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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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7. Uns war damals, als sie kommen, grad mein sehr treuer und lieber
Herr Confrater, der Pfarrer Waldenbeck am Fieber hinlägrig, deswegen ich
mit Bitt angegangen worden, zu Herrn Soto zu kommen, da ich denn auch
mit weilte hinging und mit großer Lieb und Verehrung, als ich nicht erwar¬
ten möcht, ansehen und empfangen worden und ein schön Zutraun von Stund
an zwischen uns Wurzel faßte.

8. Herrn Soto, den eine gewisse Schwermuth befallen, bedurft oft
christlichen Trostes, um so mehr als banalen große Neuerung in der Kirch
vorgangen, und Lutheri Lehren allewegen sich ausbreiteten, er aber nit von
alter Lehr und Glauben lassen wollt, sondern blos argen Mißbrauch und
Sudel steuern sollt, daß aber von den Anhängern so müßig süchtig und
salzige Kopf wären, gleich Alls auf die Spitze stellt würde, und so Unheil
states Frieden käm, so war die gar lieblich aufblühende Jungfrau, Herrn
Soto's Tochter, Stella gar nicht meiner Meinung und tröstete mit fein gläu¬
bigen Worten, wie vom heiligen Geist angeweht und ich nit so nachsprechen
kann ihren lieben Vater, damit er Ruh möcht in sein Herz gießen, und
sich nit allzusehr zerstreuen lassen von der Welt Händel, so denn der rechte
wahre Glaube und die rechte wahre Kirche in dem Herzen sich anbauen müßt,
über welche nit hätt Gewalt ein Mächtiges auf Erden, sondern der allmächtige
Gott und seine Heiligen im Himmel.

9. So ging eine lange Zeit in gutem Vertrauen und Verträglichkeit
woran auch mein theurer Herr Pfarrer Theil nahm, dahin, als ein gewisser
Christoph von Altendorf sich viel bei Herrn Soto um der Tochter Willen
zu schaffen machte, welche aber vermeinet, daß das nit der Mann für sie
sei und so gar wenig Reden an ihn setzte, aber doch sanstmüthiglich selbigen
und um des Anstandes willen schonete.

10.' Als aber gedachter Christoph von Altendorf dringlicher worden,
hat sie ihr Herz ausschlossen, und mir mit heiteren Worten sagt, wie schon
ein Bild darin hänge, dem sie Liebe gelobt, denn als ihr Herr Vater mit
ihr nach der Mutter Tode Schafes halber sich fast ein Jahr in der Stadt
aufhalten, hätt ein junger Edelherr aus Thüringen genannt Erwin von
Hausen, welcher in des Kaisers Heer bei einem Wallonischen Kürassier Re¬
giment als Lieutenant in dem Ort standen, mit ihr Bekanntschaft macht
und wär als Landsmann alltag in ihre Wohnung gekommen und wäre sie
oft allein mit ihm im Zimmer und Garten wesen und hätten Freud an
einander funden und groß Lieb gefaßt, als daß sie sich Treue schworen
auf immer.

11. Und wie der Abschiedstag kommen, wäre Herr Erwin eine große
Strecke Weges angeritten, am ersten Ruheplatz aber dem Vater sein Begeh¬
ren offenbaret, welcher auch nichts Absonderliches gegen aufbringen können.


7. Uns war damals, als sie kommen, grad mein sehr treuer und lieber
Herr Confrater, der Pfarrer Waldenbeck am Fieber hinlägrig, deswegen ich
mit Bitt angegangen worden, zu Herrn Soto zu kommen, da ich denn auch
mit weilte hinging und mit großer Lieb und Verehrung, als ich nicht erwar¬
ten möcht, ansehen und empfangen worden und ein schön Zutraun von Stund
an zwischen uns Wurzel faßte.

8. Herrn Soto, den eine gewisse Schwermuth befallen, bedurft oft
christlichen Trostes, um so mehr als banalen große Neuerung in der Kirch
vorgangen, und Lutheri Lehren allewegen sich ausbreiteten, er aber nit von
alter Lehr und Glauben lassen wollt, sondern blos argen Mißbrauch und
Sudel steuern sollt, daß aber von den Anhängern so müßig süchtig und
salzige Kopf wären, gleich Alls auf die Spitze stellt würde, und so Unheil
states Frieden käm, so war die gar lieblich aufblühende Jungfrau, Herrn
Soto's Tochter, Stella gar nicht meiner Meinung und tröstete mit fein gläu¬
bigen Worten, wie vom heiligen Geist angeweht und ich nit so nachsprechen
kann ihren lieben Vater, damit er Ruh möcht in sein Herz gießen, und
sich nit allzusehr zerstreuen lassen von der Welt Händel, so denn der rechte
wahre Glaube und die rechte wahre Kirche in dem Herzen sich anbauen müßt,
über welche nit hätt Gewalt ein Mächtiges auf Erden, sondern der allmächtige
Gott und seine Heiligen im Himmel.

