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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Schulden kommen ließe, für reif zum akademischen Studium erklären würde.
-- Wir bitten den Leser, uns einige Schritte auf einem schweren Gange zu
begleiten. Als Führer für die griechische Geschichte empfiehlt der Ver¬
fasser Curtius, mit einem verächtlichen Seitenblicke auf Grote und Mitford:
hat er dort bei Curtius vielleicht den wunderbaren Aufschluß über das Theater
der perikleischen Zeit gefunden S. 269: "Abends öffnete sich das Theater, in
das die ganze Stadt, nachdem das Eintrittsgeld aufgehoben und aus der
öffentlichen Kasse bezahlt wurde, mit dem lebhaftesten Interesse strömte?"
oder S. 249. "Sparta blieb zu allen Zeiten barbarisch, die Spartaner zu
allen Zeiten Räuber und Betrüger, die in ihrem nationalen Leben nicht
einen lobenswerthen Zug zeigen." S. 237 "einen nationalen Charakter
haben die Griechen nie gehabt:" S. 271 "noch schlimmer als den Meester
erging es den Periöken, den Nachkommen der einheimischen von den
Hellenen überwundenen Bevölkerung;" S. 273 "da die Griechen in der ältesten
Zeit auch das Fleisch der Besiegten verspeisten, so klingen Menschenopfer gar
nicht unglaublich:" wie sie denn auch S. 456 "der germanischen Mythologie nicht
fremd" sind. S. 232: "die Anfänge der ionischen Schule" (Thales, Ana-
ximander 610--246 v. Chr. heißt es mit einem der zahllosen Druckfehler in
diesem unglaublich liederlich corrigirten Buch) "sind geradezu kindisch und
beginnen" (diese Anfänge nämlich) "mit der Einführung von ein paar Volks-
thümlichen Irrthümern von Aegypten". S. 272 lesen wir den erstaunlichen
Satz: "Die Spartaner verhalten sich zum jonischen Hellas wie etwa die Römer
zur Entwicklung Gesammtgriechenlands:" was wir ebenso wenig verstehen,
als hoffentlich der Verfasser selbst. Daß es in den Perserkriegen die Cultur
war, "die da besiegt wird," begreifen wir nach den Vorstellungen, die H. v.
H. sich von Cultur zurecht gemacht hat, vollkommen. Von der griechischen
Literatur scheint er nicht viel zu halten, da er von den Tragikern z. B., die be¬
kanntlich auftauchten, als die Cultur in den Perserkriegen besiegt war, überhaupt
nicht spricht, wir auch aus dem fatalen Umstand, daß so oft der Verfasser grie¬
chisch cedirt, jedesmal ein uncorrigirter Druckfehler sich einstellt, keine optimistische
Ansicht von seiner Kenntniß der griechischen Sprache haben gewinnen können.
S. 128, 146 z. B,: auch nimmt er sich weder philan tropische Schwärmer
(271) noch ein Stygma (281) weder Bythinien noch Neophiten noch
Koriphäen noch die peripathetisch e Schule noch Psephismen übel. Wer
oder was die Dicterions sind, in welchen die Hetären gehalten wurden (S.245),
würden wir zu erfahren neugierig sein, da uns die sämmtlichen Handbücher der
Alterthumskunde dabei im Stiche lassen: sollte vielleicht in Platon's Timäus
Vol. III. S. 20--25, oder bei Diodor. Sie. III. oder Ammianus Marcellinus 1.17
(so citirt der Verfasser S. 197) etwas darüber zu finden sein? S. 253 wird
eine Schilderung der Zustände Griechenlands zu Anfang der Perserkriege ge-


Schulden kommen ließe, für reif zum akademischen Studium erklären würde.
— Wir bitten den Leser, uns einige Schritte auf einem schweren Gange zu
begleiten. Als Führer für die griechische Geschichte empfiehlt der Ver¬
fasser Curtius, mit einem verächtlichen Seitenblicke auf Grote und Mitford:
hat er dort bei Curtius vielleicht den wunderbaren Aufschluß über das Theater
der perikleischen Zeit gefunden S. 269: „Abends öffnete sich das Theater, in
das die ganze Stadt, nachdem das Eintrittsgeld aufgehoben und aus der
öffentlichen Kasse bezahlt wurde, mit dem lebhaftesten Interesse strömte?"
oder S. 249. „Sparta blieb zu allen Zeiten barbarisch, die Spartaner zu
allen Zeiten Räuber und Betrüger, die in ihrem nationalen Leben nicht
einen lobenswerthen Zug zeigen." S. 237 „einen nationalen Charakter
haben die Griechen nie gehabt:" S. 271 „noch schlimmer als den Meester
erging es den Periöken, den Nachkommen der einheimischen von den
Hellenen überwundenen Bevölkerung;" S. 273 „da die Griechen in der ältesten
Zeit auch das Fleisch der Besiegten verspeisten, so klingen Menschenopfer gar
nicht unglaublich:" wie sie denn auch S. 456 „der germanischen Mythologie nicht
fremd" sind. S. 232: „die Anfänge der ionischen Schule" (Thales, Ana-
ximander 610—246 v. Chr. heißt es mit einem der zahllosen Druckfehler in
diesem unglaublich liederlich corrigirten Buch) „sind geradezu kindisch und
beginnen" (diese Anfänge nämlich) „mit der Einführung von ein paar Volks-
thümlichen Irrthümern von Aegypten". S. 272 lesen wir den erstaunlichen
Satz: „Die Spartaner verhalten sich zum jonischen Hellas wie etwa die Römer
zur Entwicklung Gesammtgriechenlands:" was wir ebenso wenig verstehen,
als hoffentlich der Verfasser selbst. Daß es in den Perserkriegen die Cultur
war, „die da besiegt wird," begreifen wir nach den Vorstellungen, die H. v.
H. sich von Cultur zurecht gemacht hat, vollkommen. Von der griechischen
Literatur scheint er nicht viel zu halten, da er von den Tragikern z. B., die be¬
kanntlich auftauchten, als die Cultur in den Perserkriegen besiegt war, überhaupt
nicht spricht, wir auch aus dem fatalen Umstand, daß so oft der Verfasser grie¬
chisch cedirt, jedesmal ein uncorrigirter Druckfehler sich einstellt, keine optimistische
Ansicht von seiner Kenntniß der griechischen Sprache haben gewinnen können.
S. 128, 146 z. B,: auch nimmt er sich weder philan tropische Schwärmer
(271) noch ein Stygma (281) weder Bythinien noch Neophiten noch
Koriphäen noch die peripathetisch e Schule noch Psephismen übel. Wer
oder was die Dicterions sind, in welchen die Hetären gehalten wurden (S.245),
würden wir zu erfahren neugierig sein, da uns die sämmtlichen Handbücher der
Alterthumskunde dabei im Stiche lassen: sollte vielleicht in Platon's Timäus
Vol. III. S. 20—25, oder bei Diodor. Sie. III. oder Ammianus Marcellinus 1.17
(so citirt der Verfasser S. 197) etwas darüber zu finden sein? S. 253 wird
eine Schilderung der Zustände Griechenlands zu Anfang der Perserkriege ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/131>, abgerufen am 19.05.2024.