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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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wird, daß die Finanzminister der beiden Länder gar keine Anstalten getroffen
haben, die Wiederherstellung der Valuta auch nur in ihrer gesetzlichen Vor¬
bereitung in Angriff zu nehmen, und da bis zum Herbste die Sache sich noch
immer im Stadium der Gährung befindet, so kann es bet dem hohen Interesse,
welches die deutschen Besitzer österreichischer Werthpapiere an dem Gedeihen
des Nachbarstaates haben, nur zeitgemäß und zweckmäßig sein, die Sache auch
unsererseits einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Wir können in der
That unser Erstaunen nicht verhehlen, daß angesichts der Umwälzung, in
welche der internationale Geldmarkt durch das Fallen des Silberpreises ge¬
worfen zu werden droht, die Regierungen von Oesterreich-Ungarn bet Staats¬
unterhandlungen, welche die Zustände für das nächste Jahrzehnt feststellen
sollen, die Frage der Valuta vollständig unberührt gelassen haben, obgleich
die öffentliche Meinung im höchsten Grade bewegt und der österreichische Credit
grade in den letzten Monaten durch jenes Ereigniß auf das Tiefste erschüttert
worden ist. Der Preis des Silbers ist nämlich in dem ersten Quartal dieses
Jahres auf einen Standpunkt herabgesunken, den er, soweit die geschichtlichen
Ueberlieferungen reichen, noch niemals eingenommen hat. Vor der Entdeckung
von Amerika stand das Verhältniß des Silbers zum Gold wie 1:10 bis 1:12.
Nach der Entdeckung der Silberminen von Potosi sank es bis auf 1:16;
allein in dem darauffolgenden Jahrhundert stellte es sich wieder auf 1:13
bis 1: 14, um von der Mitte des vorigen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts
auf dem Standpunkt von ungefähr 1:16^ stehen zu bleiben. Nach der
Entdeckung der californischen und australischen Goldminen änderte sich das
Verhältniß in Folge starken Einströmens des Goldes wieder etwas zu Gunsten
des Silbers und dieses stieg von dem Preis von 60 ^ Pence per Unze fein
Silber, welches dem Werthverhältniß von 1: 15^ ungefähr entspricht von
dem Jahre 1863 -- 1863 aus die durchschnittliche Höhe von 61 ^ Pence.
kam 1869 -- 60 auf die Höhe von 62 ^. sank aber dann wieder auf 61 ^,
und 1866 auf 60^2 herab, auf welchem Stande es bis 1872 blieb. Von
dem Jahr 1873 an aber begann mit dem Anfang der deutschen Münzreform
und der größeren Ausbeute der Silberminen in den westlichen Staaten
Amerikas diese rückgängige Preisbewegung ganz unerhörte Dimensionen an¬
zunehmen und in viel kürzeren Zeiträumen als je vorher zu schwanken.
Der Preis fiel im Jahre 1873 auf durchschnittlich 59 V" Pence, in der ersten
Hälfte des Jahres 1874 auf 68 '/s. in der zweiten Hälfte 1874 bis in die
erste Hälfte von 1876 auf 57-/2. in der zweiten Hälfte von 1876 auf 56^,
in der Mitte Januar 1876 auf 55 ^2. in der Mitte Februar auf 64 und
schon 14 Tage daraus am 4. März auf 62 ^2, wodurch das Werthverhältniß
vom Silber zum Gold auf 1: 18 verändert wurde und steht jetzt immer noch
auf 63^2- In Folge dieses eine wahre Umwälzung nach sich ziehenden


wird, daß die Finanzminister der beiden Länder gar keine Anstalten getroffen
haben, die Wiederherstellung der Valuta auch nur in ihrer gesetzlichen Vor¬
bereitung in Angriff zu nehmen, und da bis zum Herbste die Sache sich noch
immer im Stadium der Gährung befindet, so kann es bet dem hohen Interesse,
welches die deutschen Besitzer österreichischer Werthpapiere an dem Gedeihen
des Nachbarstaates haben, nur zeitgemäß und zweckmäßig sein, die Sache auch
unsererseits einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Wir können in der
That unser Erstaunen nicht verhehlen, daß angesichts der Umwälzung, in
welche der internationale Geldmarkt durch das Fallen des Silberpreises ge¬
worfen zu werden droht, die Regierungen von Oesterreich-Ungarn bet Staats¬
unterhandlungen, welche die Zustände für das nächste Jahrzehnt feststellen
sollen, die Frage der Valuta vollständig unberührt gelassen haben, obgleich
die öffentliche Meinung im höchsten Grade bewegt und der österreichische Credit
grade in den letzten Monaten durch jenes Ereigniß auf das Tiefste erschüttert
worden ist. Der Preis des Silbers ist nämlich in dem ersten Quartal dieses
Jahres auf einen Standpunkt herabgesunken, den er, soweit die geschichtlichen
Ueberlieferungen reichen, noch niemals eingenommen hat. Vor der Entdeckung
von Amerika stand das Verhältniß des Silbers zum Gold wie 1:10 bis 1:12.
Nach der Entdeckung der Silberminen von Potosi sank es bis auf 1:16;
allein in dem darauffolgenden Jahrhundert stellte es sich wieder auf 1:13
bis 1: 14, um von der Mitte des vorigen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts
auf dem Standpunkt von ungefähr 1:16^ stehen zu bleiben. Nach der
Entdeckung der californischen und australischen Goldminen änderte sich das
Verhältniß in Folge starken Einströmens des Goldes wieder etwas zu Gunsten
des Silbers und dieses stieg von dem Preis von 60 ^ Pence per Unze fein
Silber, welches dem Werthverhältniß von 1: 15^ ungefähr entspricht von
dem Jahre 1863 — 1863 aus die durchschnittliche Höhe von 61 ^ Pence.
kam 1869 — 60 auf die Höhe von 62 ^. sank aber dann wieder auf 61 ^,
und 1866 auf 60^2 herab, auf welchem Stande es bis 1872 blieb. Von
dem Jahr 1873 an aber begann mit dem Anfang der deutschen Münzreform
und der größeren Ausbeute der Silberminen in den westlichen Staaten
Amerikas diese rückgängige Preisbewegung ganz unerhörte Dimensionen an¬
zunehmen und in viel kürzeren Zeiträumen als je vorher zu schwanken.
Der Preis fiel im Jahre 1873 auf durchschnittlich 59 V« Pence, in der ersten
Hälfte des Jahres 1874 auf 68 '/s. in der zweiten Hälfte 1874 bis in die
erste Hälfte von 1876 auf 57-/2. in der zweiten Hälfte von 1876 auf 56^,
in der Mitte Januar 1876 auf 55 ^2. in der Mitte Februar auf 64 und
schon 14 Tage daraus am 4. März auf 62 ^2, wodurch das Werthverhältniß
vom Silber zum Gold auf 1: 18 verändert wurde und steht jetzt immer noch
auf 63^2- In Folge dieses eine wahre Umwälzung nach sich ziehenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/10>, abgerufen am 27.04.2024.