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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Diese fünf Autographen sind, verblaßt und fast unerkennbar, wie sie sind,
alles, was in verbürgter Weise von der Handschrift des fruchtbarsten und
unvergleichlich größten englischen Dramatikers auf uns gekommen ist. Dazu
kommt noch ein sechstes, wenn Matten Recht hat, welcher sagt, daß es "über
jeden Verdacht erhaben ist." Jedoch wird es von Leuten wie Halliwell und
Furnival für unecht oder doch für sehr zweifelhaft angesehen. Es befindet
sich auf dem Schmutztitel eines Exemplars von Florio's Uebersetzung der
Werke Montaignes, welches das Eigenthum des britischen Museums ist. Der
Name lautet hier, mag ihn nun geschrieben haben, wer will, unverkennbar
Will'in Shakspere. Vier andere Autographen, welche die "LnaKösxsareana
Könsolog'la" erwähnt, werden ziemlich allgemein für unecht angesehen.

Betrachten wir die echten Unterschriften, so liegt auf der Hand, daß der
Poet, wie verschieden er auch die letzte Sylbe seines Namens geschrieben haben
mag, zwischen dem K und Sy niemals ein E eingeschaltet hat. So sagt Furni-
val, und so muß jeder sagen, der sich die Mühe giebt, die Faesimilia zu
prüfen. In dieser Beziehung stimmen die unechten und die echten Auto¬
graphen allesammt überein. So aber sollten wir, der Maxime folgend, daß
jedermann das unbezweifelbare Recht hat, seinen Namen zu schreiben, wie es
ihm gut dünkt, dem Hingeschiedenen Unsterblichen nicht jenes E ausnöthigen,
welches er beharrlich und systematisch zurückgewiesen hat. Und ferner: nach
Untersuchung der Autographen des Poeten liegen starke Beweise vor, daß
die Einschaltung eines A im zweiten Gliede des Namens überflüssig und
ebenfalls gegen die Ansicht der Dichters ist, daß wir seinen Namen also nicht
Shakespeare, sondern Shakspere zu schreiben haben.

Es giebt Moden in der Schreibung von Namen und Worten wie in
allen andern Dingen. Es gab in Deutschland eine Zeit, wo man auf die
Namen nicht genug Consonanten häufen konnte, die Zeit der Gottschalgck,
der Bergl, der Wolffersdorff. Es gab in der Zeit des Dichters von "Hamlet"
und "Othello" eine Menge von Druckern, Buchhändlern und Krittkern,
welche den Namen Shakespeare schreiben zu müssen meinten, wobei sie häufig
die beiden in ihm enthaltenen Worte mit einem Binde-Striche zwischen
einander versahen.

Im Jahre 1680 nahm Aubrey die Schreibweise Shakespear an, und
ihm folgten nach einander Blackstone, Nowe, Pope, Hammer, Warburton,
Hazlitt und Andere. 1790 entschied sich Malone, stark beeinflußt durch ein
seitdem für unecht erklärtes Autograph, den Namen des Dichters Shakespeare
zu schreiben. Eine Prüfung des jetzt in der Guildhall befindlichen Autographen
bewog ihn sechs Jahre später zuzugestehen, daß der Poet sich Shakspere ge¬
schrieben habe, doch beschloß er die Schreibart, der er seine Gunst zuerst zugewendet
hatte, beizubehalten, und fast alle Herausgeber der letzten Generation sind


Diese fünf Autographen sind, verblaßt und fast unerkennbar, wie sie sind,
alles, was in verbürgter Weise von der Handschrift des fruchtbarsten und
unvergleichlich größten englischen Dramatikers auf uns gekommen ist. Dazu
kommt noch ein sechstes, wenn Matten Recht hat, welcher sagt, daß es „über
jeden Verdacht erhaben ist." Jedoch wird es von Leuten wie Halliwell und
Furnival für unecht oder doch für sehr zweifelhaft angesehen. Es befindet
sich auf dem Schmutztitel eines Exemplars von Florio's Uebersetzung der
Werke Montaignes, welches das Eigenthum des britischen Museums ist. Der
Name lautet hier, mag ihn nun geschrieben haben, wer will, unverkennbar
Will'in Shakspere. Vier andere Autographen, welche die „LnaKösxsareana
Könsolog'la" erwähnt, werden ziemlich allgemein für unecht angesehen.

Betrachten wir die echten Unterschriften, so liegt auf der Hand, daß der
Poet, wie verschieden er auch die letzte Sylbe seines Namens geschrieben haben
mag, zwischen dem K und Sy niemals ein E eingeschaltet hat. So sagt Furni-
val, und so muß jeder sagen, der sich die Mühe giebt, die Faesimilia zu
prüfen. In dieser Beziehung stimmen die unechten und die echten Auto¬
graphen allesammt überein. So aber sollten wir, der Maxime folgend, daß
jedermann das unbezweifelbare Recht hat, seinen Namen zu schreiben, wie es
ihm gut dünkt, dem Hingeschiedenen Unsterblichen nicht jenes E ausnöthigen,
welches er beharrlich und systematisch zurückgewiesen hat. Und ferner: nach
Untersuchung der Autographen des Poeten liegen starke Beweise vor, daß
die Einschaltung eines A im zweiten Gliede des Namens überflüssig und
ebenfalls gegen die Ansicht der Dichters ist, daß wir seinen Namen also nicht
Shakespeare, sondern Shakspere zu schreiben haben.

