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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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wohlgeb. vorzüglichen Protektion und Gewogenheit in der Ueberzeugung zu
empfehlen, daß sie sich derselben auch durch ihr Benehmen außer dem Theater
nicht unwürdig machen wird. Wenigstens, dacht ich, müßte jetzt, nach dem
Abgang von zwei eben so sehr wegen ihrer Heftigkeit als wegen ihres Talents
berühmten Aktrizen, in den dortigen Foyers eine ganz ungewohnte Windstille
herrschen."

Das Ehepaar Rennschüb (eigentlich Büchner) war im Juni 1781 in den
Verband der Mannheimer Bühne eingetreten; die Frau hatte in Götter's
"Marianne" debütirt. Die beiden "eben so sehr wegen ihrer Heftigkeit, als
wegen ihres Talentes berühmten Aktrizen" sind Friederike Sophie Seyler,
verehelicht gewesene Hensel, geb. Sparmann (geb. am 23. Mai 1753 zu Dresden,
geht. am 22. Novbr. 1789 zu Schleswig), und Esther Charlotte Brandes,
geb. Koch, die sich mit einander so wenig vertragen konnten, daß die Familie
Brandes ihre Entlassung einreichte, während dem Ehepaar Seyler gekündigt
wurde. Beide Parteien verließen Mannheim im März bezw. April 1781.

Götter's nächster Brief (vom 24. März 1782) scheint auf einen Besuch
hinzudeuten, den er von Beck, Beil und Jffland empfangen hat. Höchst
interessant ist auch, was über die am 13. Januar 1782 zuerst aufgeführten
"Räuber" gesagt wird:

"Wie soll ich Euer Hochwohlgeb. meine ganze Dankbarkeit für das un¬
endliche Vergnügen ausdrücken, dessen erste Quelle Ihre Güte ist. Ich habe
beim Wiedersehen meiner jungen Freunde und zum Theil Zöglinge, allen
Stolz, alle Freude eines Vaters an wohlgerathenen Kindern empfunden; Ihre
sittliche Vervollkommnung ist eben so sichtbar, als die redenden Beweise ihrer
Gesundheit und Zufriedenheit, und auch von dem mächtigen Fortschreiten in
ihrer Kunst habe ich das Vergnügen gehabt, mich beim Repetiren einiger
Scenen durch Augen und Ohren zu überzeugen.

Euer Hochwohlgeb. allein gebührt der Ruhm, eines der besten Theater
Deutschlands gegründet und zu dem Gipfel von Vorzüglichkeit erhoben zu
haben, auf welchem es steht. Ihr Eifer, mit der billigsten, nachsichtigsten
Behandlungsart verbunden, hat die schlummernden Talente der jungen Leute
aufgeweckt, Ihre Kenntniß hat sie auf dem Wege der Natur und Wahrheit
bis jetzt geleitet und erhalten.

Die "Räuber" aufzuführen war ein kühnes Unternehmen, vielleicht nur
in Mannheim möglich. Ich wünsche den Schauspielern zu der Probe Glück,
welche sie bei dieser Gelegenheit bestanden haben. Von Island aus die übrigen
zu schließen, behält das Stück in der Gattung des Schrecklichen den Preis.
Aber der Himmel bewahre uns vor mehr Stücken dieser Gat¬
tung!"

Den Schluß des Briefes bildet ein sehr abfälliges Urtheil Götter's über


wohlgeb. vorzüglichen Protektion und Gewogenheit in der Ueberzeugung zu
empfehlen, daß sie sich derselben auch durch ihr Benehmen außer dem Theater
nicht unwürdig machen wird. Wenigstens, dacht ich, müßte jetzt, nach dem
Abgang von zwei eben so sehr wegen ihrer Heftigkeit als wegen ihres Talents
berühmten Aktrizen, in den dortigen Foyers eine ganz ungewohnte Windstille
herrschen."

Das Ehepaar Rennschüb (eigentlich Büchner) war im Juni 1781 in den
Verband der Mannheimer Bühne eingetreten; die Frau hatte in Götter's
„Marianne" debütirt. Die beiden „eben so sehr wegen ihrer Heftigkeit, als
wegen ihres Talentes berühmten Aktrizen" sind Friederike Sophie Seyler,
verehelicht gewesene Hensel, geb. Sparmann (geb. am 23. Mai 1753 zu Dresden,
geht. am 22. Novbr. 1789 zu Schleswig), und Esther Charlotte Brandes,
geb. Koch, die sich mit einander so wenig vertragen konnten, daß die Familie
Brandes ihre Entlassung einreichte, während dem Ehepaar Seyler gekündigt
wurde. Beide Parteien verließen Mannheim im März bezw. April 1781.

Götter's nächster Brief (vom 24. März 1782) scheint auf einen Besuch
hinzudeuten, den er von Beck, Beil und Jffland empfangen hat. Höchst
interessant ist auch, was über die am 13. Januar 1782 zuerst aufgeführten
„Räuber" gesagt wird:

„Wie soll ich Euer Hochwohlgeb. meine ganze Dankbarkeit für das un¬
endliche Vergnügen ausdrücken, dessen erste Quelle Ihre Güte ist. Ich habe
beim Wiedersehen meiner jungen Freunde und zum Theil Zöglinge, allen
Stolz, alle Freude eines Vaters an wohlgerathenen Kindern empfunden; Ihre
sittliche Vervollkommnung ist eben so sichtbar, als die redenden Beweise ihrer
Gesundheit und Zufriedenheit, und auch von dem mächtigen Fortschreiten in
ihrer Kunst habe ich das Vergnügen gehabt, mich beim Repetiren einiger
Scenen durch Augen und Ohren zu überzeugen.

Euer Hochwohlgeb. allein gebührt der Ruhm, eines der besten Theater
Deutschlands gegründet und zu dem Gipfel von Vorzüglichkeit erhoben zu
haben, auf welchem es steht. Ihr Eifer, mit der billigsten, nachsichtigsten
Behandlungsart verbunden, hat die schlummernden Talente der jungen Leute
aufgeweckt, Ihre Kenntniß hat sie auf dem Wege der Natur und Wahrheit
bis jetzt geleitet und erhalten.

Die „Räuber" aufzuführen war ein kühnes Unternehmen, vielleicht nur
in Mannheim möglich. Ich wünsche den Schauspielern zu der Probe Glück,
welche sie bei dieser Gelegenheit bestanden haben. Von Island aus die übrigen
zu schließen, behält das Stück in der Gattung des Schrecklichen den Preis.
Aber der Himmel bewahre uns vor mehr Stücken dieser Gat¬
tung!"

Den Schluß des Briefes bildet ein sehr abfälliges Urtheil Götter's über


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/50>, abgerufen am 29.05.2024.