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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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diesem Augenblicke unter meinen Papieren nicht mehr vorfindig. Ihr Inhalt
sind elende und meist übertriebene pöbelhafte Klatschereien, wie z. B., daß
mein Mündel der Hausmeisterin die Glocke fast abgerissen, einen Kapaun
zwischen das Holz gejagt, wo er erstickt sei, daß er 30 kr. von einem Einkauf
zurückbehalten und sich Naschereien gekauft, die Dienstleute geschmäht ?c.

Da diese Briefe gerade an jenem Tage an mich gelangten, damit ich
meinem Mündel dieses Betragen verweisen sollte, an welchem er abends ver-
anstaltetermaßen mein Haus verließ, so ist ersichtlich, in welcher Absicht sie
geschrieben, ja vielleicht dictirt worden, nämlich um der Entfernung einen
Vorwand zu leihen. Wie sollten sich auch Dienstleute herausnehmen, sich mit
dritten Personen von besserer Qualität über das Betragen meines Mündels
in Correspondenz zu setzen?

Die Beilagen lit. IZ. geben die geringen Beiträge von der Pension der
Mutter meines Mündels zu dessen Erziehung an, sowie die Auslagen, welche
ich zu diesem Zwecke aus meinem eigenen Sacke bestritten. Es geht daraus
klar hervor, daß es unmöglich gewesen wäre, ihm eine gehörige Existenz
und zweckmäßige Erziehung zu geben, wenn ich nicht freiwillig so große Opfer
dargebracht hätte.

Die Beilage lit. O enthält zwei Schreiben des Jnstitutsvorstehers Herrn
von Giannatasio del Rio an mich, bei welchem sich mein Mündel früher
befand. Sie beweisen hinlänglich, wie schädlich die Einmischung der Mutter
in das Erziehungsgeschäft meines Mündels von ihm erkannt wurde und
bedürfen bei den sattsam bekannten Umständen keiner Erörterung mehr.

Außer den sehr bedeutenden Auslagen für das Institut habe ich laut
Beilagen auch noch den Advocaten und Sollicitator in der Sache meines
Mündels aus Eigenem bezahlt, eine Reise nach Netz in dessen Angelegenheiten
unternommen auf meine Kosten*), die Meister für den Unterricht im Wissen¬
schaftlicher und in der Musik besonders bestritten und überdies neben anderen
unvorhergesehenen Ausgaben, die hier anzuführen ermüdend wäre, auch die
bedeutenden Beträge einer glücklich an meinem Neffen vollzogenen Bruch¬
operation getragen.

Dagegen ist der Betrag des Zuschusses von der halben Pension
der Mutter sehr unbeträchtlich und ich habe überdies denselben anfangs
nur sehr spät und gegenwärtig wirklich seit einem halben Jahr gar
nicht erhalten.

Soviel von dem ökonomischen meiner Vormundschaft.

Was die wissenschaftliche und moralische Erziehung meines Mündels
betrifft, so habe ich vor allen Dingen durch Wort und Beispiel dahin zu



") In Netz in Mähren hatte der Vater des Neffen Geld ausstehen, das trotz langem
Prozeß nicht eher zu erlangen war, bis Beethoven persönlich erschien.

diesem Augenblicke unter meinen Papieren nicht mehr vorfindig. Ihr Inhalt
sind elende und meist übertriebene pöbelhafte Klatschereien, wie z. B., daß
mein Mündel der Hausmeisterin die Glocke fast abgerissen, einen Kapaun
zwischen das Holz gejagt, wo er erstickt sei, daß er 30 kr. von einem Einkauf
zurückbehalten und sich Naschereien gekauft, die Dienstleute geschmäht ?c.

Da diese Briefe gerade an jenem Tage an mich gelangten, damit ich
meinem Mündel dieses Betragen verweisen sollte, an welchem er abends ver-
anstaltetermaßen mein Haus verließ, so ist ersichtlich, in welcher Absicht sie
geschrieben, ja vielleicht dictirt worden, nämlich um der Entfernung einen
Vorwand zu leihen. Wie sollten sich auch Dienstleute herausnehmen, sich mit
dritten Personen von besserer Qualität über das Betragen meines Mündels
in Correspondenz zu setzen?

Die Beilagen lit. IZ. geben die geringen Beiträge von der Pension der
Mutter meines Mündels zu dessen Erziehung an, sowie die Auslagen, welche
ich zu diesem Zwecke aus meinem eigenen Sacke bestritten. Es geht daraus
klar hervor, daß es unmöglich gewesen wäre, ihm eine gehörige Existenz
und zweckmäßige Erziehung zu geben, wenn ich nicht freiwillig so große Opfer
dargebracht hätte.

