben zu verbergen, indem wir uns der Hoffnung
schmeichelten, daß es uns späterhin noch gelingen werde, unsere Absicht zu
erreichen.

Wir hatten indessen einiges vorgearbeitet und mehrere mahlerische Zeich¬
nungen vom Tempel gemacht. Bon da giengen wir nach dem sehr freundlichen
arkadischen Bergstädtchen Andrizina, wo wir uns einige Tage mit Zeichnen
augenehm beschäftigten. Jn Karitena. wahrscheinlich dem alten Trapezunth,
fanden wir eine sehr gastfreundliche Aufnahme bei dem Cadi dieses Ortes.
war bei der türkischen Gesandtschaft in Berlin gewesen und erinnerte sich
Mit Vergnügen an seinen dortigen Aufenthalt, der schönen Königin und
überhaupt des schönen Geschlechts, was ihm so gereizt hatte, daß das einzige
deutsche das er behielte und mir oft wiederholte, war; -- "Berlin, viel
schöne Mädchen". -- Von hier giengen wir über das alte Megalopolis
Helison. wo die ausgezeichnetste seiner Ruinen, die eines großen
Theaters ist. nach Calamata, in dem alten Messenien. Im Vorbeigehen
suchten wir die Neste des uralten -- nach Pausanias, der ersten Stadt, die
^le Sonne gesehen hat -- Lycosura auf. Wir glaubten sie nach den
Notizen des französischen Consuls von Athen, Mr. Fauvel von einem der
^Udbewachsenen hohen Felsbergen ohnweit Megalopolis, nahe dem türkischen
^orf D eus ahau gefunden zu haben, sahen aber nur hie und da einige rohe
"auern - Ueberreste; unter denselben eine kleine neugriechische Capelle steht,
^lamata liegt in der Ebene Msseniens, ohnweit dem Golf. Es ist ein ziem-
^es bedeutender Ort von Griechen und Türken bewohnt, offen und freundlich
'"'t einem Castro aus venetianischen Zeiten. Es wird daselbst viel Seide ge¬
baut und verarbeitet. Seine Feigen find berühmt und werden getrocknet in
Stenge ausgeführt. Die indianische Plattfeige wächst in hiesiger Gegend im
^ebermaaß, Gärten, Felder und Wiesen sind damit eingezäunt. Wir nahmen
^er auf einige Zeit unser Hauptquartier und bewohnten einen alten gebrech-
^Gen Thurm, in der Mitte der Stadt, den uns der englische Vice-Consul
ösqualigo zu miethen verschaffte. Hier erfuhr ich die mich sehr nieder¬
legende Nachricht von dem Tode meines Freundes Koch. Dieser vortreffliche
^um hatte sich in einem der heißesten Sommer-Monaten zu sehr angestrengt,
UM seine Reise im Pelopones zu vollenden; getrieben von einem ganz beson¬
nn innigen Verlangen nach seinem Vaterlande zurückzukehren. Wenige Ta-
kte. nachdem er uns im Tempel von Phigalia verfehlt hatte, kam er in Zarte
an. legte sich aufs Krankenbette, und starb bald an einem hitzigen Entzün-
ungsfieber. Er war ein Biedermann mit herrlichen Geistesgaben, und ein
wuer Freund; ich segne hier sein Andenken, das mit Dank für seine viele
Uebe und Freundschaft immer neu in meiner Seele bleibt.


zu entdecken, die wir jedoch die Vorsicht halten, vor unsern Weggehen sorg¬
fältig wieder unter dieselben zu verbergen, indem wir uns der Hoffnung
schmeichelten, daß es uns späterhin noch gelingen werde, unsere Absicht zu
erreichen.

