Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Livingstone's den Gedanken wachgerufen, daß der Congo wohl statt des Niles
seinen Ursprung in dem ostafrikanischen Seengebiete haben könnte, sind zwei
Expeditionen, eine englische und eine deutsche, zur Erforschung des Congv-
gebietes ausgesandt worden. Die englische, unter Lieutenant Grandh ist
zurückgekehrt, ohne nennenswerthe Resultate erzielt zu haben ; die deutsche, von
Dr. Güßfeldt geleitete, beschäftigt sich seit zwei Jahren mit Vorarbeiten in der
Küstenregion und will nunmehr mit erneuerten Kräften den Versuch wagen,
in das Innere des Landes einzudringen.*)

Im Süden des Congo sehen wir seit lange die Portugiesen ansässig und
zweifelsohne sind sie auch mit den Verhältnissen der Binnenlandschaften nicht
unbekannt geblieben, doch läßt sich von einer eigentlichen geographischen
Erforschung des Landes durch sie nicht sprechen. Sogar die merkwürdigen
Reisen der einheimischen Mulatten-Pombeiros quer durch die halbe oder sogar
ganze Breite des Kontinentes haben nur wenig geographisches Licht verbreitet.
Die wichtigsten dieser Pombeiros-Züge waren jene über Kabebe und Lunda
nach Tete 1806---1810, der des Rodrigo Gra<M von Bihe nach Kabebe l843
und des silva Porto, von Benguela über den Zambesi und südlich um den
Nyassa-See nach Mozambique, 1853 -- 54. Mitten zwischen dem westlichen
Theile dieser Routen, von Bihe nordöstlich, im oberen Stromgebiete des Kasnbi,
nördlich abwärts bis Jakilem liegt das Gebiet der mehrfach in den Jahren
1830 -1854 auf verschiedenen Wegen wiederholten Reisen des Ungarn
Ladislaus Magyar, der. östlich bis nach.Katema am Dilolo-See gelangte, und
über die Kimbunda-Ncttivn und ihre Gebräuche wichtige Aufschlüsse hinterlassen
hat. Südlicher als Magyar bewegte sich Charles John Andersson, der 185l
bis 1853 von der afrikanischen Westküste durch das Land der Ovahereros
oder Damaras den Ngami-See und etwas nördlicher Kaugo. seinen fernsten
Punkt erreichte.

Wir wenden uns nunmehr dem eigentlichen Südafrika zu, wo schon
lange Holländer und Engländer sich niedergelassen hatten, und mit den
Hottentotten- und Namagua-Völkern bekannt geworden waren. Martin
Heinr. Carl Lichtenstein, I. L. Ebner, H. P. Hallbeck und Moffat trugen in
den ersten Dezennien unseres Jahrhunderts viel zur Erweiterung unserer
sowohl geographischen als ethnographischen Kenntnisse jenes Gebietes bei.
Unter den Forschern der jüngsten Epoche steht vielleicht Dr. Gustav Fritsch
obenan, dessen dreijähriger Aufenthalt in Südafrika ihn befähigte, die ethno¬
graphischen Verhältnisse des Landes aufzuhellen wie Keiner vor ihm. Pionier
der Entdeckungen in demselben ist aber der Missionar David Livingstone.
Nachdem dieser große Reisende in den Jahren 1840--1849 in Kuruman und



*) Sie ist, nach den neuesten Nachricht?", gleichfalls se' gut wie resultatlos geblieben,
D. R.

Livingstone's den Gedanken wachgerufen, daß der Congo wohl statt des Niles
seinen Ursprung in dem ostafrikanischen Seengebiete haben könnte, sind zwei
Expeditionen, eine englische und eine deutsche, zur Erforschung des Congv-
gebietes ausgesandt worden. Die englische, unter Lieutenant Grandh ist
zurückgekehrt, ohne nennenswerthe Resultate erzielt zu haben ; die deutsche, von
Dr. Güßfeldt geleitete, beschäftigt sich seit zwei Jahren mit Vorarbeiten in der
Küstenregion und will nunmehr mit erneuerten Kräften den Versuch wagen,
in das Innere des Landes einzudringen.*)

