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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Sie, die "Königin der Nacht", hörte aber nicht auf, den Vormund mit
"Racheplänen" zu plagen und trachtete vor allem die Situation so zu ge¬
stalten, daß sie besseren Zugang und dadurch mehr Herrschaft über den Knaben
gewinne. Am 21. September 1818 stellt sie an das Gericht (das Nieder¬
österreichische Landrecht) den formellen Antrag, daß Carl ins k. k. Convict
gegeben werde. Darüber nun spricht sich unser erstes Schriftstück aus, das mit
den nöthigen Erläuterungen unter dem Text zunächst folgt und das uns ab¬
gesehen von allem Anderen zeigt, wie ernst Beethoven seine Aufgabe als Er¬
zieher nahm und wie sorgfältig er die dafür erforderlichen Mittel und Ma߬
regeln abwog, zugleich wie rücksichtsvoll er sich noch immer gegen die Mutter
benahm und äußerte. Es lautet:

I.

"Hochlöbliches k. k. U. Oe. Landrecht!"

Als mir die Borladung des k. k. U. Oe. Landrechts vom 22. dieses
Monats nach meinem gegenwärtigen Aufenthaltsorte Mödling übersendet
wurde, befand ich mich geschäftshalber gerade in Wien und konnte daher dieses
Umstands wegen derselben nicht zur anberaumten Frist Folge leisten. Ich
ergreife daher das Mittel einer schriftlichen Erklärung, welche ich einem k. k.
U. Oe. Landrecht hiermit vorlege.

Die Mutter meines Mündels, die ihrer moralischen Unfähigkeit wegen
von dessen Erziehung durch das k. k. U. Oe. Landrecht gänzlich und streng
ausgeschlossen worden, hat nach mehreren mißlungenen Versuchen, den von
mir entworfenen und befolgten Erziehungsplan durch ihre Einmischung zu
hindern, abermals sich beigehen lassen, einen Schritt zu thun, dem ich als
ausschließlich bestellter Vormund meines Neffen Carl van Beethoven auf keine
Weise meine Bestimmung geben kann.

Um zu ihrem Zweck zu gelangen, nimmt sie ihre Zuflucht zu Mitteln,
die schon an und für sich von niedriger Gesinnung zeugen, indem sie nämlich
meine Gehörlosigkeir, wie sie es nennt, und meine angebliche Kränklichkeit
zum Vorwand nimmt, um auf die Erziehung meines Neffen ein nachtheiliges
Licht fallen zu lassen.

Was den ersten Punkt betrifft, so ist es von Allen, die mich näher kennen,
zu wohl bekannt, daß jede mündliche Mittheilung zwischen mir und meinem
Neffen sowie zwischen andern Menschen auf die leichteste Art stattfindet, als
daß hieraus ein Hinderniß entstehen könnte. Zudem war meine Gesundheit
nie besser als jetzt, und es ist ebenso wenig von dieser Seite ein Grund
vorhanden, daß meines Neffen Erziehung gefährdet werden könnte.*)



') In Bezug aus das Gehör erzählt der Professor Klöber von Berlin, der ihn in diesem
Sommer malte (das lebensgroße Portrait mit dem Neffen zur Seite befindet sich in Wien;

Sie, die „Königin der Nacht", hörte aber nicht auf, den Vormund mit
„Racheplänen" zu plagen und trachtete vor allem die Situation so zu ge¬
stalten, daß sie besseren Zugang und dadurch mehr Herrschaft über den Knaben
gewinne. Am 21. September 1818 stellt sie an das Gericht (das Nieder¬
österreichische Landrecht) den formellen Antrag, daß Carl ins k. k. Convict
gegeben werde. Darüber nun spricht sich unser erstes Schriftstück aus, das mit
den nöthigen Erläuterungen unter dem Text zunächst folgt und das uns ab¬
gesehen von allem Anderen zeigt, wie ernst Beethoven seine Aufgabe als Er¬
zieher nahm und wie sorgfältig er die dafür erforderlichen Mittel und Ma߬
regeln abwog, zugleich wie rücksichtsvoll er sich noch immer gegen die Mutter
benahm und äußerte. Es lautet:

I.

„Hochlöbliches k. k. U. Oe. Landrecht!"

Als mir die Borladung des k. k. U. Oe. Landrechts vom 22. dieses
Monats nach meinem gegenwärtigen Aufenthaltsorte Mödling übersendet
wurde, befand ich mich geschäftshalber gerade in Wien und konnte daher dieses
Umstands wegen derselben nicht zur anberaumten Frist Folge leisten. Ich
ergreife daher das Mittel einer schriftlichen Erklärung, welche ich einem k. k.
U. Oe. Landrecht hiermit vorlege.

Die Mutter meines Mündels, die ihrer moralischen Unfähigkeit wegen
von dessen Erziehung durch das k. k. U. Oe. Landrecht gänzlich und streng
ausgeschlossen worden, hat nach mehreren mißlungenen Versuchen, den von
mir entworfenen und befolgten Erziehungsplan durch ihre Einmischung zu
hindern, abermals sich beigehen lassen, einen Schritt zu thun, dem ich als
ausschließlich bestellter Vormund meines Neffen Carl van Beethoven auf keine
Weise meine Bestimmung geben kann.

Um zu ihrem Zweck zu gelangen, nimmt sie ihre Zuflucht zu Mitteln,
die schon an und für sich von niedriger Gesinnung zeugen, indem sie nämlich
meine Gehörlosigkeir, wie sie es nennt, und meine angebliche Kränklichkeit
zum Vorwand nimmt, um auf die Erziehung meines Neffen ein nachtheiliges
Licht fallen zu lassen.

Was den ersten Punkt betrifft, so ist es von Allen, die mich näher kennen,
zu wohl bekannt, daß jede mündliche Mittheilung zwischen mir und meinem
Neffen sowie zwischen andern Menschen auf die leichteste Art stattfindet, als
daß hieraus ein Hinderniß entstehen könnte. Zudem war meine Gesundheit
nie besser als jetzt, und es ist ebenso wenig von dieser Seite ein Grund
vorhanden, daß meines Neffen Erziehung gefährdet werden könnte.*)



') In Bezug aus das Gehör erzählt der Professor Klöber von Berlin, der ihn in diesem
Sommer malte (das lebensgroße Portrait mit dem Neffen zur Seite befindet sich in Wien;
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/29>, abgerufen am 24.05.2024.