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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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werden durch die Verringerung der todten Last einesteils in Folge der Ein¬
führung eines gleichmäßigeren und rationeller gebauten Wagenparkes, andern-
theils durch die Verminderung der leer zurückkehrenden Wagen. Warum soll
denn überhaupt die Verwaltung des Transport-Gewerbes einer Eisenbahn,
welche unter der intelligenten Leitung einer technischen, sachverständigen
Central-Behörde steht, schlechter verwaltet werden als die einer Privatbahn,
deren letzte Controle - Instanz am Ende bloß die Generalversammlung der
Actionäre ist, welche bekanntlich die nachlässigsten Controleure der Welt sind.
Die Verantwortlichkeit der betreffenden Beamten ist bei der einen Einrichtung
so groß wie bet der andern, nur ist die Rechenschaftsablegung dieser Ver¬
antwortlichkeit bei der centralisirten, also bei der Staatsbahn vielleicht größer
als bei der Privatbahn. Es heißt in derselben Phrase aber auch, die Reichs-
regierung sei außer Stande, das Transportwesen von oben herab einheitlich
zu organisiren. Insofern hierunter locale und sachliche Hindernisse zu ver¬
stehen sind, ist zuerst die Frage aufzuwerfen, ob die Reichsregierung über¬
haupt eine vollständige einheitliche Organisation in der Beziehung überall
für zweckmäßig anerkennen wird, oder ob auch locale Abweichungen für ge¬
eignet gehalten werden sollen, was wir für durchaus zulässig halten würden.
Wir werden auf diesen Punkt eingehender zurückkommen. Hier wollen wir
nur einmal annehmen, es würde für zweckmäßig erkannt, das Transport-
Gewerbe einheitlich zu organisiren, so müssen wir bemerken, daß eine
Organisation für ein großes Gebiet leichter im Sinne der oben genannten
natürlichen Centralisation ausgeführt werden kann, als durch ein Föderal-
System, bei welchem SO oder 60 autonome Eisenbahn-Verwaltungen sich erst
über einen gemeinsamen Plan verständigen müssen. Außerdem kommt dabei
auch noch wesentlich die Personenfrage ins Gewicht, welche in der Regel
übersehen wird. Es ist viel leichter für die Central-Behörde, die tüchtigsten
Fachmänner zu erhalten, als für viele Verwaltungsbehörden. Für die
Central-Oberbehörde ist es einfach, die ausgezeichnetsten Männer, welche es
überhaupt im Reiche giebt, zu finden, deren Tüchtigkeit und Erfahrungen
dafür Bürgschaft leisten, daß nach den gegebenen Verhältnissen und der Lage
der Zeit die möglichst beste Form der Einrichtung gefunden wird. Ganz
anders verhält es sich aber mit SO oder 60 Verwaltungskörpern; da ist um
so viel weniger Chance vorhanden, überall die tüchtigsten Männer an der
Spitze zu haben. Ein nahe liegendes Beispiel wird die Erscheinung noch er-
sichtlicher machen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika bestehen
gegenwärtig über 2000 Notenbanken, in Frankreich besteht nur eine Noten¬
bank. Die Letztere wird in der ganzen Welt wegen ihrer vortrefflichen
Leitung als Musteranstalt betrachtet und hat Frankreich schon die aller-
wichtigsten Dienste geleistet. Die amerikanischen Zettelbanken dagegen haben


werden durch die Verringerung der todten Last einesteils in Folge der Ein¬
führung eines gleichmäßigeren und rationeller gebauten Wagenparkes, andern-
theils durch die Verminderung der leer zurückkehrenden Wagen. Warum soll
denn überhaupt die Verwaltung des Transport-Gewerbes einer Eisenbahn,
welche unter der intelligenten Leitung einer technischen, sachverständigen
Central-Behörde steht, schlechter verwaltet werden als die einer Privatbahn,
deren letzte Controle - Instanz am Ende bloß die Generalversammlung der
Actionäre ist, welche bekanntlich die nachlässigsten Controleure der Welt sind.
Die Verantwortlichkeit der betreffenden Beamten ist bei der einen Einrichtung
so groß wie bet der andern, nur ist die Rechenschaftsablegung dieser Ver¬
antwortlichkeit bei der centralisirten, also bei der Staatsbahn vielleicht größer
als bei der Privatbahn. Es heißt in derselben Phrase aber auch, die Reichs-
regierung sei außer Stande, das Transportwesen von oben herab einheitlich
zu organisiren. Insofern hierunter locale und sachliche Hindernisse zu ver¬
stehen sind, ist zuerst die Frage aufzuwerfen, ob die Reichsregierung über¬
haupt eine vollständige einheitliche Organisation in der Beziehung überall
für zweckmäßig anerkennen wird, oder ob auch locale Abweichungen für ge¬
eignet gehalten werden sollen, was wir für durchaus zulässig halten würden.