Es giebt Moden in der Schreibung von Namen und Worten wie in
allen andern Dingen. Es gab in Deutschland eine Zeit, wo man auf die
Namen nicht genug Consonanten häufen konnte, die Zeit der Gottschalgck,
der Bergl, der Wolffersdorff. Es gab in der Zeit des Dichters von „Hamlet"
und „Othello" eine Menge von Druckern, Buchhändlern und Krittkern,
welche den Namen Shakespeare schreiben zu müssen meinten, wobei sie häufig
die beiden in ihm enthaltenen Worte mit einem Binde-Striche zwischen
einander versahen.

Im Jahre 1680 nahm Aubrey die Schreibweise Shakespear an, und
ihm folgten nach einander Blackstone, Nowe, Pope, Hammer, Warburton,
Hazlitt und Andere. 1790 entschied sich Malone, stark beeinflußt durch ein
seitdem für unecht erklärtes Autograph, den Namen des Dichters Shakespeare
zu schreiben. Eine Prüfung des jetzt in der Guildhall befindlichen Autographen
bewog ihn sechs Jahre später zuzugestehen, daß der Poet sich Shakspere ge¬
schrieben habe, doch beschloß er die Schreibart, der er seine Gunst zuerst zugewendet
hatte, beizubehalten, und fast alle Herausgeber der letzten Generation sind


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[0398] Diese fünf Autographen sind, verblaßt und fast unerkennbar, wie sie sind, alles, was in verbürgter Weise von der Handschrift des fruchtbarsten und unvergleichlich größten englischen Dramatikers auf uns gekommen ist. Dazu kommt noch ein sechstes, wenn Matten Recht hat, welcher sagt, daß es „über jeden Verdacht erhaben ist." Jedoch wird es von Leuten wie Halliwell und Furnival für unecht oder doch für sehr zweifelhaft angesehen. Es befindet sich auf dem Schmutztitel eines Exemplars von Florio's Uebersetzung der Werke Montaignes, welches das Eigenthum des britischen Museums ist. Der Name lautet hier, mag ihn nun geschrieben haben, wer will, unverkennbar Will'in Shakspere. Vier andere Autographen, welche die „LnaKösxsareana Könsolog'la" erwähnt, werden ziemlich allgemein für unecht angesehen. Betrachten wir die echten Unterschriften, so liegt auf der Hand, daß der Poet, wie verschieden er auch die letzte Sylbe seines Namens geschrieben haben mag, zwischen dem K und Sy niemals ein E eingeschaltet hat. So sagt Furni- val, und so muß jeder sagen, der sich die Mühe giebt, die Faesimilia zu prüfen. In dieser Beziehung stimmen die unechten und die echten Auto¬ graphen allesammt überein. So aber sollten wir, der Maxime folgend, daß jedermann das unbezweifelbare Recht hat, seinen Namen zu schreiben, wie es ihm gut dünkt, dem Hingeschiedenen Unsterblichen nicht jenes E ausnöthigen, welches er beharrlich und systematisch zurückgewiesen hat. Und ferner: nach Untersuchung der Autographen des Poeten liegen starke Beweise vor, daß die Einschaltung eines A im zweiten Gliede des Namens überflüssig und ebenfalls gegen die Ansicht der Dichters ist, daß wir seinen Namen also nicht Shakespeare, sondern Shakspere zu schreiben haben. Es giebt Moden in der Schreibung von Namen und Worten wie in allen andern Dingen. Es gab in Deutschland eine Zeit, wo man auf die Namen nicht genug Consonanten häufen konnte, die Zeit der Gottschalgck, der Bergl, der Wolffersdorff. Es gab in der Zeit des Dichters von „Hamlet" und „Othello" eine Menge von Druckern, Buchhändlern und Krittkern, welche den Namen Shakespeare schreiben zu müssen meinten, wobei sie häufig die beiden in ihm enthaltenen Worte mit einem Binde-Striche zwischen einander versahen. Im Jahre 1680 nahm Aubrey die Schreibweise Shakespear an, und ihm folgten nach einander Blackstone, Nowe, Pope, Hammer, Warburton, Hazlitt und Andere. 1790 entschied sich Malone, stark beeinflußt durch ein seitdem für unecht erklärtes Autograph, den Namen des Dichters Shakespeare zu schreiben. Eine Prüfung des jetzt in der Guildhall befindlichen Autographen bewog ihn sechs Jahre später zuzugestehen, daß der Poet sich Shakspere ge¬ schrieben habe, doch beschloß er die Schreibart, der er seine Gunst zuerst zugewendet hatte, beizubehalten, und fast alle Herausgeber der letzten Generation sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/398>, abgerufen am 01.05.2024.