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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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nicht mehr angegriffen werden konnte, Omer Pascha mußte sich infolge
dessen von Liwno nach Osten wenden, um die Linie am Wrbas zu nehmen.

Ali Keditsch war jetzt das erklärte Haupt der Jnsurrection und trat
nun auch in dieser Eigenschaft auf. Er setzte in der Krajna Behörden ab
und ein und erließ ein zweites Aufgebot zur Stellung von Streitern für die
böhmische Freiheit, die er jetzt deutlich als Ziel des Kampfes bezeichnete, wenn
er in Banjaluka in einer Ansprache an seine Truppen sagte, "sie möchten sich
auf einen Kampf vorbereiten, wie ihn Bosnien noch nicht gesehen; denn er
werde die Waffen nicht eher niederlegen, als bis sein Volk von der Tyrannei
des Dschaur-Sultans befreit sei." Es war das erste Mal, daß ein Führer
öffentlich dieß als letztes Ziel des Aufstandes aussprach, und es wurde von
den Schaaren der Insurgenten nicht nur ohne Widerspruch angehört, sondern
sie nahmen diese Verkündigung sogar mit der höchsten Begeisterung auf.
"Die Bosra soll frei werden", riefen sie, "und wenn darüber auch der letzte
Mann von uns zu Grunde geht." Allein ihre Leistungen entsprachen ihren
tapfern Worten nicht. Allerdings waren sie muthige Kämpfer, aber die
Kriegskunst ihrer Führer konnte sich der des Muschirs gegenüber nicht im
Felde halten. Am 18. März war dieser mit ungefähr 7000 Mann regulären
Soldaten bei Jaiza, dem Schlüssel zu der Linie am Wrbas, angelangt. Sein
Unterbefehlshaber Derwisch Pascha schlug bei dem Dorfe Gut Hassar einen
starken Haufen von Insurgenten, und am 22. erstürmte der Seraskier selbst
die Position von Jaiza, worauf die Aufständischen die Stellung am Wrbas
räumen mußten. Bald nachher wurde auch Banjaluka eingenommen. In
der eigentlichen Krajna hielten sich die Insurgenten noch einige Wochen, aber
zuletzt siegte Omer Pascha auch hier über alle Hindernisse, und der Wider¬
stand hatte ein Ende.

Trotzdem hatte der Muschir noch geraume Zeit eine ziemlich schwierige
Stellung. Da er in den eroberten Positionen keine starken Besatzungen zu¬
rücklassen konnte, war er nie sicher, daß der Aufstand nicht hinter seinem Rücken
wieder aufbrannte; denn so lange die Pforte auf der Bahn der oben bezeich¬
neten Reformen blieb, hatte sie an den böhmischen Muslimen stets entschiedene
und kampfbereite Gegner, die jeder Ablenkung der Truppenmacht des Sultans
nach andern Gegenden hin zu benutzen entschlossen waren. So war es ja fast
in allen Provinzen des Reiches, und so ist es noch heute. Sie werden bei¬
nahe durchgehends nur durch die Gewalt zusammengehalten, und nicht blos
die Christen, sondern auch die Muhamedaner streben, wenn man von Klein¬
asien absieht, nach Unabhängigkeit von Konstantwopel. Solche Zustände
erfordern aber eine starke Armee, und deren Erhaltung und Verwendung
verlangt wieder unerschwingliche Geldsummen.

Die Raja hat sich bei diesem Aufstande nicht betheiligt. Dennoch thaten


nicht mehr angegriffen werden konnte, Omer Pascha mußte sich infolge
dessen von Liwno nach Osten wenden, um die Linie am Wrbas zu nehmen.

Ali Keditsch war jetzt das erklärte Haupt der Jnsurrection und trat
nun auch in dieser Eigenschaft auf. Er setzte in der Krajna Behörden ab
und ein und erließ ein zweites Aufgebot zur Stellung von Streitern für die
böhmische Freiheit, die er jetzt deutlich als Ziel des Kampfes bezeichnete, wenn
er in Banjaluka in einer Ansprache an seine Truppen sagte, „sie möchten sich
auf einen Kampf vorbereiten, wie ihn Bosnien noch nicht gesehen; denn er
werde die Waffen nicht eher niederlegen, als bis sein Volk von der Tyrannei
des Dschaur-Sultans befreit sei." Es war das erste Mal, daß ein Führer
öffentlich dieß als letztes Ziel des Aufstandes aussprach, und es wurde von
den Schaaren der Insurgenten nicht nur ohne Widerspruch angehört, sondern
sie nahmen diese Verkündigung sogar mit der höchsten Begeisterung auf.
„Die Bosra soll frei werden", riefen sie, „und wenn darüber auch der letzte
Mann von uns zu Grunde geht." Allein ihre Leistungen entsprachen ihren
tapfern Worten nicht. Allerdings waren sie muthige Kämpfer, aber die
Kriegskunst ihrer Führer konnte sich der des Muschirs gegenüber nicht im
Felde halten. Am 18. März war dieser mit ungefähr 7000 Mann regulären
Soldaten bei Jaiza, dem Schlüssel zu der Linie am Wrbas, angelangt. Sein
Unterbefehlshaber Derwisch Pascha schlug bei dem Dorfe Gut Hassar einen
starken Haufen von Insurgenten, und am 22. erstürmte der Seraskier selbst
die Position von Jaiza, worauf die Aufständischen die Stellung am Wrbas
räumen mußten. Bald nachher wurde auch Banjaluka eingenommen. In
der eigentlichen Krajna hielten sich die Insurgenten noch einige Wochen, aber
zuletzt siegte Omer Pascha auch hier über alle Hindernisse, und der Wider¬
stand hatte ein Ende.

Trotzdem hatte der Muschir noch geraume Zeit eine ziemlich schwierige
Stellung. Da er in den eroberten Positionen keine starken Besatzungen zu¬
rücklassen konnte, war er nie sicher, daß der Aufstand nicht hinter seinem Rücken
wieder aufbrannte; denn so lange die Pforte auf der Bahn der oben bezeich¬
neten Reformen blieb, hatte sie an den böhmischen Muslimen stets entschiedene
und kampfbereite Gegner, die jeder Ablenkung der Truppenmacht des Sultans
nach andern Gegenden hin zu benutzen entschlossen waren. So war es ja fast
in allen Provinzen des Reiches, und so ist es noch heute. Sie werden bei¬
nahe durchgehends nur durch die Gewalt zusammengehalten, und nicht blos
die Christen, sondern auch die Muhamedaner streben, wenn man von Klein¬
asien absieht, nach Unabhängigkeit von Konstantwopel. Solche Zustände
erfordern aber eine starke Armee, und deren Erhaltung und Verwendung
verlangt wieder unerschwingliche Geldsummen.

Die Raja hat sich bei diesem Aufstande nicht betheiligt. Dennoch thaten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/111>, abgerufen am 19.05.2024.