Im Süden des Congo sehen wir seit lange die Portugiesen ansässig und
zweifelsohne sind sie auch mit den Verhältnissen der Binnenlandschaften nicht
unbekannt geblieben, doch läßt sich von einer eigentlichen geographischen
Erforschung des Landes durch sie nicht sprechen. Sogar die merkwürdigen
Reisen der einheimischen Mulatten-Pombeiros quer durch die halbe oder sogar
ganze Breite des Kontinentes haben nur wenig geographisches Licht verbreitet.
Die wichtigsten dieser Pombeiros-Züge waren jene über Kabebe und Lunda
nach Tete 1806—-1810, der des Rodrigo Gra<M von Bihe nach Kabebe l843
und des silva Porto, von Benguela über den Zambesi und südlich um den
Nyassa-See nach Mozambique, 1853 — 54. Mitten zwischen dem westlichen
Theile dieser Routen, von Bihe nordöstlich, im oberen Stromgebiete des Kasnbi,
nördlich abwärts bis Jakilem liegt das Gebiet der mehrfach in den Jahren
1830 -1854 auf verschiedenen Wegen wiederholten Reisen des Ungarn
Ladislaus Magyar, der. östlich bis nach.Katema am Dilolo-See gelangte, und
über die Kimbunda-Ncttivn und ihre Gebräuche wichtige Aufschlüsse hinterlassen
hat. Südlicher als Magyar bewegte sich Charles John Andersson, der 185l
bis 1853 von der afrikanischen Westküste durch das Land der Ovahereros
oder Damaras den Ngami-See und etwas nördlicher Kaugo. seinen fernsten
Punkt erreichte.

Wir wenden uns nunmehr dem eigentlichen Südafrika zu, wo schon
lange Holländer und Engländer sich niedergelassen hatten, und mit den
Hottentotten- und Namagua-Völkern bekannt geworden waren. Martin
Heinr. Carl Lichtenstein, I. L. Ebner, H. P. Hallbeck und Moffat trugen in
den ersten Dezennien unseres Jahrhunderts viel zur Erweiterung unserer
sowohl geographischen als ethnographischen Kenntnisse jenes Gebietes bei.
Unter den Forschern der jüngsten Epoche steht vielleicht Dr. Gustav Fritsch
obenan, dessen dreijähriger Aufenthalt in Südafrika ihn befähigte, die ethno¬
graphischen Verhältnisse des Landes aufzuhellen wie Keiner vor ihm. Pionier
der Entdeckungen in demselben ist aber der Missionar David Livingstone.
Nachdem dieser große Reisende in den Jahren 1840—1849 in Kuruman und



