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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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unter der Führung von Karl Schurz, Dana u. A. niemals weder für Blaine,
noch für Morton, noch für Conkling gestimmt haben. Anders war dies mit
Hayes, dessen Privatcharakter rein und der nach keiner Seite hin compro-
mittirt ist. Bezeichnend ist, was nach der Niederlage des ebenso warm ver¬
theidigten, wie bitter gehaßten Blaine und vor dem Zusammentreten der
demokratischen Nationalconvention in Se. Louis die liberal-demokratische
"New-Uorker Staatszeitung" schrieb; sie äußerte sich in Bezug auf das
Resultat der republikanischen Nationaleonvention zu Cincinnati u. A. also:
"In Hinsicht auf die große Gefahr, welche der republikanischen Partei durch
Blaine's Nomination drohte, mögen alle Diejenigen, welche an dieser Partei
festzuhalten gedenken, erleichtert aufgeathmet haben, als sie die Nomination
von Hayes erfuhren. Bei der Heftigkeit, mit welcher der Kampf Seitens
Blaine's und seiner Anhänger geführt wurde, ist allerdings anzunehmen, daß
bei jenem eine sehr bittere Stimmung zurückbleibt; aber die amerikanischen
Politiker sind daran gewöhnt, solche Pillen hinunterzuwürgen, und sobald
die Blaine-Leute nüchtern geworden sind, müssen sie einsehen, daß die Nomi¬
nation von Hayes für die Partei bessere Aussichten eröffnet. Hayes ist poli¬
tisch sehr unbedeutend, aber er ist persönlich rein und die Partei wird an ihm
nichts zu vertheidigen haben, als eben seine Unbedeutendheit. Er ist weder
mit der Grant'schen Administration, noch mit den Sünden und Mißgriffen
der republikanischen Congresse in einer Weise identificirt, daß man ihn per¬
sönlich mehr dafür verantwortlich machen könnte, als irgend einen republi¬
kanischen Hinz oder Kunz. Auf der andern Seite ist er aber auch durchaus
kein Mann, von dem man erwarten könnte, daß er dem Reform-Gedanken
genügenden Ausdruck zu geben vermöchte. Das Schicksal von Hayes und
der republikanischen Partei wird in Se. Louis entschieden werden. Die
Demokratie hat -- dies möge sie sich gesagt sein lassen -- jetzt jedenfalls
eine viel schwierigere Aufgabe, als sie gehabt hätte, falls Blaine, Morton
oder Conkling in Cincinnati nominirt worden wären. Die Parteivorurtheile
der Republikaner wären durch die Demokraten viel leichtet zu überwinden ge¬
wesen, wenn es sich um einen so ausgesprochenen Repräsentanten der Cor-
ruption und Mißregierung gehandelt hätte, wie die oben genannten drei
Persönlichkeiten es sind. Um die Stimmen von Hayes abzuziehen, muß die
Demokratie viel besser dastehen, als es nothwendig gewesen wäre, um sie von
Blaine, Morton und Conkling abzuziehen."

Aehnliche Erwägungen herrschten denn auch in der demokratischen Na¬
tionaleonvention in Se. Louis am 27 Juni d. I. vor. Schon beim zweiten
Mahlgange erhielt der beste und stärkste der demokratischen Prästdentschafts-
candidaten, Gouverneur Samuel I. Tilden von New-Uork die nach
demokratischen Gebrauche erforderliche Zweidrittelmajorität zur Nomination


unter der Führung von Karl Schurz, Dana u. A. niemals weder für Blaine,
noch für Morton, noch für Conkling gestimmt haben. Anders war dies mit
Hayes, dessen Privatcharakter rein und der nach keiner Seite hin compro-
mittirt ist. Bezeichnend ist, was nach der Niederlage des ebenso warm ver¬
theidigten, wie bitter gehaßten Blaine und vor dem Zusammentreten der
demokratischen Nationalconvention in Se. Louis die liberal-demokratische
„New-Uorker Staatszeitung" schrieb; sie äußerte sich in Bezug auf das
Resultat der republikanischen Nationaleonvention zu Cincinnati u. A. also:
„In Hinsicht auf die große Gefahr, welche der republikanischen Partei durch
Blaine's Nomination drohte, mögen alle Diejenigen, welche an dieser Partei
festzuhalten gedenken, erleichtert aufgeathmet haben, als sie die Nomination
von Hayes erfuhren. Bei der Heftigkeit, mit welcher der Kampf Seitens
Blaine's und seiner Anhänger geführt wurde, ist allerdings anzunehmen, daß
bei jenem eine sehr bittere Stimmung zurückbleibt; aber die amerikanischen
Politiker sind daran gewöhnt, solche Pillen hinunterzuwürgen, und sobald
die Blaine-Leute nüchtern geworden sind, müssen sie einsehen, daß die Nomi¬
nation von Hayes für die Partei bessere Aussichten eröffnet. Hayes ist poli¬
tisch sehr unbedeutend, aber er ist persönlich rein und die Partei wird an ihm
nichts zu vertheidigen haben, als eben seine Unbedeutendheit. Er ist weder
mit der Grant'schen Administration, noch mit den Sünden und Mißgriffen
der republikanischen Congresse in einer Weise identificirt, daß man ihn per¬
sönlich mehr dafür verantwortlich machen könnte, als irgend einen republi¬
kanischen Hinz oder Kunz. Auf der andern Seite ist er aber auch durchaus
kein Mann, von dem man erwarten könnte, daß er dem Reform-Gedanken
genügenden Ausdruck zu geben vermöchte. Das Schicksal von Hayes und
der republikanischen Partei wird in Se. Louis entschieden werden. Die
Demokratie hat — dies möge sie sich gesagt sein lassen — jetzt jedenfalls
eine viel schwierigere Aufgabe, als sie gehabt hätte, falls Blaine, Morton
oder Conkling in Cincinnati nominirt worden wären. Die Parteivorurtheile
der Republikaner wären durch die Demokraten viel leichtet zu überwinden ge¬
wesen, wenn es sich um einen so ausgesprochenen Repräsentanten der Cor-
ruption und Mißregierung gehandelt hätte, wie die oben genannten drei
Persönlichkeiten es sind. Um die Stimmen von Hayes abzuziehen, muß die
Demokratie viel besser dastehen, als es nothwendig gewesen wäre, um sie von
Blaine, Morton und Conkling abzuziehen."