Wir hatten indessen einiges vorgearbeitet und mehrere mahlerische Zeich¬
nungen vom Tempel gemacht. Bon da giengen wir nach dem sehr freundlichen
arkadischen Bergstädtchen Andrizina, wo wir uns einige Tage mit Zeichnen
augenehm beschäftigten. Jn Karitena. wahrscheinlich dem alten Trapezunth,
fanden wir eine sehr gastfreundliche Aufnahme bei dem Cadi dieses Ortes.
war bei der türkischen Gesandtschaft in Berlin gewesen und erinnerte sich
Mit Vergnügen an seinen dortigen Aufenthalt, der schönen Königin und
überhaupt des schönen Geschlechts, was ihm so gereizt hatte, daß das einzige
deutsche das er behielte und mir oft wiederholte, war; — „Berlin, viel
schöne Mädchen". — Von hier giengen wir über das alte Megalopolis
Helison. wo die ausgezeichnetste seiner Ruinen, die eines großen
Theaters ist. nach Calamata, in dem alten Messenien. Im Vorbeigehen
suchten wir die Neste des uralten — nach Pausanias, der ersten Stadt, die
^le Sonne gesehen hat — Lycosura auf. Wir glaubten sie nach den
Notizen des französischen Consuls von Athen, Mr. Fauvel von einem der
^Udbewachsenen hohen Felsbergen ohnweit Megalopolis, nahe dem türkischen
^orf D eus ahau gefunden zu haben, sahen aber nur hie und da einige rohe
"auern - Ueberreste; unter denselben eine kleine neugriechische Capelle steht,
^lamata liegt in der Ebene Msseniens, ohnweit dem Golf. Es ist ein ziem-
^es bedeutender Ort von Griechen und Türken bewohnt, offen und freundlich
'"'t einem Castro aus venetianischen Zeiten. Es wird daselbst viel Seide ge¬
baut und verarbeitet. Seine Feigen find berühmt und werden getrocknet in
Stenge ausgeführt. Die indianische Plattfeige wächst in hiesiger Gegend im
^ebermaaß, Gärten, Felder und Wiesen sind damit eingezäunt. Wir nahmen
^er auf einige Zeit unser Hauptquartier und bewohnten einen alten gebrech-
^Gen Thurm, in der Mitte der Stadt, den uns der englische Vice-Consul
ösqualigo zu miethen verschaffte. Hier erfuhr ich die mich sehr nieder¬
legende Nachricht von dem Tode meines Freundes Koch. Dieser vortreffliche
^um hatte sich in einem der heißesten Sommer-Monaten zu sehr angestrengt,
UM seine Reise im Pelopones zu vollenden; getrieben von einem ganz beson¬
nn innigen Verlangen nach seinem Vaterlande zurückzukehren. Wenige Ta-
kte. nachdem er uns im Tempel von Phigalia verfehlt hatte, kam er in Zarte
an. legte sich aufs Krankenbette, und starb bald an einem hitzigen Entzün-
ungsfieber. Er war ein Biedermann mit herrlichen Geistesgaben, und ein
wuer Freund; ich segne hier sein Andenken, das mit Dank für seine viele
Uebe und Freundschaft immer neu in meiner Seele bleibt.


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[0221] zu entdecken, die wir jedoch die Vorsicht halten, vor unsern Weggehen sorg¬ fältig wieder unter dieselben zu verbergen, indem wir uns der Hoffnung schmeichelten, daß es uns späterhin noch gelingen werde, unsere Absicht zu erreichen. Wir hatten indessen einiges vorgearbeitet und mehrere mahlerische Zeich¬ nungen vom Tempel gemacht. Bon da giengen wir nach dem sehr freundlichen arkadischen Bergstädtchen Andrizina, wo wir uns einige Tage mit Zeichnen augenehm beschäftigten. Jn Karitena. wahrscheinlich dem alten Trapezunth, fanden wir eine sehr gastfreundliche Aufnahme bei dem Cadi dieses Ortes. war bei der türkischen Gesandtschaft in Berlin gewesen und erinnerte sich Mit Vergnügen an seinen dortigen Aufenthalt, der schönen Königin und überhaupt des schönen Geschlechts, was ihm so gereizt hatte, daß das einzige deutsche das er behielte und mir oft wiederholte, war; — „Berlin, viel schöne Mädchen". — Von hier giengen wir über das alte Megalopolis Helison. wo die ausgezeichnetste seiner Ruinen, die eines großen Theaters ist. nach Calamata, in dem alten Messenien. Im Vorbeigehen suchten wir die Neste des uralten — nach Pausanias, der ersten Stadt, die ^le Sonne gesehen hat — Lycosura auf. Wir glaubten sie nach den Notizen des französischen Consuls von Athen, Mr. Fauvel von einem der ^Udbewachsenen hohen Felsbergen ohnweit Megalopolis, nahe dem türkischen ^orf D eus ahau gefunden zu haben, sahen aber nur hie und da einige rohe "auern - Ueberreste; unter denselben eine kleine neugriechische Capelle steht, ^lamata liegt in der Ebene Msseniens, ohnweit dem Golf. Es ist ein ziem- ^es bedeutender Ort von Griechen und Türken bewohnt, offen und freundlich '"'t einem Castro aus venetianischen Zeiten. Es wird daselbst viel Seide ge¬ baut und verarbeitet. Seine Feigen find berühmt und werden getrocknet in Stenge ausgeführt. Die indianische Plattfeige wächst in hiesiger Gegend im ^ebermaaß, Gärten, Felder und Wiesen sind damit eingezäunt. Wir nahmen ^er auf einige Zeit unser Hauptquartier und bewohnten einen alten gebrech- ^Gen Thurm, in der Mitte der Stadt, den uns der englische Vice-Consul ösqualigo zu miethen verschaffte. Hier erfuhr ich die mich sehr nieder¬ legende Nachricht von dem Tode meines Freundes Koch. Dieser vortreffliche ^um hatte sich in einem der heißesten Sommer-Monaten zu sehr angestrengt, UM seine Reise im Pelopones zu vollenden; getrieben von einem ganz beson¬ nn innigen Verlangen nach seinem Vaterlande zurückzukehren. Wenige Ta- kte. nachdem er uns im Tempel von Phigalia verfehlt hatte, kam er in Zarte an. legte sich aufs Krankenbette, und starb bald an einem hitzigen Entzün- ungsfieber. Er war ein Biedermann mit herrlichen Geistesgaben, und ein wuer Freund; ich segne hier sein Andenken, das mit Dank für seine viele Uebe und Freundschaft immer neu in meiner Seele bleibt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/221>, abgerufen am 02.06.2024.