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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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die Sicherheit haben, daß Cuba nicht einer ihnen unfreundlich gesinnten
Macht in die Hände fällt. Ohne Schande könnte Spanien die Insel als
temporäres Depositum für die Rückerstattung einer großen Geldsumme in
unsere Gewalt geben. Unsere Regierung würde die Häfen mit Garnisonen
versehen, die Steuern und Zölle einziehen und das Land regieren, wie wir
jetzt Alaska oder das Territorium Washington regieren. Gesetzt den Fall,
Spanien wünschte nach Verlauf von fünfzig oder hundert Jahren das Geld
zurückzuzahlen und den Status guo wieder aufzunehmen (ein höchst unwahr¬
scheinlicher Fall), so würden die Dinge die ganze Zwischenzeit hindurch für
uns viel günstiger als jetzt gestanden haben. Gesetzt dagegen, Spanien ge¬
langte nie dahin, das Geld zurückzuzahlen, so werden die Revenuen der Insel
nimmer die Zinsen decken und in diesem Falle werden die Dinge für uns
immer besser stehen als jetzt." Zum Schlüsse meint unser Magazin noch
einmal, daß jetzt "die passende Zeit sei, ein so wichtiges Stück
der geheimen Geschichte einer früheren Generation in die
Öffentlichkeit zu bringen", und das giebt zu denken.
Der Brief Everett's an Adams aber lautet:

Madrid, 30. Nov. 1826.


Lieber Herr,

Ich halte es für gerathen, Sie mit einem Borfall in meinem Verkehr
mit der hiesigen Regierung bekannt zu machen, der ziemlich delicater Natur
ist, und dessen ich in meinen Depeschen deshalb nicht gedacht habe, weil
nach ihnen gefragt werden könnte und sie jeden Augenblick veröffentlicht wer¬
den können. Er begab sich bei den Besprechungen, die ich mit dem Minister
in Betreff unsrer Beziehungen zu der Insel Cuba hatte.

Es hat mir immer geschienen, und es ist, wie ich glaube, die allgemeine
Ansicht in den Bereinigten Staaten, daß diese Insel eigentlich ein Anhängsel
zu den beiden Floridas bildet. Seit der Abtretung dieser Provinzen*) hat
im ganzen Lande der Eindruck geherrscht, daß Cuba über kurz oder lang
uns gehören müsse. In der That, dieß ist, wie man mir sagt, schon lange
vor Abschluß des Vertrages über Florida, die Meinung vieler Personen von
höchster Achtbarkeit mit Einschluß Herrn Jefferson's gewesen. Es ergiebt sich
naturgemäß aus einer Betrachtung der geographischen Lage der Insel gegen¬
über den Vereinigten Staaten. In den Händen einer mächtigen und rührigen
Nation würde sie eine so vollständige Beherrschung des Handels im Golf
von Mexiko und der Schifffahrt auf dem Missisippistrome mit sich führen,
daß sie den Verkehr unseres Landes in dieser Richtung ernstlich gefährden würde.
Unsere Sicherheit vor dieser Gefahr ist, wie ich glaube, lange als einzig von
der Schwäche und Machtlosigkeit Spaniens herrührend betrachtet worden, und



') Dieselbe erfolgte im Oktober 1S20.

die Sicherheit haben, daß Cuba nicht einer ihnen unfreundlich gesinnten
Macht in die Hände fällt. Ohne Schande könnte Spanien die Insel als
temporäres Depositum für die Rückerstattung einer großen Geldsumme in
unsere Gewalt geben. Unsere Regierung würde die Häfen mit Garnisonen
versehen, die Steuern und Zölle einziehen und das Land regieren, wie wir
jetzt Alaska oder das Territorium Washington regieren. Gesetzt den Fall,
Spanien wünschte nach Verlauf von fünfzig oder hundert Jahren das Geld
zurückzuzahlen und den Status guo wieder aufzunehmen (ein höchst unwahr¬
scheinlicher Fall), so würden die Dinge die ganze Zwischenzeit hindurch für
uns viel günstiger als jetzt gestanden haben. Gesetzt dagegen, Spanien ge¬
langte nie dahin, das Geld zurückzuzahlen, so werden die Revenuen der Insel
nimmer die Zinsen decken und in diesem Falle werden die Dinge für uns
immer besser stehen als jetzt." Zum Schlüsse meint unser Magazin noch
einmal, daß jetzt „die passende Zeit sei, ein so wichtiges Stück
der geheimen Geschichte einer früheren Generation in die
Öffentlichkeit zu bringen", und das giebt zu denken.
Der Brief Everett's an Adams aber lautet:

Madrid, 30. Nov. 1826.


