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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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einen geborenen Holländer von Harlem, zog auch den Mathematiker Euler
heran und legte den zuständigen Behörden das Unternehmen ernstlich an das
Herz. Es ist bemerkenswerth, in wie eingehender, alle Einzelheiten genau
verfolgender Weise er sich persönlich darum kümmerte, wie er selbst den Tage¬
lohn der Arbeiter controlirte, wie er aber auch thörichtes und eigensüchtiges
Widerstreben der Bewohner der Fischerdörfer nicht duldete. Fast täglich
anfeuernde, ausgleichende, leitende Cabinetsordres, deren Stil nicht selten
charakteristisch ist. Einmal verweist er den beiden Kriegs- und Domänen¬
kammern der Neumark und Kurmark die unziemliche Art ihrer Correspondenz
folgendermassen: "Es wird euch die in eurem Bericht enthaltene
ungebührliche Schreibart hierdurch verwiesen; es sollen die
Ovllvgia die in Unsern Dienst nöthige Lorrespouäviiek mit
Bescheidenheit machen, nicht aber mit empfindlichen, sondern
mit höfflichen und zur Sache dienenden Expression mit ein¬
ander führen; am allermeisten aber sollen sie ihre Berichte
nicht mit unnützer vritigue, sondern mit resveetueuseu reg,-
knuten abfassen." In seiner Ungeduld verlangte er freilich schon 176l
Früchte seiner Arbeit zu sehen; aber erst 1763, also nach einem siebenjährigen
Kriege mit den Elementen, reiften diese, nachdem sowohl der Oder ein neues
Bett gegraben, wie auch eine 11 Meilen lange Umwallung hergestellt und
überdem ein Binnen-Kanalsystem angelegt war. Jetzt konnte er in Wahrheit
sagen "hier ist ein Fürstenthum im Frieden erobert", denn als nun die Ur¬
barmachung in Vollzug gesetzt ward, fand sich Raum für 40 Dörfer und
für die Ansiedlung von 1200 Familien. Die Kosten des ganzen Werkes nahm
er zum größten Theile auf die Staatskasse. Auch erlahmte seine Thätigkeit
in späteren Jahren nicht, als dennoch ab und zu Deichbrüche entstanden, ja
die letzte Verfügung für das Oderbruch, datirt vom 11. August 1786, ist also
am 6. Tage vor seinem Tode abgefaßt und betrifft die Frage, ob ein Holz¬
händler in Birnbaum seine Erklärungen über eine Lieferung für die Wasser¬
schäden an der Oder abgegeben habe. Nicht unwahrscheinlich ist, daß das
Interesse des Königs für diese Gegend sich an die Jugenderinnerung seines
Küstriner Aufenthaltes knüpfte; andererseits erleichterte ihm aber die volle
Kenntniß des Terrains auch seine raschen Entschlüsse zu dem Oderübergange
vor der Schlacht von Zorndorf.

Etwas längere Zeit nahm die Eindeichung der Warthe, von Landsberg
bis Sonnenburg, in Anspruch. Der König hatte den Plan seines trefflichen
landwirtschaftlichen Gehülfen, des Geheimen Rathes von Brenkenhoff, dem
des wasserbauverständigen Obersten v. Petri, welcher bereits die Nivellements
an der Oder gefertigt hatte, vorgezogen, weil er billiger war, mußte dann
aber seine unzeitige Sparsamkeit durch schwere Geldopfer büßen. Doch ist


einen geborenen Holländer von Harlem, zog auch den Mathematiker Euler
heran und legte den zuständigen Behörden das Unternehmen ernstlich an das
Herz. Es ist bemerkenswerth, in wie eingehender, alle Einzelheiten genau
verfolgender Weise er sich persönlich darum kümmerte, wie er selbst den Tage¬
lohn der Arbeiter controlirte, wie er aber auch thörichtes und eigensüchtiges
Widerstreben der Bewohner der Fischerdörfer nicht duldete. Fast täglich
anfeuernde, ausgleichende, leitende Cabinetsordres, deren Stil nicht selten
charakteristisch ist. Einmal verweist er den beiden Kriegs- und Domänen¬
kammern der Neumark und Kurmark die unziemliche Art ihrer Correspondenz
folgendermassen: „Es wird euch die in eurem Bericht enthaltene
ungebührliche Schreibart hierdurch verwiesen; es sollen die
Ovllvgia die in Unsern Dienst nöthige Lorrespouäviiek mit
Bescheidenheit machen, nicht aber mit empfindlichen, sondern
mit höfflichen und zur Sache dienenden Expression mit ein¬
ander führen; am allermeisten aber sollen sie ihre Berichte
nicht mit unnützer vritigue, sondern mit resveetueuseu reg,-
knuten abfassen." In seiner Ungeduld verlangte er freilich schon 176l
Früchte seiner Arbeit zu sehen; aber erst 1763, also nach einem siebenjährigen
Kriege mit den Elementen, reiften diese, nachdem sowohl der Oder ein neues
Bett gegraben, wie auch eine 11 Meilen lange Umwallung hergestellt und
überdem ein Binnen-Kanalsystem angelegt war. Jetzt konnte er in Wahrheit
sagen „hier ist ein Fürstenthum im Frieden erobert", denn als nun die Ur¬
barmachung in Vollzug gesetzt ward, fand sich Raum für 40 Dörfer und
für die Ansiedlung von 1200 Familien. Die Kosten des ganzen Werkes nahm
er zum größten Theile auf die Staatskasse. Auch erlahmte seine Thätigkeit
in späteren Jahren nicht, als dennoch ab und zu Deichbrüche entstanden, ja
die letzte Verfügung für das Oderbruch, datirt vom 11. August 1786, ist also
am 6. Tage vor seinem Tode abgefaßt und betrifft die Frage, ob ein Holz¬
händler in Birnbaum seine Erklärungen über eine Lieferung für die Wasser¬
schäden an der Oder abgegeben habe. Nicht unwahrscheinlich ist, daß das
Interesse des Königs für diese Gegend sich an die Jugenderinnerung seines
Küstriner Aufenthaltes knüpfte; andererseits erleichterte ihm aber die volle
Kenntniß des Terrains auch seine raschen Entschlüsse zu dem Oderübergange
vor der Schlacht von Zorndorf.

Etwas längere Zeit nahm die Eindeichung der Warthe, von Landsberg
bis Sonnenburg, in Anspruch. Der König hatte den Plan seines trefflichen
landwirtschaftlichen Gehülfen, des Geheimen Rathes von Brenkenhoff, dem
des wasserbauverständigen Obersten v. Petri, welcher bereits die Nivellements
an der Oder gefertigt hatte, vorgezogen, weil er billiger war, mußte dann
aber seine unzeitige Sparsamkeit durch schwere Geldopfer büßen. Doch ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/101>, abgerufen am 19.05.2024.