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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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In Calamala nsuhr ich zum erstenmal den Eindruck des Erdbebens,
das in der Nacht unsern baufälligen Thurm erschütterte. Eockerell und ich
waren zu sehr gereizt, die Reste eines Neptun-Tempels auf dem alten Cap:
Tenarium, dem jetzigen Matapan kennen zu lernen, die bisher noch von
keinem Reisenden besucht worden sind, da die Reise dahin, wegen der vielen
Piraten und der räuberischen Einwohner dieses Theils von Laconien, der jetzt
unter dem Namen der Maina bekannt ist. sehr gefährlich ist. Es gelang
uns durch die Güte des ehemaligen russischen Consuls Sigr. Cornelius sichere
Empfehlungen an einige Capitäne, vorzüglich an dem Cap: Murzino in Kar -
damyla, einem Hauptort der Maina zu erhalten.

Dieses Land hat noch seine Freiheit erhalten, es wird in Hauptmann¬
schaften eingetheilt, die unter einem Bey stehen, den sie sich selbst wählen.
Sie sind tapfere Leute, und haben bisher die Türken, die häufige Anfälle auf
sie machten, von ihrer Grenze immer zurückgeschlagen. Sie haben eine gewal¬
tige Vorneigung zur Seeräuberey, und jene Hauptleute machen selbst die Ober¬
sten der Piraten. Schon in den alten Zeiten war diese Gegend wegen See¬
räuberey sehr verschrieen, und es ging das Sprüchwort, daß wer um dieses
Cap segeln will, muß sein liebstes, was er auf der Welt hat, vergehen.

Unser Unternehmen wurde noch durch die Bekanntschaft mit einem eng'
lischen Offizier begünstigt, welcher bei dem griechischen Corps zu Zenate
diente, und selbst Mainott ist. Er war nur hier im Urlaub und begleitete
uns zu seinen Verwandten in dem Dorf Stauropi wo wir sehr gastfreundlich
aufgenommen wurden, desgleichen von dem Räuberhauptmann Murzino, der
uns mehrere seiner Leute zur Bedeckung entgegengesandt hatte. Ich wurde
überrascht beim Eintritt in sein Castro, wo ich mich in die Zeiten unserer
alten Ritter und Schnapphähne versezt glaubte. Der Hauptmann selbst war
uns vor das Thor entgegen gekommen und empfing uns mit Gradheit und
Freundlichkeit. Er ist beständig von mehrern seiner Leute umgeben, die er
sehr leutseelig behandelt, und die ihm auch wieder sehr ergeben sind, er liebt
den Wein sehr, und trinkt nie anders als aus einer langhalsigen Flasche, die
er aufeinmal in die Gurgel hineinleert, was uns immer viel Spaß machte.
Er ist Tag und Nacht angekleidet und trägt eine ganz kleine silberne Pistole
beständig im Gürtel. Nach ein paartägigen Aufenthalt bey ihm. gedachten
wir unsre Reise nach dem Cap weiter fortzusetzen. Das Land war aber ge¬
rade in zwei Partheien getheilt die sich befehdeten, und der Hauptmann machte
daher Anstalt zu einer starken Bedeckung, unter seiner persönlichen Anführung.
Nach reiflicher Ueberlegung daß diese Erpedition uns zu große Kosten machen
würde, denn wir sollten 50 Mann mit haben, sahen wir uns gezwungen sie
leider für diesmal aufzugeben, hoffend einen bessern Zeitpunkt noch dazu zu
finden. (Schluß folgt.)




In Calamala nsuhr ich zum erstenmal den Eindruck des Erdbebens,
das in der Nacht unsern baufälligen Thurm erschütterte. Eockerell und ich
waren zu sehr gereizt, die Reste eines Neptun-Tempels auf dem alten Cap:
Tenarium, dem jetzigen Matapan kennen zu lernen, die bisher noch von
keinem Reisenden besucht worden sind, da die Reise dahin, wegen der vielen
Piraten und der räuberischen Einwohner dieses Theils von Laconien, der jetzt
unter dem Namen der Maina bekannt ist. sehr gefährlich ist. Es gelang
uns durch die Güte des ehemaligen russischen Consuls Sigr. Cornelius sichere
Empfehlungen an einige Capitäne, vorzüglich an dem Cap: Murzino in Kar -
damyla, einem Hauptort der Maina zu erhalten.

Dieses Land hat noch seine Freiheit erhalten, es wird in Hauptmann¬
schaften eingetheilt, die unter einem Bey stehen, den sie sich selbst wählen.
Sie sind tapfere Leute, und haben bisher die Türken, die häufige Anfälle auf
sie machten, von ihrer Grenze immer zurückgeschlagen. Sie haben eine gewal¬
tige Vorneigung zur Seeräuberey, und jene Hauptleute machen selbst die Ober¬
sten der Piraten. Schon in den alten Zeiten war diese Gegend wegen See¬
räuberey sehr verschrieen, und es ging das Sprüchwort, daß wer um dieses
Cap segeln will, muß sein liebstes, was er auf der Welt hat, vergehen.

Unser Unternehmen wurde noch durch die Bekanntschaft mit einem eng'
lischen Offizier begünstigt, welcher bei dem griechischen Corps zu Zenate
diente, und selbst Mainott ist. Er war nur hier im Urlaub und begleitete
uns zu seinen Verwandten in dem Dorf Stauropi wo wir sehr gastfreundlich
aufgenommen wurden, desgleichen von dem Räuberhauptmann Murzino, der
uns mehrere seiner Leute zur Bedeckung entgegengesandt hatte. Ich wurde
überrascht beim Eintritt in sein Castro, wo ich mich in die Zeiten unserer
alten Ritter und Schnapphähne versezt glaubte. Der Hauptmann selbst war
uns vor das Thor entgegen gekommen und empfing uns mit Gradheit und
Freundlichkeit. Er ist beständig von mehrern seiner Leute umgeben, die er
sehr leutseelig behandelt, und die ihm auch wieder sehr ergeben sind, er liebt
den Wein sehr, und trinkt nie anders als aus einer langhalsigen Flasche, die
er aufeinmal in die Gurgel hineinleert, was uns immer viel Spaß machte.
Er ist Tag und Nacht angekleidet und trägt eine ganz kleine silberne Pistole
beständig im Gürtel. Nach ein paartägigen Aufenthalt bey ihm. gedachten
wir unsre Reise nach dem Cap weiter fortzusetzen. Das Land war aber ge¬
rade in zwei Partheien getheilt die sich befehdeten, und der Hauptmann machte
daher Anstalt zu einer starken Bedeckung, unter seiner persönlichen Anführung.
Nach reiflicher Ueberlegung daß diese Erpedition uns zu große Kosten machen
würde, denn wir sollten 50 Mann mit haben, sahen wir uns gezwungen sie
leider für diesmal aufzugeben, hoffend einen bessern Zeitpunkt noch dazu zu
finden. (Schluß folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/222>, abgerufen am 19.05.2024.