9. So ging eine lange Zeit in gutem Vertrauen und Verträglichkeit
woran auch mein theurer Herr Pfarrer Theil nahm, dahin, als ein gewisser
Christoph von Altendorf sich viel bei Herrn Soto um der Tochter Willen
zu schaffen machte, welche aber vermeinet, daß das nit der Mann für sie
sei und so gar wenig Reden an ihn setzte, aber doch sanstmüthiglich selbigen
und um des Anstandes willen schonete.

10.' Als aber gedachter Christoph von Altendorf dringlicher worden,
hat sie ihr Herz ausschlossen, und mir mit heiteren Worten sagt, wie schon
ein Bild darin hänge, dem sie Liebe gelobt, denn als ihr Herr Vater mit
ihr nach der Mutter Tode Schafes halber sich fast ein Jahr in der Stadt
aufhalten, hätt ein junger Edelherr aus Thüringen genannt Erwin von
Hausen, welcher in des Kaisers Heer bei einem Wallonischen Kürassier Re¬
giment als Lieutenant in dem Ort standen, mit ihr Bekanntschaft macht
und wär als Landsmann alltag in ihre Wohnung gekommen und wäre sie
oft allein mit ihm im Zimmer und Garten wesen und hätten Freud an
einander funden und groß Lieb gefaßt, als daß sie sich Treue schworen
auf immer.

11. Und wie der Abschiedstag kommen, wäre Herr Erwin eine große
Strecke Weges angeritten, am ersten Ruheplatz aber dem Vater sein Begeh¬
ren offenbaret, welcher auch nichts Absonderliches gegen aufbringen können.


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[0474] 7. Uns war damals, als sie kommen, grad mein sehr treuer und lieber Herr Confrater, der Pfarrer Waldenbeck am Fieber hinlägrig, deswegen ich mit Bitt angegangen worden, zu Herrn Soto zu kommen, da ich denn auch mit weilte hinging und mit großer Lieb und Verehrung, als ich nicht erwar¬ ten möcht, ansehen und empfangen worden und ein schön Zutraun von Stund an zwischen uns Wurzel faßte. 8. Herrn Soto, den eine gewisse Schwermuth befallen, bedurft oft christlichen Trostes, um so mehr als banalen große Neuerung in der Kirch vorgangen, und Lutheri Lehren allewegen sich ausbreiteten, er aber nit von alter Lehr und Glauben lassen wollt, sondern blos argen Mißbrauch und Sudel steuern sollt, daß aber von den Anhängern so müßig süchtig und salzige Kopf wären, gleich Alls auf die Spitze stellt würde, und so Unheil states Frieden käm, so war die gar lieblich aufblühende Jungfrau, Herrn Soto's Tochter, Stella gar nicht meiner Meinung und tröstete mit fein gläu¬ bigen Worten, wie vom heiligen Geist angeweht und ich nit so nachsprechen kann ihren lieben Vater, damit er Ruh möcht in sein Herz gießen, und sich nit allzusehr zerstreuen lassen von der Welt Händel, so denn der rechte wahre Glaube und die rechte wahre Kirche in dem Herzen sich anbauen müßt, über welche nit hätt Gewalt ein Mächtiges auf Erden, sondern der allmächtige Gott und seine Heiligen im Himmel. 9. So ging eine lange Zeit in gutem Vertrauen und Verträglichkeit woran auch mein theurer Herr Pfarrer Theil nahm, dahin, als ein gewisser Christoph von Altendorf sich viel bei Herrn Soto um der Tochter Willen zu schaffen machte, welche aber vermeinet, daß das nit der Mann für sie sei und so gar wenig Reden an ihn setzte, aber doch sanstmüthiglich selbigen und um des Anstandes willen schonete. 10.' Als aber gedachter Christoph von Altendorf dringlicher worden, hat sie ihr Herz ausschlossen, und mir mit heiteren Worten sagt, wie schon ein Bild darin hänge, dem sie Liebe gelobt, denn als ihr Herr Vater mit ihr nach der Mutter Tode Schafes halber sich fast ein Jahr in der Stadt aufhalten, hätt ein junger Edelherr aus Thüringen genannt Erwin von Hausen, welcher in des Kaisers Heer bei einem Wallonischen Kürassier Re¬ giment als Lieutenant in dem Ort standen, mit ihr Bekanntschaft macht und wär als Landsmann alltag in ihre Wohnung gekommen und wäre sie oft allein mit ihm im Zimmer und Garten wesen und hätten Freud an einander funden und groß Lieb gefaßt, als daß sie sich Treue schworen auf immer. 11. Und wie der Abschiedstag kommen, wäre Herr Erwin eine große Strecke Weges angeritten, am ersten Ruheplatz aber dem Vater sein Begeh¬ ren offenbaret, welcher auch nichts Absonderliches gegen aufbringen können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/474>, abgerufen am 10.06.2024.