Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.Braunsberg und auch dies nicht mit Rücksicht auf die sprachlichen Bedürfnisse Die nächste in Betracht kommende Landschaft ist Schlesien. Dies alt¬ ') Wiese, Gesetze und Verordnungen I. 303. - ) Nach Wiese, Höheres Schulwesen III. 107 wird sür die künftigen evangelischen Theo¬ logen zu Lyck polnischer Unterricht ertheilt, im Programm von 1874 ist davon aber keine Rede. Wiese, a. a. O. I. 63. II. 8S. 97. In den lithauischen Volksschulen wird auf der
Unterstufe und bis die Kinder deutsch zu verstehen im Stande sind, der Religionsunterricht in litthauischer Sprache gegeben, auf der Oberstufe Anleitung zum Lesen und Schreiben des Lit¬ thauischen ertheilt. Früher hatte das Litthauische eine g'ößere Ausdehnung als Unterrichtssprache. Der gegenwärtige Zustand beruht auf einer Verfügung des Oberpräsidiums der Provinz Preußen 24. Juli 1873. S. Schulgesetzsammlung III. Ur. 28. Braunsberg und auch dies nicht mit Rücksicht auf die sprachlichen Bedürfnisse Die nächste in Betracht kommende Landschaft ist Schlesien. Dies alt¬ ') Wiese, Gesetze und Verordnungen I. 303. - ) Nach Wiese, Höheres Schulwesen III. 107 wird sür die künftigen evangelischen Theo¬ logen zu Lyck polnischer Unterricht ertheilt, im Programm von 1874 ist davon aber keine Rede. Wiese, a. a. O. I. 63. II. 8S. 97. In den lithauischen Volksschulen wird auf der
Unterstufe und bis die Kinder deutsch zu verstehen im Stande sind, der Religionsunterricht in litthauischer Sprache gegeben, auf der Oberstufe Anleitung zum Lesen und Schreiben des Lit¬ thauischen ertheilt. Früher hatte das Litthauische eine g'ößere Ausdehnung als Unterrichtssprache. Der gegenwärtige Zustand beruht auf einer Verfügung des Oberpräsidiums der Provinz Preußen 24. Juli 1873. S. Schulgesetzsammlung III. Ur. 28. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134378"/> <p xml:id="ID_66" prev="#ID_65"> Braunsberg und auch dies nicht mit Rücksicht auf die sprachlichen Bedürfnisse<lb/> der nächsten Umgebung — denn Ermland ist durchaus deutsch — sondern<lb/> wesentlich im Hinblick auf die Ausbildung katholischer Theologen für pol¬<lb/> nische Striche, denn für die Zöglinge des katholischen Priesterseminars, dessen<lb/> Fortexistenz übrigens jetzt zweifelhaft geworden, ist der in 2 Abtheilungen zu<lb/> 2 Stunden ertheilte polnische Sprachunterricht obligatorisch. *) Zu Rastenburg,<lb/> dicht an der polnischen Sprachgrenze, ist nur bis etwa 1820 das Polnische<lb/> facultativ gelehrt worden, aber selbst die beiden Gymnasien, welche auf deut¬<lb/> scher Sprachinsel mitten in Masuren zu Hohenstein und Lyck bestehen, und<lb/> beide königlich und evangelisch sind, schließen das Polnische als besonderen<lb/> Unterrichtsgegenstand aus.**) Dagegen bildet das königliche evangelische<lb/> Gymnasium im altlitthauischen Tilsit eine merkwürdige Specialität. Hier<lb/> besteht seit 1807, wo dieser deutsch-litthauische Winkel die letzte Zuflucht des<lb/> preußischen Königspaares wurde, eine königliche Stiftung für Schüler li¬<lb/> thauischer Zunge***), und wird deshalb für diese, mit Rücksicht namentlich auf<lb/> künftige Theologen, in 4 Stunden Litthauisch gelehrt, bis zur Fertigkeit im<lb/> schriftlichen Gebrauch, sicherlich ein Beweis für die schonende Rücksicht, mit<lb/> welcher der preußische Staat nicht-deutscher Bevölkerung gegenüber zu ver¬<lb/> fahren pflegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_67"> Die nächste in Betracht kommende Landschaft ist Schlesien. Dies alt¬<lb/> polnische Gebiet, die schwerste Eroberung Preußens, kann aber nur noch in<lb/> ihrem südlichsten Theile, im Regierungsbezirk Oppeln, als zwiesprachig ^gelten.<lb/> Hier überwiegt allerdings bei weitem das polnische Element, obwohl auch<lb/> hier die Städte deutschen Charakter tragen, und findet seine stärkste Stütze<lb/> in seinem katholischen Bekenntniß oder vielmehr in seiner Priesterschaft. Zu<lb/> den Polen gesellt hier sich noch ein schwacher Bruchtheil tschechischer Bevölkerung<lb/> südlich von Ratibor. Im Regierungsbezirk Breslau sind nur einige an<lb/> Posen grenzende Striche polnisch, doch wohnen auch hier Tschechen um Codowa<lb/> in der Grafschaft Glatz. Dagegen hat der Regierungsbezirk Liegnitz, wenn<lb/> man von den erst 1815 damit verbundenen Theilen der Oberlausitz absieht,<lb/> rein deutschen Charakter.