Aehnliche Erwägungen herrschten denn auch in der demokratischen Na¬
tionaleonvention in Se. Louis am 27 Juni d. I. vor. Schon beim zweiten
Mahlgange erhielt der beste und stärkste der demokratischen Prästdentschafts-
candidaten, Gouverneur Samuel I. Tilden von New-Uork die nach
demokratischen Gebrauche erforderliche Zweidrittelmajorität zur Nomination


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[0116] unter der Führung von Karl Schurz, Dana u. A. niemals weder für Blaine, noch für Morton, noch für Conkling gestimmt haben. Anders war dies mit Hayes, dessen Privatcharakter rein und der nach keiner Seite hin compro- mittirt ist. Bezeichnend ist, was nach der Niederlage des ebenso warm ver¬ theidigten, wie bitter gehaßten Blaine und vor dem Zusammentreten der demokratischen Nationalconvention in Se. Louis die liberal-demokratische „New-Uorker Staatszeitung" schrieb; sie äußerte sich in Bezug auf das Resultat der republikanischen Nationaleonvention zu Cincinnati u. A. also: „In Hinsicht auf die große Gefahr, welche der republikanischen Partei durch Blaine's Nomination drohte, mögen alle Diejenigen, welche an dieser Partei festzuhalten gedenken, erleichtert aufgeathmet haben, als sie die Nomination von Hayes erfuhren. Bei der Heftigkeit, mit welcher der Kampf Seitens Blaine's und seiner Anhänger geführt wurde, ist allerdings anzunehmen, daß bei jenem eine sehr bittere Stimmung zurückbleibt; aber die amerikanischen Politiker sind daran gewöhnt, solche Pillen hinunterzuwürgen, und sobald die Blaine-Leute nüchtern geworden sind, müssen sie einsehen, daß die Nomi¬ nation von Hayes für die Partei bessere Aussichten eröffnet. Hayes ist poli¬ tisch sehr unbedeutend, aber er ist persönlich rein und die Partei wird an ihm nichts zu vertheidigen haben, als eben seine Unbedeutendheit. Er ist weder mit der Grant'schen Administration, noch mit den Sünden und Mißgriffen der republikanischen Congresse in einer Weise identificirt, daß man ihn per¬ sönlich mehr dafür verantwortlich machen könnte, als irgend einen republi¬ kanischen Hinz oder Kunz. Auf der andern Seite ist er aber auch durchaus kein Mann, von dem man erwarten könnte, daß er dem Reform-Gedanken genügenden Ausdruck zu geben vermöchte. Das Schicksal von Hayes und der republikanischen Partei wird in Se. Louis entschieden werden. Die Demokratie hat — dies möge sie sich gesagt sein lassen — jetzt jedenfalls eine viel schwierigere Aufgabe, als sie gehabt hätte, falls Blaine, Morton oder Conkling in Cincinnati nominirt worden wären. Die Parteivorurtheile der Republikaner wären durch die Demokraten viel leichtet zu überwinden ge¬ wesen, wenn es sich um einen so ausgesprochenen Repräsentanten der Cor- ruption und Mißregierung gehandelt hätte, wie die oben genannten drei Persönlichkeiten es sind. Um die Stimmen von Hayes abzuziehen, muß die Demokratie viel besser dastehen, als es nothwendig gewesen wäre, um sie von Blaine, Morton und Conkling abzuziehen." Aehnliche Erwägungen herrschten denn auch in der demokratischen Na¬ tionaleonvention in Se. Louis am 27 Juni d. I. vor. Schon beim zweiten Mahlgange erhielt der beste und stärkste der demokratischen Prästdentschafts- candidaten, Gouverneur Samuel I. Tilden von New-Uork die nach demokratischen Gebrauche erforderliche Zweidrittelmajorität zur Nomination

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/116>, abgerufen am 18.05.2024.