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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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von selbst hinfällig. -- S. 204 ist das Todesjahr Albrecht von Haller's.
wahrscheinlich nur in Folge eines Druckfehlers, falsch angegeben; er starb
nicht 1771, sondern 1777. -- Das S. 234 erwähnte Witzwort, welches ein
griechischer Maler zu einem Lehrlinge gesagt haben soll, der "eine sehr ge¬
schmückte Helena" gemalt hatte: "da du sie nicht schön malen konntest, hast
du sie reich gemalt", wird nicht, wie Blümner angiebt, dem Zeuxis, sondern
dem Apelles zugeschrieben. Die Anekdote wird im "Pädagogus" des Clemens
Alexandrinus, und nicht im "Protrepticus" erzählt. Zu dürftig sind mir
vielfach die biographischen Notizen erschienen, die Blümner zu den im Text
erwähnten Namen giebt. Erstens ist nicht klar, nach welchem Prinzip er
überhaupt in der Mittheilung solcher Notizen verfahren ist. So viel sehe
ich, daß er sie bei denjenigen Namen, die der antiken Literatur- und
Kunstgeschichte angehören, grundsätzlich verschmäht hat. Glaubt er aber im
Ernste, daß die "Kunstfreunde", die er sich ja vor allem als seine Leser
denkt und wünscht, hierin so vorzüglich orientirt sein werden? Wenn sie
natürlich auch Aristoteles, Lucian, Cicero, Horaz, wenn sie Phidias und
Apelles kennen, aber welcher "Kunstfreund" wird sofort über Apollonius
Rhodeus, über die Philostrate, über Valerius Flaccus, Statius, Macrobius
Bescheid wissen? oder über Myron, Pythagoras von Rhegion, Polyznot,
Protogenes? Gänzlich unklar aber bin ich mir darüber, welchen Grundsatz
Blümner bei den der neueren Kunst- und Literaturgeschichte angehörigen Namen
befolgt hat. Daß er zu Winckelmann keine Anmerkung giebt, ist in Ord¬
nung. Aber wenn er sie zu Montfaucon und Justus Lipstus giebt, warum
dann nicht zu Franciscus Junius? Wer von den beiden ersten noch nichts
gehört, der kennt auch den letzteren und seine Bedeutung für die Archäologie
nicht und bedarf einer Erklärung darüber, weshalb Lessing z. B. schreibt, daß
irgend ein Irrthum "selbst vom Junius" begangen worden sei. Wenn
Blümner zu Haller eine Anmerkung für nöthig hält, warum nicht auch zu
Kleist? Wenn zu Hagedorn, warum nicht auch zu Mengs? Wenn zu
Thomson, warum nicht auch zu Garrick? Es kommt hinzu, daß diese bio¬
graphischen Notizen oft nichts weiter enthalten als Ort und Jahr der Ge¬
burt und des Todes. Wenn aber z. B. Lessing bei Anführung eines Gelehr¬
ten stillschweigend an ein bestimmtes Buch desselben denkt, wie z. B. S.
216 bei Scaliger an dessen Poetik, bei Perrault an dessen Ä<zg
anciens et ach modernes", so müßte doch dies Buch wenigstens in der An¬
merkung mit erwähnt sein. In diesem Punkte verdienen die Noten von
Gosche vor den Blümner'schen oft den Vorzug; sie sind, bei aller Kürze, reich,
baldiger und lehrreicher, ohne deshalb, wie die Cosack'schen, überflüssige Dinge
zu enthalten; ich denke z. B. noch an die Anmerkungen zu Mazzuoli, Sacchi,
De Piles, La Mettrie, Richardson u. a. Da Blümner Gosche's Ausgabe vor


von selbst hinfällig. — S. 204 ist das Todesjahr Albrecht von Haller's.
wahrscheinlich nur in Folge eines Druckfehlers, falsch angegeben; er starb
nicht 1771, sondern 1777. — Das S. 234 erwähnte Witzwort, welches ein
griechischer Maler zu einem Lehrlinge gesagt haben soll, der „eine sehr ge¬
schmückte Helena" gemalt hatte: „da du sie nicht schön malen konntest, hast
du sie reich gemalt", wird nicht, wie Blümner angiebt, dem Zeuxis, sondern
dem Apelles zugeschrieben. Die Anekdote wird im „Pädagogus" des Clemens
Alexandrinus, und nicht im „Protrepticus" erzählt. Zu dürftig sind mir
vielfach die biographischen Notizen erschienen, die Blümner zu den im Text
erwähnten Namen giebt. Erstens ist nicht klar, nach welchem Prinzip er
überhaupt in der Mittheilung solcher Notizen verfahren ist. So viel sehe
ich, daß er sie bei denjenigen Namen, die der antiken Literatur- und
Kunstgeschichte angehören, grundsätzlich verschmäht hat. Glaubt er aber im
Ernste, daß die „Kunstfreunde", die er sich ja vor allem als seine Leser
denkt und wünscht, hierin so vorzüglich orientirt sein werden? Wenn sie
natürlich auch Aristoteles, Lucian, Cicero, Horaz, wenn sie Phidias und
Apelles kennen, aber welcher „Kunstfreund" wird sofort über Apollonius
Rhodeus, über die Philostrate, über Valerius Flaccus, Statius, Macrobius
Bescheid wissen? oder über Myron, Pythagoras von Rhegion, Polyznot,
Protogenes? Gänzlich unklar aber bin ich mir darüber, welchen Grundsatz
Blümner bei den der neueren Kunst- und Literaturgeschichte angehörigen Namen
befolgt hat. Daß er zu Winckelmann keine Anmerkung giebt, ist in Ord¬
nung. Aber wenn er sie zu Montfaucon und Justus Lipstus giebt, warum
dann nicht zu Franciscus Junius? Wer von den beiden ersten noch nichts
gehört, der kennt auch den letzteren und seine Bedeutung für die Archäologie
nicht und bedarf einer Erklärung darüber, weshalb Lessing z. B. schreibt, daß
irgend ein Irrthum „selbst vom Junius" begangen worden sei. Wenn
Blümner zu Haller eine Anmerkung für nöthig hält, warum nicht auch zu
Kleist? Wenn zu Hagedorn, warum nicht auch zu Mengs? Wenn zu
Thomson, warum nicht auch zu Garrick? Es kommt hinzu, daß diese bio¬
graphischen Notizen oft nichts weiter enthalten als Ort und Jahr der Ge¬
burt und des Todes. Wenn aber z. B. Lessing bei Anführung eines Gelehr¬
ten stillschweigend an ein bestimmtes Buch desselben denkt, wie z. B. S.
216 bei Scaliger an dessen Poetik, bei Perrault an dessen Ä<zg
anciens et ach modernes", so müßte doch dies Buch wenigstens in der An¬
merkung mit erwähnt sein. In diesem Punkte verdienen die Noten von
Gosche vor den Blümner'schen oft den Vorzug; sie sind, bei aller Kürze, reich,
baldiger und lehrreicher, ohne deshalb, wie die Cosack'schen, überflüssige Dinge
zu enthalten; ich denke z. B. noch an die Anmerkungen zu Mazzuoli, Sacchi,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/423>, abgerufen am 20.09.2024.