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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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auch den Schwaben nichts übrig als sich zu fügen. Aber wie Heinrich von
einem Stamm zum andern ziehend nicht durch gemeinsame Wahl wie
seine Vorgänger, sondern durch große Versprechungen und Zugeständnisse an
jeden einzelnen von jedem einzelnen die Stimmen führte, wie er ebenso nicht
nach Sitte der Väter zu Aachen, sondern zu Mainz die Krone empfing, so
mußte Heinrich noch mehr wie Adelheid und Otto den Fürsten und Herren
stete Theilnahme an der Reichsregierung gewähren. Im Eingange eines von
Heinrich für Italien erlassenen Gesetzes heißt es: Es sei allen unsern Getreuen
kundgethan, daß wir alle Zeit in unserer Fürsorge für das Reich das Ge¬
ziemende nach erfolgter Genehmigung unserer ehrbaren Vasallen
bestimmen. Heinrich erkannte bereits das Erbrecht der Lehen an, übertrug
sie gewöhnlich auf erbberechtigte Söhne, nur unter Verpflichtung derselben
Lehngelder zu zahlen, und zum Jahr 1013 findet sich in einer Urkunde der
Ausdruck Erdleben.

In dieser Richtung kam zunächst nun Heinrich II. nur den weltlichen
Großen entgegen, denn die Bischöfe und Aebte konnten nicht vererben. Aber
die ganze Kirche konnte doch erben*). Und hier kommt nun das Entscheidende,
daß Heinrich II. noch mehr als seine Vorgänger aus dem sächsischen Kaiser¬
hause die Reichsgewalt auf die Bischöfe basirte. Schon von Otto's I. Regi¬
ment (von 95S an) sagt Giesebrecht I, 416: "Ueber ein Jahrhundert geht
die Geschichte der deutschen Kirche fast ganz in der Reichsgeschichte auf und
diese ist zum guten Theil in jener enthalten, das ganze Reichsregiment nahm
einen überwiegend kirchlichen Charakter an . . Je mehr in dem Reichsadel die
Mannigfaltigkeit und Selbständigkeit des Stammes und provinziellen Interessen
kräftige Vertretung fand, je enger verband die Krone ihre nationalen Ideen
mit den weitumfassenden Anschauungen der katholischen Kirche." Dies hat
also am meisten auf Heinrich's II. Regiment Anwendung; in einer Urkunde
sprach er es geradezu aus, daß er sich die auf seiner Lebensreise ihm aufge¬
bürdeten Lasten dadurch erleichtere, daß er sie auf die Schultern der Bischöfe
wälze; er ernannte, belehnte sie mit ganzen Grafschaften und betraute sie mit
den wichtigsten Geschäften. Die Gandersheimer Abtei hatte früher 7 Graf¬
schaften, in der Diöcese Würzburg gab es gar keine Grafen mehr: Zoll,
Markt, Münzrecht wurden an die Bischöfe hinausgegeben; das sind so einige
Anhaltspunkte für den Gang der geistlichen Dinge aus diesem Gebiete.

Und nun gehen wir zu der eigenartigen Persönlichkeit Heinrich's II. über.
Heinrich, auch genannt der Hüffcholtze**), wegen eines angebornen Leidens --




") Der Gegensatz WM' freilich auch, daß verheirathete Kleriker die als Bencfizicn zu ihren
Stellen gehörenden Güter als Erbgut für ihre Kinder an sich zu bringen suchten, was den
Hauptanstoß zum Verbot der Pricsterehe gab. Vgl. Baur a. a. O. S. 130.
Vgl. Virlinger Schwäb, Augsburg. Wörterbuch Seite 225 Hefholz --hinkend; dazu was
ein alter hessischer Gelehrter in seiner eignen Weise sagt. Man möge dabei Acht haben auf

auch den Schwaben nichts übrig als sich zu fügen. Aber wie Heinrich von
einem Stamm zum andern ziehend nicht durch gemeinsame Wahl wie
seine Vorgänger, sondern durch große Versprechungen und Zugeständnisse an
jeden einzelnen von jedem einzelnen die Stimmen führte, wie er ebenso nicht
nach Sitte der Väter zu Aachen, sondern zu Mainz die Krone empfing, so
mußte Heinrich noch mehr wie Adelheid und Otto den Fürsten und Herren
stete Theilnahme an der Reichsregierung gewähren. Im Eingange eines von
Heinrich für Italien erlassenen Gesetzes heißt es: Es sei allen unsern Getreuen
kundgethan, daß wir alle Zeit in unserer Fürsorge für das Reich das Ge¬
ziemende nach erfolgter Genehmigung unserer ehrbaren Vasallen
bestimmen. Heinrich erkannte bereits das Erbrecht der Lehen an, übertrug
sie gewöhnlich auf erbberechtigte Söhne, nur unter Verpflichtung derselben
Lehngelder zu zahlen, und zum Jahr 1013 findet sich in einer Urkunde der
Ausdruck Erdleben.

In dieser Richtung kam zunächst nun Heinrich II. nur den weltlichen
Großen entgegen, denn die Bischöfe und Aebte konnten nicht vererben. Aber
die ganze Kirche konnte doch erben*). Und hier kommt nun das Entscheidende,
daß Heinrich II. noch mehr als seine Vorgänger aus dem sächsischen Kaiser¬
hause die Reichsgewalt auf die Bischöfe basirte. Schon von Otto's I. Regi¬
ment (von 95S an) sagt Giesebrecht I, 416: „Ueber ein Jahrhundert geht
die Geschichte der deutschen Kirche fast ganz in der Reichsgeschichte auf und
diese ist zum guten Theil in jener enthalten, das ganze Reichsregiment nahm
einen überwiegend kirchlichen Charakter an . . Je mehr in dem Reichsadel die
Mannigfaltigkeit und Selbständigkeit des Stammes und provinziellen Interessen
kräftige Vertretung fand, je enger verband die Krone ihre nationalen Ideen
mit den weitumfassenden Anschauungen der katholischen Kirche." Dies hat
also am meisten auf Heinrich's II. Regiment Anwendung; in einer Urkunde
sprach er es geradezu aus, daß er sich die auf seiner Lebensreise ihm aufge¬
bürdeten Lasten dadurch erleichtere, daß er sie auf die Schultern der Bischöfe
wälze; er ernannte, belehnte sie mit ganzen Grafschaften und betraute sie mit
den wichtigsten Geschäften. Die Gandersheimer Abtei hatte früher 7 Graf¬
schaften, in der Diöcese Würzburg gab es gar keine Grafen mehr: Zoll,
Markt, Münzrecht wurden an die Bischöfe hinausgegeben; das sind so einige
Anhaltspunkte für den Gang der geistlichen Dinge aus diesem Gebiete.

Und nun gehen wir zu der eigenartigen Persönlichkeit Heinrich's II. über.
Heinrich, auch genannt der Hüffcholtze**), wegen eines angebornen Leidens —




") Der Gegensatz WM' freilich auch, daß verheirathete Kleriker die als Bencfizicn zu ihren
Stellen gehörenden Güter als Erbgut für ihre Kinder an sich zu bringen suchten, was den
Hauptanstoß zum Verbot der Pricsterehe gab. Vgl. Baur a. a. O. S. 130.
Vgl. Virlinger Schwäb, Augsburg. Wörterbuch Seite 225 Hefholz —hinkend; dazu was
ein alter hessischer Gelehrter in seiner eignen Weise sagt. Man möge dabei Acht haben auf
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/107>, abgerufen am 24.05.2024.