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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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einzelnen Budgetjahres. Es handelt sich um die Entscheidung der wichtigenPrin-
cipfrage: soll der Reichshaushalt mit Beseitigung der Matrikularbeiträge auf
selbständige Einnahmen gestellt werden, und wie sind diese Einnahmen zu be¬
schaffen? Diese Frage, theoretisch längst aufgeworfen, war bisher nicht
aktuell, solange das Reich nicht nur ausreichende sondern sogar überschießende
Einnahmen hatte in Folge der Kriegsentschädigung, in Folge des Militär¬
pauschquantums, welches die Heeresausgaben auf einer niedrigen Stufe hielt,
in Folge der glänzenden Einnahmen, welche die Verkehrsexcesse unmittelbar
nach dem Frieden denZöllen und andern Neichsfinanzquellen brachten u. f. w. Jetzt
aber, wo keine neuen Ueberschüsse mehr erzeugt und die alten nahe daran sind,
aufgebraucht zu werden, jetzt ist es Zeit, sich mit der Frage nach der Beschaf¬
fung regelmäßiger und ausreichender Einnahmen für das Reich zu beschäftigen.
Da steckt sich nun die Opposition hinter die noch vorhandenen Bestände, welche
ausreichend sind, uns noch einmal über das Defizit eines Budgetjahres hin¬
wegzuführen. Der Opposition war das Spiel ziemlich leicht gemacht durch
zwei Umstände. Einmal dadurch, daß die Reichsregierung nicht mit genü¬
gendem Nachdruck den Standpunkt gewählt hat, daß es sich um dauernde
regelmäßige Einnahmen und nicht um die Deckung eines Jahresdefizit handelt,
für das man im schlimmsten Fall auf die Matrikularbeiträge greifen kann.
Der zweite erleichternde Umstand für die Opposition war die höchst mangel¬
hafte Beschaffenheit der vorgeschlagenen Steuerprojekte. Dieselben stehen in
der nächsten Woche zur Berathung, und wir haben noch Gelegenheit genug,
uns mit ihnen zu beschäftigen. Heute sei noch mit einigen Worten der Rede
des preußischen Finanzministers gedacht.

Er begann mit der Versicherung, es bestehe kein Gegensatz zwischen dem
Reichstag und der Reichsregierung, eine Versicherung, die nach der eben ge¬
hörten Rede des Herrn Eugen Richter auf die Fähigkeit schließen läßt, den
breitesten Abgrund zu überspringen oder zu übersehen. Denn unmöglich
konnte Herr Camphausen sicher sein, daß die Richter'schen Ansichten gar keinen
Anklang finden würden. Wenn diese Sicherheit bestände, so wäre das Schicksal
der Session entschieden, während wir in der That vor einer unberechenbaren
Entscheidung stehen.

Weiter sprach Herr Camphausen ganz beiläufig die Ueberzeugung aus:
wenn die Regierung mit dem Reichstag nicht übereinstimme, so müßten die
leitenden Männer weichen. Da es sich in der Form und in der Sache bei
der Neichsregierung um Einen leitenden Mann handelt, so hat Herr Camp¬
hausen ganz beiläufig eine Frage entschieden, deren Entscheidung manchem
Andern Kopf und Herz schwer macht. Es ist eine beneidenswerte, aber
manchmal eine bedenkliche Sache um ein oosur I6gsr.

Weiterhin äußerte Herr Camphausen sein Bedenken dagegen, mit der


einzelnen Budgetjahres. Es handelt sich um die Entscheidung der wichtigenPrin-
cipfrage: soll der Reichshaushalt mit Beseitigung der Matrikularbeiträge auf
selbständige Einnahmen gestellt werden, und wie sind diese Einnahmen zu be¬
schaffen? Diese Frage, theoretisch längst aufgeworfen, war bisher nicht
aktuell, solange das Reich nicht nur ausreichende sondern sogar überschießende
Einnahmen hatte in Folge der Kriegsentschädigung, in Folge des Militär¬
pauschquantums, welches die Heeresausgaben auf einer niedrigen Stufe hielt,
in Folge der glänzenden Einnahmen, welche die Verkehrsexcesse unmittelbar
nach dem Frieden denZöllen und andern Neichsfinanzquellen brachten u. f. w. Jetzt
aber, wo keine neuen Ueberschüsse mehr erzeugt und die alten nahe daran sind,
aufgebraucht zu werden, jetzt ist es Zeit, sich mit der Frage nach der Beschaf¬
fung regelmäßiger und ausreichender Einnahmen für das Reich zu beschäftigen.
Da steckt sich nun die Opposition hinter die noch vorhandenen Bestände, welche
ausreichend sind, uns noch einmal über das Defizit eines Budgetjahres hin¬
wegzuführen. Der Opposition war das Spiel ziemlich leicht gemacht durch
zwei Umstände. Einmal dadurch, daß die Reichsregierung nicht mit genü¬
gendem Nachdruck den Standpunkt gewählt hat, daß es sich um dauernde
regelmäßige Einnahmen und nicht um die Deckung eines Jahresdefizit handelt,
für das man im schlimmsten Fall auf die Matrikularbeiträge greifen kann.
Der zweite erleichternde Umstand für die Opposition war die höchst mangel¬
hafte Beschaffenheit der vorgeschlagenen Steuerprojekte. Dieselben stehen in
der nächsten Woche zur Berathung, und wir haben noch Gelegenheit genug,
uns mit ihnen zu beschäftigen. Heute sei noch mit einigen Worten der Rede
des preußischen Finanzministers gedacht.

Er begann mit der Versicherung, es bestehe kein Gegensatz zwischen dem
Reichstag und der Reichsregierung, eine Versicherung, die nach der eben ge¬
hörten Rede des Herrn Eugen Richter auf die Fähigkeit schließen läßt, den
breitesten Abgrund zu überspringen oder zu übersehen. Denn unmöglich
konnte Herr Camphausen sicher sein, daß die Richter'schen Ansichten gar keinen
Anklang finden würden. Wenn diese Sicherheit bestände, so wäre das Schicksal
der Session entschieden, während wir in der That vor einer unberechenbaren
Entscheidung stehen.

Weiter sprach Herr Camphausen ganz beiläufig die Ueberzeugung aus:
wenn die Regierung mit dem Reichstag nicht übereinstimme, so müßten die
leitenden Männer weichen. Da es sich in der Form und in der Sache bei
der Neichsregierung um Einen leitenden Mann handelt, so hat Herr Camp¬
hausen ganz beiläufig eine Frage entschieden, deren Entscheidung manchem
Andern Kopf und Herz schwer macht. Es ist eine beneidenswerte, aber
manchmal eine bedenkliche Sache um ein oosur I6gsr.

Weiterhin äußerte Herr Camphausen sein Bedenken dagegen, mit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/358>, abgerufen am 16.06.2024.