</p><lb/> <note xml:id="FID_30" place="foot"> ') Wiese, Gesetze und Verordnungen I. 303.<lb/> -</note><lb/> <note xml:id="FID_31" place="foot"> ) Nach Wiese, Höheres Schulwesen III. 107 wird sür die künftigen evangelischen Theo¬<lb/> logen zu Lyck polnischer Unterricht ertheilt, im Programm von 1874 ist davon aber keine<lb/> Rede.</note><lb/> <note xml:id="FID_32" place="foot"> Wiese, a. a. O. I. 63. II. 8S. 97. In den lithauischen Volksschulen wird auf der<lb/> Unterstufe und bis die Kinder deutsch zu verstehen im Stande sind, der Religionsunterricht in<lb/> litthauischer Sprache gegeben, auf der Oberstufe Anleitung zum Lesen und Schreiben des Lit¬<lb/> thauischen ertheilt. Früher hatte das Litthauische eine g'ößere Ausdehnung als Unterrichtssprache.<lb/> Der gegenwärtige Zustand beruht auf einer Verfügung des Oberpräsidiums der Provinz Preußen<lb/> 24. Juli 1873. S. Schulgesetzsammlung III. Ur. 28.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Braunsberg und auch dies nicht mit Rücksicht auf die sprachlichen Bedürfnisse
der nächsten Umgebung — denn Ermland ist durchaus deutsch — sondern
wesentlich im Hinblick auf die Ausbildung katholischer Theologen für pol¬
nische Striche, denn für die Zöglinge des katholischen Priesterseminars, dessen
Fortexistenz übrigens jetzt zweifelhaft geworden, ist der in 2 Abtheilungen zu
2 Stunden ertheilte polnische Sprachunterricht obligatorisch. *) Zu Rastenburg,
dicht an der polnischen Sprachgrenze, ist nur bis etwa 1820 das Polnische
facultativ gelehrt worden, aber selbst die beiden Gymnasien, welche auf deut¬
scher Sprachinsel mitten in Masuren zu Hohenstein und Lyck bestehen, und
beide königlich und evangelisch sind, schließen das Polnische als besonderen
Unterrichtsgegenstand aus.**) Dagegen bildet das königliche evangelische
Gymnasium im altlitthauischen Tilsit eine merkwürdige Specialität. Hier
besteht seit 1807, wo dieser deutsch-litthauische Winkel die letzte Zuflucht des
preußischen Königspaares wurde, eine königliche Stiftung für Schüler li¬
thauischer Zunge***), und wird deshalb für diese, mit Rücksicht namentlich auf
künftige Theologen, in 4 Stunden Litthauisch gelehrt, bis zur Fertigkeit im
schriftlichen Gebrauch, sicherlich ein Beweis für die schonende Rücksicht, mit
welcher der preußische Staat nicht-deutscher Bevölkerung gegenüber zu ver¬
fahren pflegt.
Die nächste in Betracht kommende Landschaft ist Schlesien. Dies alt¬
polnische Gebiet, die schwerste Eroberung Preußens, kann aber nur noch in
ihrem südlichsten Theile, im Regierungsbezirk Oppeln, als zwiesprachig ^gelten.
Hier überwiegt allerdings bei weitem das polnische Element, obwohl auch
hier die Städte deutschen Charakter tragen, und findet seine stärkste Stütze
in seinem katholischen Bekenntniß oder vielmehr in seiner Priesterschaft. Zu
den Polen gesellt hier sich noch ein schwacher Bruchtheil tschechischer Bevölkerung
südlich von Ratibor. Im Regierungsbezirk Breslau sind nur einige an
Posen grenzende Striche polnisch, doch wohnen auch hier Tschechen um Codowa
in der Grafschaft Glatz. Dagegen hat der Regierungsbezirk Liegnitz, wenn
man von den erst 1815 damit verbundenen Theilen der Oberlausitz absieht,
rein deutschen Charakter.
') Wiese, Gesetze und Verordnungen I. 303.
-
) Nach Wiese, Höheres Schulwesen III. 107 wird sür die künftigen evangelischen Theo¬
logen zu Lyck polnischer Unterricht ertheilt, im Programm von 1874 ist davon aber keine
Rede.
Wiese, a. a. O. I. 63. II. 8S. 97. In den lithauischen Volksschulen wird auf der
Unterstufe und bis die Kinder deutsch zu verstehen im Stande sind, der Religionsunterricht in
litthauischer Sprache gegeben, auf der Oberstufe Anleitung zum Lesen und Schreiben des Lit¬
thauischen ertheilt. Früher hatte das Litthauische eine g'ößere Ausdehnung als Unterrichtssprache.
Der gegenwärtige Zustand beruht auf einer Verfügung des Oberpräsidiums der Provinz Preußen
24. Juli 1873. S. Schulgesetzsammlung III. Ur. 28.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |