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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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besitzen -- datirt die Einbürgerung des "Nathan" auf der vaterländischen
Bühne.

Der nächstfolgende Brief Götter's führt eine Persönlichkeit ein, welche
auf lebhaftes Interesse Anspruch hat: den gewissenhaften, hochbegabten, aber
stets eigenwilligen Componisten Georg Benda. Dieser - hochberühmt
durch seine Musik zu den Melodramen "Ariadne auf Naxos" und "Medea".
zu welch' letzterem Götter den Text gedichtet hatte -- war nach Mannheim
gegangen, um seine Werke dort zu dirigiren. "Er meldet mir" schreibt Götter
den 5, März 1781 an Dalberg, "daß Sie von meinem fast vergessenen Ein¬
falle. Gozzi's "Raben" als Schauspiel mit Gesang zu bearbeiten, gehört
haben, daß Ihnen das Sujet gefällt, daß Sie mich zur Ausführung dieses
Gedankens aufmuntern und daß Er sogar aus Achtung und Freundschaft
gegen Sie sich zur Komposition des Stücks verbindlich gemacht hat.

Keinen überzeugendern Beweis Ihrer Gewalt über sein Herz konnte Ihnen
Benda geben, als eben dieses Versprechen; Er, der mit dem Theater auf
immer gebrochen zu haben schien und jede Aufforderung, diese Laufbahn seines
Ruhms noch einmal zu betreten, mit Unwillen verwarf. Ich danke Ihnen
im Namen aller, die seine Musik und das Theater lieben für die Entdeckung,
daß dieser Unwille nur cZSpit amoui-Lux war. Wie kann ich Ihnen besser
danken, als wenn ich mich zu der Arbeit verstehe, die Sie von mir verlangen?
ihr sollen meine heitersten Stunden im herannahenden Frühlinge gewidmet sein."

Die Arbeit kam aber nie zu Stande. Ein halbes Jahr später, am
28. Oetober 1781, schreibt Götter dem Reichsfreiherrn:

"Der Rabe, über dessen Empfängniß Sie mir ein so schmeichelhaftes
Kompliment gemacht haben, schlummert noch unter dem großen Haufen der
Embryonen, Benda's Zurückkunft würde ihn vielleicht ins Licht gerufen
haben, wenn der wunderbare Mann für die Menschen und nicht für die
Wälder wiedergekommen wäre. Glauben Sie wohl, daß ich ihn seitdem nur
ein einzigesmal, nur eine halbe Stunde gesehen habe und daß er bei der
trübsten unangenehmsten Jahreszeit von der Welt in einem von aller Gesell¬
schaft weit und breit entblößten Waldort steckt? Er arbeitet indessen an einer
Zweiten Reise nach Paris"), die vielleicht länger dauern dürfte, als die Erste.

Mit wahrem Vergnügen habe ich aus Euer Hochwohlgeb. letzten schätz-
baren Schreiben Ihre Zufriedenheit über den Fleiß und Fortgang in der
Kunst der dortigen Schauspieler ersehen. Ich hoffe, daß nun auch Madam
Rennschüb nicht die Letzte ist, das ihrige zur Vollkommenheit des ganzen bei¬
zutragen und nehme mir bei dieser Gelegenheit die Freiheit, sie Euer Hoch-



") Benda hatte auch dort, auf dem rdvatrs italisi", seine ins Französische übertragene
"Anatme" persönlich dirigirt -- ein Beweis, wie sehr man seine musikalischen Verdienste be¬
wunderte. Und wo hört man heute einen Ton von Benda?

besitzen — datirt die Einbürgerung des „Nathan" auf der vaterländischen
Bühne.

Der nächstfolgende Brief Götter's führt eine Persönlichkeit ein, welche
auf lebhaftes Interesse Anspruch hat: den gewissenhaften, hochbegabten, aber
stets eigenwilligen Componisten Georg Benda. Dieser - hochberühmt
durch seine Musik zu den Melodramen „Ariadne auf Naxos" und „Medea".
zu welch' letzterem Götter den Text gedichtet hatte — war nach Mannheim
gegangen, um seine Werke dort zu dirigiren. „Er meldet mir" schreibt Götter
den 5, März 1781 an Dalberg, „daß Sie von meinem fast vergessenen Ein¬
falle. Gozzi's „Raben" als Schauspiel mit Gesang zu bearbeiten, gehört
haben, daß Ihnen das Sujet gefällt, daß Sie mich zur Ausführung dieses
Gedankens aufmuntern und daß Er sogar aus Achtung und Freundschaft
gegen Sie sich zur Komposition des Stücks verbindlich gemacht hat.

Keinen überzeugendern Beweis Ihrer Gewalt über sein Herz konnte Ihnen
Benda geben, als eben dieses Versprechen; Er, der mit dem Theater auf
immer gebrochen zu haben schien und jede Aufforderung, diese Laufbahn seines
Ruhms noch einmal zu betreten, mit Unwillen verwarf. Ich danke Ihnen
im Namen aller, die seine Musik und das Theater lieben für die Entdeckung,
daß dieser Unwille nur cZSpit amoui-Lux war. Wie kann ich Ihnen besser
danken, als wenn ich mich zu der Arbeit verstehe, die Sie von mir verlangen?
ihr sollen meine heitersten Stunden im herannahenden Frühlinge gewidmet sein."

Die Arbeit kam aber nie zu Stande. Ein halbes Jahr später, am
28. Oetober 1781, schreibt Götter dem Reichsfreiherrn:

„Der Rabe, über dessen Empfängniß Sie mir ein so schmeichelhaftes
Kompliment gemacht haben, schlummert noch unter dem großen Haufen der
Embryonen, Benda's Zurückkunft würde ihn vielleicht ins Licht gerufen
haben, wenn der wunderbare Mann für die Menschen und nicht für die
Wälder wiedergekommen wäre. Glauben Sie wohl, daß ich ihn seitdem nur
ein einzigesmal, nur eine halbe Stunde gesehen habe und daß er bei der
trübsten unangenehmsten Jahreszeit von der Welt in einem von aller Gesell¬
schaft weit und breit entblößten Waldort steckt? Er arbeitet indessen an einer
Zweiten Reise nach Paris"), die vielleicht länger dauern dürfte, als die Erste.

Mit wahrem Vergnügen habe ich aus Euer Hochwohlgeb. letzten schätz-
baren Schreiben Ihre Zufriedenheit über den Fleiß und Fortgang in der
Kunst der dortigen Schauspieler ersehen. Ich hoffe, daß nun auch Madam
Rennschüb nicht die Letzte ist, das ihrige zur Vollkommenheit des ganzen bei¬
zutragen und nehme mir bei dieser Gelegenheit die Freiheit, sie Euer Hoch-



") Benda hatte auch dort, auf dem rdvatrs italisi», seine ins Französische übertragene
„Anatme" persönlich dirigirt — ein Beweis, wie sehr man seine musikalischen Verdienste be¬
wunderte. Und wo hört man heute einen Ton von Benda?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/49>, abgerufen am 19.05.2024.