Die Beilage lit. O enthält zwei Schreiben des Jnstitutsvorstehers Herrn
von Giannatasio del Rio an mich, bei welchem sich mein Mündel früher
befand. Sie beweisen hinlänglich, wie schädlich die Einmischung der Mutter
in das Erziehungsgeschäft meines Mündels von ihm erkannt wurde und
bedürfen bei den sattsam bekannten Umständen keiner Erörterung mehr.

Außer den sehr bedeutenden Auslagen für das Institut habe ich laut
Beilagen auch noch den Advocaten und Sollicitator in der Sache meines
Mündels aus Eigenem bezahlt, eine Reise nach Netz in dessen Angelegenheiten
unternommen auf meine Kosten*), die Meister für den Unterricht im Wissen¬
schaftlicher und in der Musik besonders bestritten und überdies neben anderen
unvorhergesehenen Ausgaben, die hier anzuführen ermüdend wäre, auch die
bedeutenden Beträge einer glücklich an meinem Neffen vollzogenen Bruch¬
operation getragen.

Dagegen ist der Betrag des Zuschusses von der halben Pension
der Mutter sehr unbeträchtlich und ich habe überdies denselben anfangs
nur sehr spät und gegenwärtig wirklich seit einem halben Jahr gar
nicht erhalten.

Soviel von dem ökonomischen meiner Vormundschaft.

Was die wissenschaftliche und moralische Erziehung meines Mündels
betrifft, so habe ich vor allen Dingen durch Wort und Beispiel dahin zu



") In Netz in Mähren hatte der Vater des Neffen Geld ausstehen, das trotz langem
Prozeß nicht eher zu erlangen war, bis Beethoven persönlich erschien.
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[0034] diesem Augenblicke unter meinen Papieren nicht mehr vorfindig. Ihr Inhalt sind elende und meist übertriebene pöbelhafte Klatschereien, wie z. B., daß mein Mündel der Hausmeisterin die Glocke fast abgerissen, einen Kapaun zwischen das Holz gejagt, wo er erstickt sei, daß er 30 kr. von einem Einkauf zurückbehalten und sich Naschereien gekauft, die Dienstleute geschmäht ?c. Da diese Briefe gerade an jenem Tage an mich gelangten, damit ich meinem Mündel dieses Betragen verweisen sollte, an welchem er abends ver- anstaltetermaßen mein Haus verließ, so ist ersichtlich, in welcher Absicht sie geschrieben, ja vielleicht dictirt worden, nämlich um der Entfernung einen Vorwand zu leihen. Wie sollten sich auch Dienstleute herausnehmen, sich mit dritten Personen von besserer Qualität über das Betragen meines Mündels in Correspondenz zu setzen? Die Beilagen lit. IZ. geben die geringen Beiträge von der Pension der Mutter meines Mündels zu dessen Erziehung an, sowie die Auslagen, welche ich zu diesem Zwecke aus meinem eigenen Sacke bestritten. Es geht daraus klar hervor, daß es unmöglich gewesen wäre, ihm eine gehörige Existenz und zweckmäßige Erziehung zu geben, wenn ich nicht freiwillig so große Opfer dargebracht hätte. Die Beilage lit. O enthält zwei Schreiben des Jnstitutsvorstehers Herrn von Giannatasio del Rio an mich, bei welchem sich mein Mündel früher befand. Sie beweisen hinlänglich, wie schädlich die Einmischung der Mutter in das Erziehungsgeschäft meines Mündels von ihm erkannt wurde und bedürfen bei den sattsam bekannten Umständen keiner Erörterung mehr. Außer den sehr bedeutenden Auslagen für das Institut habe ich laut Beilagen auch noch den Advocaten und Sollicitator in der Sache meines Mündels aus Eigenem bezahlt, eine Reise nach Netz in dessen Angelegenheiten unternommen auf meine Kosten*), die Meister für den Unterricht im Wissen¬ schaftlicher und in der Musik besonders bestritten und überdies neben anderen unvorhergesehenen Ausgaben, die hier anzuführen ermüdend wäre, auch die bedeutenden Beträge einer glücklich an meinem Neffen vollzogenen Bruch¬ operation getragen. Dagegen ist der Betrag des Zuschusses von der halben Pension der Mutter sehr unbeträchtlich und ich habe überdies denselben anfangs nur sehr spät und gegenwärtig wirklich seit einem halben Jahr gar nicht erhalten. Soviel von dem ökonomischen meiner Vormundschaft. Was die wissenschaftliche und moralische Erziehung meines Mündels betrifft, so habe ich vor allen Dingen durch Wort und Beispiel dahin zu ") In Netz in Mähren hatte der Vater des Neffen Geld ausstehen, das trotz langem Prozeß nicht eher zu erlangen war, bis Beethoven persönlich erschien.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/34>, abgerufen am 24.05.2024.