Lieber Herr,

Ich halte es für gerathen, Sie mit einem Borfall in meinem Verkehr
mit der hiesigen Regierung bekannt zu machen, der ziemlich delicater Natur
ist, und dessen ich in meinen Depeschen deshalb nicht gedacht habe, weil
nach ihnen gefragt werden könnte und sie jeden Augenblick veröffentlicht wer¬
den können. Er begab sich bei den Besprechungen, die ich mit dem Minister
in Betreff unsrer Beziehungen zu der Insel Cuba hatte.

Es hat mir immer geschienen, und es ist, wie ich glaube, die allgemeine
Ansicht in den Bereinigten Staaten, daß diese Insel eigentlich ein Anhängsel
zu den beiden Floridas bildet. Seit der Abtretung dieser Provinzen*) hat
im ganzen Lande der Eindruck geherrscht, daß Cuba über kurz oder lang
uns gehören müsse. In der That, dieß ist, wie man mir sagt, schon lange
vor Abschluß des Vertrages über Florida, die Meinung vieler Personen von
höchster Achtbarkeit mit Einschluß Herrn Jefferson's gewesen. Es ergiebt sich
naturgemäß aus einer Betrachtung der geographischen Lage der Insel gegen¬
über den Vereinigten Staaten. In den Händen einer mächtigen und rührigen
Nation würde sie eine so vollständige Beherrschung des Handels im Golf
von Mexiko und der Schifffahrt auf dem Missisippistrome mit sich führen,
daß sie den Verkehr unseres Landes in dieser Richtung ernstlich gefährden würde.
Unsere Sicherheit vor dieser Gefahr ist, wie ich glaube, lange als einzig von
der Schwäche und Machtlosigkeit Spaniens herrührend betrachtet worden, und



') Dieselbe erfolgte im Oktober 1S20.
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[0498] die Sicherheit haben, daß Cuba nicht einer ihnen unfreundlich gesinnten Macht in die Hände fällt. Ohne Schande könnte Spanien die Insel als temporäres Depositum für die Rückerstattung einer großen Geldsumme in unsere Gewalt geben. Unsere Regierung würde die Häfen mit Garnisonen versehen, die Steuern und Zölle einziehen und das Land regieren, wie wir jetzt Alaska oder das Territorium Washington regieren. Gesetzt den Fall, Spanien wünschte nach Verlauf von fünfzig oder hundert Jahren das Geld zurückzuzahlen und den Status guo wieder aufzunehmen (ein höchst unwahr¬ scheinlicher Fall), so würden die Dinge die ganze Zwischenzeit hindurch für uns viel günstiger als jetzt gestanden haben. Gesetzt dagegen, Spanien ge¬ langte nie dahin, das Geld zurückzuzahlen, so werden die Revenuen der Insel nimmer die Zinsen decken und in diesem Falle werden die Dinge für uns immer besser stehen als jetzt." Zum Schlüsse meint unser Magazin noch einmal, daß jetzt „die passende Zeit sei, ein so wichtiges Stück der geheimen Geschichte einer früheren Generation in die Öffentlichkeit zu bringen", und das giebt zu denken. Der Brief Everett's an Adams aber lautet: Madrid, 30. Nov. 1826. Lieber Herr, Ich halte es für gerathen, Sie mit einem Borfall in meinem Verkehr mit der hiesigen Regierung bekannt zu machen, der ziemlich delicater Natur ist, und dessen ich in meinen Depeschen deshalb nicht gedacht habe, weil nach ihnen gefragt werden könnte und sie jeden Augenblick veröffentlicht wer¬ den können. Er begab sich bei den Besprechungen, die ich mit dem Minister in Betreff unsrer Beziehungen zu der Insel Cuba hatte. Es hat mir immer geschienen, und es ist, wie ich glaube, die allgemeine Ansicht in den Bereinigten Staaten, daß diese Insel eigentlich ein Anhängsel zu den beiden Floridas bildet. Seit der Abtretung dieser Provinzen*) hat im ganzen Lande der Eindruck geherrscht, daß Cuba über kurz oder lang uns gehören müsse. In der That, dieß ist, wie man mir sagt, schon lange vor Abschluß des Vertrages über Florida, die Meinung vieler Personen von höchster Achtbarkeit mit Einschluß Herrn Jefferson's gewesen. Es ergiebt sich naturgemäß aus einer Betrachtung der geographischen Lage der Insel gegen¬ über den Vereinigten Staaten. In den Händen einer mächtigen und rührigen Nation würde sie eine so vollständige Beherrschung des Handels im Golf von Mexiko und der Schifffahrt auf dem Missisippistrome mit sich führen, daß sie den Verkehr unseres Landes in dieser Richtung ernstlich gefährden würde. Unsere Sicherheit vor dieser Gefahr ist, wie ich glaube, lange als einzig von der Schwäche und Machtlosigkeit Spaniens herrührend betrachtet worden, und ') Dieselbe erfolgte im Oktober 1S20.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/498>, abgerufen am 27.05.2024.