Wir werden auf diesen Punkt eingehender zurückkommen. Hier wollen wir
nur einmal annehmen, es würde für zweckmäßig erkannt, das Transport-
Gewerbe einheitlich zu organisiren, so müssen wir bemerken, daß eine
Organisation für ein großes Gebiet leichter im Sinne der oben genannten
natürlichen Centralisation ausgeführt werden kann, als durch ein Föderal-
System, bei welchem SO oder 60 autonome Eisenbahn-Verwaltungen sich erst
über einen gemeinsamen Plan verständigen müssen. Außerdem kommt dabei
auch noch wesentlich die Personenfrage ins Gewicht, welche in der Regel
übersehen wird. Es ist viel leichter für die Central-Behörde, die tüchtigsten
Fachmänner zu erhalten, als für viele Verwaltungsbehörden. Für die
Central-Oberbehörde ist es einfach, die ausgezeichnetsten Männer, welche es
überhaupt im Reiche giebt, zu finden, deren Tüchtigkeit und Erfahrungen
dafür Bürgschaft leisten, daß nach den gegebenen Verhältnissen und der Lage
der Zeit die möglichst beste Form der Einrichtung gefunden wird. Ganz
anders verhält es sich aber mit SO oder 60 Verwaltungskörpern; da ist um
so viel weniger Chance vorhanden, überall die tüchtigsten Männer an der
Spitze zu haben. Ein nahe liegendes Beispiel wird die Erscheinung noch er-
sichtlicher machen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika bestehen
gegenwärtig über 2000 Notenbanken, in Frankreich besteht nur eine Noten¬
bank. Die Letztere wird in der ganzen Welt wegen ihrer vortrefflichen
Leitung als Musteranstalt betrachtet und hat Frankreich schon die aller-
wichtigsten Dienste geleistet. Die amerikanischen Zettelbanken dagegen haben


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[0311] werden durch die Verringerung der todten Last einesteils in Folge der Ein¬ führung eines gleichmäßigeren und rationeller gebauten Wagenparkes, andern- theils durch die Verminderung der leer zurückkehrenden Wagen. Warum soll denn überhaupt die Verwaltung des Transport-Gewerbes einer Eisenbahn, welche unter der intelligenten Leitung einer technischen, sachverständigen Central-Behörde steht, schlechter verwaltet werden als die einer Privatbahn, deren letzte Controle - Instanz am Ende bloß die Generalversammlung der Actionäre ist, welche bekanntlich die nachlässigsten Controleure der Welt sind. Die Verantwortlichkeit der betreffenden Beamten ist bei der einen Einrichtung so groß wie bet der andern, nur ist die Rechenschaftsablegung dieser Ver¬ antwortlichkeit bei der centralisirten, also bei der Staatsbahn vielleicht größer als bei der Privatbahn. Es heißt in derselben Phrase aber auch, die Reichs- regierung sei außer Stande, das Transportwesen von oben herab einheitlich zu organisiren. Insofern hierunter locale und sachliche Hindernisse zu ver¬ stehen sind, ist zuerst die Frage aufzuwerfen, ob die Reichsregierung über¬ haupt eine vollständige einheitliche Organisation in der Beziehung überall für zweckmäßig anerkennen wird, oder ob auch locale Abweichungen für ge¬ eignet gehalten werden sollen, was wir für durchaus zulässig halten würden. Wir werden auf diesen Punkt eingehender zurückkommen. Hier wollen wir nur einmal annehmen, es würde für zweckmäßig erkannt, das Transport- Gewerbe einheitlich zu organisiren, so müssen wir bemerken, daß eine Organisation für ein großes Gebiet leichter im Sinne der oben genannten natürlichen Centralisation ausgeführt werden kann, als durch ein Föderal- System, bei welchem SO oder 60 autonome Eisenbahn-Verwaltungen sich erst über einen gemeinsamen Plan verständigen müssen. Außerdem kommt dabei auch noch wesentlich die Personenfrage ins Gewicht, welche in der Regel übersehen wird. Es ist viel leichter für die Central-Behörde, die tüchtigsten Fachmänner zu erhalten, als für viele Verwaltungsbehörden. Für die Central-Oberbehörde ist es einfach, die ausgezeichnetsten Männer, welche es überhaupt im Reiche giebt, zu finden, deren Tüchtigkeit und Erfahrungen dafür Bürgschaft leisten, daß nach den gegebenen Verhältnissen und der Lage der Zeit die möglichst beste Form der Einrichtung gefunden wird. Ganz anders verhält es sich aber mit SO oder 60 Verwaltungskörpern; da ist um so viel weniger Chance vorhanden, überall die tüchtigsten Männer an der Spitze zu haben. Ein nahe liegendes Beispiel wird die Erscheinung noch er- sichtlicher machen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika bestehen gegenwärtig über 2000 Notenbanken, in Frankreich besteht nur eine Noten¬ bank. Die Letztere wird in der ganzen Welt wegen ihrer vortrefflichen Leitung als Musteranstalt betrachtet und hat Frankreich schon die aller- wichtigsten Dienste geleistet. Die amerikanischen Zettelbanken dagegen haben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/311>, abgerufen am 28.04.2024.