*) Sie ist, nach den neuesten Nachricht?», gleichfalls se' gut wie resultatlos geblieben,
D. R.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134032"/>
          <p xml:id="ID_679" prev="#ID_678"> Livingstone's den Gedanken wachgerufen, daß der Congo wohl statt des Niles<lb/>
seinen Ursprung in dem ostafrikanischen Seengebiete haben könnte, sind zwei<lb/>
Expeditionen, eine englische und eine deutsche, zur Erforschung des Congv-<lb/>
gebietes ausgesandt worden. Die englische, unter Lieutenant Grandh ist<lb/>
zurückgekehrt, ohne nennenswerthe Resultate erzielt zu haben ; die deutsche, von<lb/>
Dr. Güßfeldt geleitete, beschäftigt sich seit zwei Jahren mit Vorarbeiten in der<lb/>
Küstenregion und will nunmehr mit erneuerten Kräften den Versuch wagen,<lb/>
in das Innere des Landes einzudringen.*)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_680"> Im Süden des Congo sehen wir seit lange die Portugiesen ansässig und<lb/>
zweifelsohne sind sie auch mit den Verhältnissen der Binnenlandschaften nicht<lb/>
unbekannt geblieben, doch läßt sich von einer eigentlichen geographischen<lb/>
Erforschung des Landes durch sie nicht sprechen. Sogar die merkwürdigen<lb/>
Reisen der einheimischen Mulatten-Pombeiros quer durch die halbe oder sogar<lb/>
ganze Breite des Kontinentes haben nur wenig geographisches Licht verbreitet.<lb/>
Die wichtigsten dieser Pombeiros-Züge waren jene über Kabebe und Lunda<lb/>
nach Tete 1806&#x2014;-1810, der des Rodrigo Gra&lt;M von Bihe nach Kabebe l843<lb/>
und des silva Porto, von Benguela über den Zambesi und südlich um den<lb/>
Nyassa-See nach Mozambique, 1853 &#x2014; 54. Mitten zwischen dem westlichen<lb/>
Theile dieser Routen, von Bihe nordöstlich, im oberen Stromgebiete des Kasnbi,<lb/>
nördlich abwärts bis Jakilem liegt das Gebiet der mehrfach in den Jahren<lb/>
1830 -1854 auf verschiedenen Wegen wiederholten Reisen des Ungarn<lb/>
Ladislaus Magyar, der. östlich bis nach.Katema am Dilolo-See gelangte, und<lb/>
über die Kimbunda-Ncttivn und ihre Gebräuche wichtige Aufschlüsse hinterlassen<lb/>
hat. Südlicher als Magyar bewegte sich Charles John Andersson, der 185l<lb/>
bis 1853 von der afrikanischen Westküste durch das Land der Ovahereros<lb/>
oder Damaras den Ngami-See und etwas nördlicher Kaugo. seinen fernsten<lb/>
Punkt erreichte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_681" next="#ID_682"> Wir wenden uns nunmehr dem eigentlichen Südafrika zu, wo schon<lb/>
lange Holländer und Engländer sich niedergelassen hatten, und mit den<lb/>
Hottentotten- und Namagua-Völkern bekannt geworden waren. Martin<lb/>
Heinr. Carl Lichtenstein, I. L. Ebner, H. P. Hallbeck und Moffat trugen in<lb/>
den ersten Dezennien unseres Jahrhunderts viel zur Erweiterung unserer<lb/>
sowohl geographischen als ethnographischen Kenntnisse jenes Gebietes bei.<lb/>
Unter den Forschern der jüngsten Epoche steht vielleicht Dr. Gustav Fritsch<lb/>
obenan, dessen dreijähriger Aufenthalt in Südafrika ihn befähigte, die ethno¬<lb/>
graphischen Verhältnisse des Landes aufzuhellen wie Keiner vor ihm. Pionier<lb/>
der Entdeckungen in demselben ist aber der Missionar David Livingstone.<lb/>
Nachdem dieser große Reisende in den Jahren 1840&#x2014;1849 in Kuruman und</p><lb/>
          <note xml:id="FID_54" place="foot"> *) Sie ist, nach den neuesten Nachricht?», gleichfalls se' gut wie resultatlos geblieben,<lb/><note type="byline"> D. R.</note></note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0214] Livingstone's den Gedanken wachgerufen, daß der Congo wohl statt des Niles seinen Ursprung in dem ostafrikanischen Seengebiete haben könnte, sind zwei Expeditionen, eine englische und eine deutsche, zur Erforschung des Congv- gebietes ausgesandt worden. Die englische, unter Lieutenant Grandh ist zurückgekehrt, ohne nennenswerthe Resultate erzielt zu haben ; die deutsche, von Dr. Güßfeldt geleitete, beschäftigt sich seit zwei Jahren mit Vorarbeiten in der Küstenregion und will nunmehr mit erneuerten Kräften den Versuch wagen, in das Innere des Landes einzudringen.*) Im Süden des Congo sehen wir seit lange die Portugiesen ansässig und zweifelsohne sind sie auch mit den Verhältnissen der Binnenlandschaften nicht unbekannt geblieben, doch läßt sich von einer eigentlichen geographischen Erforschung des Landes durch sie nicht sprechen. Sogar die merkwürdigen Reisen der einheimischen Mulatten-Pombeiros quer durch die halbe oder sogar ganze Breite des Kontinentes haben nur wenig geographisches Licht verbreitet. Die wichtigsten dieser Pombeiros-Züge waren jene über Kabebe und Lunda nach Tete 1806—-1810, der des Rodrigo Gra<M von Bihe nach Kabebe l843 und des silva Porto, von Benguela über den Zambesi und südlich um den Nyassa-See nach Mozambique, 1853 — 54. Mitten zwischen dem westlichen Theile dieser Routen, von Bihe nordöstlich, im oberen Stromgebiete des Kasnbi, nördlich abwärts bis Jakilem liegt das Gebiet der mehrfach in den Jahren 1830 -1854 auf verschiedenen Wegen wiederholten Reisen des Ungarn Ladislaus Magyar, der. östlich bis nach.Katema am Dilolo-See gelangte, und über die Kimbunda-Ncttivn und ihre Gebräuche wichtige Aufschlüsse hinterlassen hat. Südlicher als Magyar bewegte sich Charles John Andersson, der 185l bis 1853 von der afrikanischen Westküste durch das Land der Ovahereros oder Damaras den Ngami-See und etwas nördlicher Kaugo. seinen fernsten Punkt erreichte. Wir wenden uns nunmehr dem eigentlichen Südafrika zu, wo schon lange Holländer und Engländer sich niedergelassen hatten, und mit den Hottentotten- und Namagua-Völkern bekannt geworden waren. Martin Heinr. Carl Lichtenstein, I. L. Ebner, H. P. Hallbeck und Moffat trugen in den ersten Dezennien unseres Jahrhunderts viel zur Erweiterung unserer sowohl geographischen als ethnographischen Kenntnisse jenes Gebietes bei. Unter den Forschern der jüngsten Epoche steht vielleicht Dr. Gustav Fritsch obenan, dessen dreijähriger Aufenthalt in Südafrika ihn befähigte, die ethno¬ graphischen Verhältnisse des Landes aufzuhellen wie Keiner vor ihm. Pionier der Entdeckungen in demselben ist aber der Missionar David Livingstone. Nachdem dieser große Reisende in den Jahren 1840—1849 in Kuruman und *) Sie ist, nach den neuesten Nachricht?», gleichfalls se' gut wie resultatlos geblieben, D. R.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/214
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/214>, abgerufen am 16.06.2024.