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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Außen herbeigebracht werden muß, in diese Drehladen, und auf diese Weise
verkehren beide Theile miteinander, ohne sich zu sehen und ohne eine Oeffnung
der Thüren nöthig zu haben. Ist das letztere doch einmal erforderlich, so
wird ein hölzerner in Angeln gehender Schirm dergestalt vorgeschoben, daß
man hinter denselben nicht hineinsehen kann.

Sieben hohe weibliche Beamte führen die Aufsicht über das Harem, welches
in der Regel zwischen drei und vierhundert Frauen enthält: die Chet Chota
oder Oberhofmeisterin, die Chasnada Asta oder Schatzmeisterin, die Tschamä-
schir Asta, welche Kleider und Leinzeug, die Tschaschnidschir Asta, welche das
Tafelgeschirr, die Hammamdschi Asta, welche die Bäder zu beaufsichtigen
hat. die Kijatib Asta oder erste Sekretärin und die Kilardschi Asta oder
Hausmeisterin. Sie haben verschiedene Stellvertreterinnen und Gehülfinnen,
welche die Beleuchtung, das Scheuern und Waschen, das Kochen und die
Pflege der Tschibbuks und Nargtlehs zu besorgen haben, und sind ältliche
weiße Sklavinnen, die jede ihren eigenen Haushalt haben, und die man oft
begleitet von großherrlichen Dienern in den Basaren Stambuls und den
Läden von Pera erscheinen sieht.

Das gesammte weibliche Personal des Hofhalts zerfällt in vier Klassen:
Gedekliks (Auserwählte). Ustas (Herrinnen oder Obere), Schahzirda (Novizen)
und Dscharta (gewöhnliche Dienerinnen). Die erste und ausgezeichnetste dieser
Klassen ist auf zwölf Köpfe beschränkt. Man wählt dazu die schönsten und
gebildetsten, und sie sind, wie schon ihr Name andeutet, ausschließlich dazu
bestimmt, beim Sultan, wenn er ins Harem kommt, die Stelle von Pagen
zu versehen. Aus dieser Klasse werden die ersten sieben Hofdamen genommen,
und nicht selten wird der einen oder der andern von ihnen die Ehre zu Theil,
zur Kabir und später zur Sultanin Walide erhoben zu werden. Nach dieser
bevorzugten Klasse drängt man sich daher mit großer Begierde. Sie haben
ihre besondern Zimmer, Bäder und Tafeln und werden von der dritten und
vierten Klasse bedient. Ihre Gewänder und Juwelen sind prachtvoll und
von hohem Werthe, und häufig erhalten sie reiche Geschenke an Geld und
Putzsachen, oft auch sieht man sie begleitet von ihren Agas zu Boot oder zu
Wagen Ausflüge in die Umgebung Stambuls unternehmen. Die Ustas sind
in ebensoviele Abtheilungen geschieden als es Kadinnen und unvermählte
Sultaninnen (Sultanstöchter) giebt. Jede dieser Damen hat eine Oda
(eigentlich Zimmer, dann Abtheilung, woher der Name Odalik. aus welchem
unser Wort Odaliske entstanden ist) für ihren besondern Dienst, die den
Namen oder die Zahl dieser Dame führt, wie z. B. Adlia Sultan Odassi
oder Jkindschi (zweite) Kabir Odassi. Die sieben Geschicktesten aus jeder Oda
haben die Aufsicht über Lebensmittel, Kleidung und Disciplin der ihnen
untergebenen Anderen. Schahzirda sind junge Sklavinnen, die noch erzogen


Außen herbeigebracht werden muß, in diese Drehladen, und auf diese Weise
verkehren beide Theile miteinander, ohne sich zu sehen und ohne eine Oeffnung
der Thüren nöthig zu haben. Ist das letztere doch einmal erforderlich, so
wird ein hölzerner in Angeln gehender Schirm dergestalt vorgeschoben, daß
man hinter denselben nicht hineinsehen kann.

Sieben hohe weibliche Beamte führen die Aufsicht über das Harem, welches
in der Regel zwischen drei und vierhundert Frauen enthält: die Chet Chota
oder Oberhofmeisterin, die Chasnada Asta oder Schatzmeisterin, die Tschamä-
schir Asta, welche Kleider und Leinzeug, die Tschaschnidschir Asta, welche das
Tafelgeschirr, die Hammamdschi Asta, welche die Bäder zu beaufsichtigen
hat. die Kijatib Asta oder erste Sekretärin und die Kilardschi Asta oder
Hausmeisterin. Sie haben verschiedene Stellvertreterinnen und Gehülfinnen,
welche die Beleuchtung, das Scheuern und Waschen, das Kochen und die
Pflege der Tschibbuks und Nargtlehs zu besorgen haben, und sind ältliche
weiße Sklavinnen, die jede ihren eigenen Haushalt haben, und die man oft
begleitet von großherrlichen Dienern in den Basaren Stambuls und den
Läden von Pera erscheinen sieht.

Das gesammte weibliche Personal des Hofhalts zerfällt in vier Klassen:
Gedekliks (Auserwählte). Ustas (Herrinnen oder Obere), Schahzirda (Novizen)
und Dscharta (gewöhnliche Dienerinnen). Die erste und ausgezeichnetste dieser
Klassen ist auf zwölf Köpfe beschränkt. Man wählt dazu die schönsten und
gebildetsten, und sie sind, wie schon ihr Name andeutet, ausschließlich dazu
bestimmt, beim Sultan, wenn er ins Harem kommt, die Stelle von Pagen
zu versehen. Aus dieser Klasse werden die ersten sieben Hofdamen genommen,
und nicht selten wird der einen oder der andern von ihnen die Ehre zu Theil,
zur Kabir und später zur Sultanin Walide erhoben zu werden. Nach dieser
bevorzugten Klasse drängt man sich daher mit großer Begierde. Sie haben
ihre besondern Zimmer, Bäder und Tafeln und werden von der dritten und
vierten Klasse bedient. Ihre Gewänder und Juwelen sind prachtvoll und
von hohem Werthe, und häufig erhalten sie reiche Geschenke an Geld und
Putzsachen, oft auch sieht man sie begleitet von ihren Agas zu Boot oder zu
Wagen Ausflüge in die Umgebung Stambuls unternehmen. Die Ustas sind
in ebensoviele Abtheilungen geschieden als es Kadinnen und unvermählte
Sultaninnen (Sultanstöchter) giebt. Jede dieser Damen hat eine Oda
(eigentlich Zimmer, dann Abtheilung, woher der Name Odalik. aus welchem
unser Wort Odaliske entstanden ist) für ihren besondern Dienst, die den
Namen oder die Zahl dieser Dame führt, wie z. B. Adlia Sultan Odassi
oder Jkindschi (zweite) Kabir Odassi. Die sieben Geschicktesten aus jeder Oda
haben die Aufsicht über Lebensmittel, Kleidung und Disciplin der ihnen
untergebenen Anderen. Schahzirda sind junge Sklavinnen, die noch erzogen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/429>, abgerufen am 29.05.2024.