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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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an den Agenten und Spionen der Regierung, er entkleidete sie, beschmierte
sie mit Theer, wälzte sie in Federn und peitschte sie durch die Straßen. Die
Soldaten aber wurden verhöhnt, man verhöhnte sie als "Seekrebse" oder --
in Anspielung auf die cat ok nine dans -- "blutige Buckel" und sie ver¬
galten mit "verfluchte Uankees" und "verdammte Rebellen".

Während von New-Uork aus der Aufruf zur Bestellung einer allgemeinen
legislativen Corporation nach allen Colonien erging und man an eine mit
England verbundene amerikanische Union dachte, wünschte man überhaupt
in Amerika Ausgleich und Versöhnung, keinen Krieg -- mit Spannung sah
man der Aufhebung aller Taxen mehr um des Principes als um des Beutels
willen entgegen. England strebte natürlich, mit Einsetzung seiner Kräfte, die
amerikanische Union in der Geburt zu ersticken. Im Januar 1770 fiel das
Ministerium; Chatham, der an eine Parlamentsreform dachte, rieth dem
Könige zu freiheitlicheren Ideen, dies war aber gerade als wenn er ihm zur
Abdankung gerathen hätte: Lord North wurde erster Lord des Schatzes und
auf ihn konnte Georg III. bauen. --

In New-Uork war es bereits am 17. Januar zur Fehde zwischen den
Bürgern und Soldaten gekommen, weil letztere einen Freiheitsbaum um¬
gehauen hatten. Boston nahm sich dies zum Beispiel, denn es mißachtete
seine Garnison und kleine Streitigkeiten waren nichts Ungewöhnliches, zumal
die Offiziere ihrer Mannschaft erlaubten, Abends auf den Straßen herumzu¬
lungern. Besonders lärmend ging es am Abend des 5. März 1770 zu; die
Soldaten fielen mit Knüppeln, Messern und Bayonnetten über das Volk
her, von den Thürmen läutete es Sturm, die Trommeln wirbelten, in hellen
Haufen stürmte das Volk daher -- im Handgemenge blieben drei Todte und
acht Verwundete. Dies war "das Bostoner Morden", wovon die englischen
Soldaten lange englische Mörder genannt wurden; schon der übertriebene
Name bezeichnet die gegenseitige Wuth; sobald Blut geflossen, wurde der
Gegner zur Bestie gestempelt. Am 6. März forderten die Bürger den Abzug
der Truppen, mit denen sie keinen Frieden haben könnten; durch Samuel
Adams eingeschüchtert, entfernte sie Hutchinson nach dem Fort William.
Gerichtlich wurde dann gegen die Soldaten verhandelt, deren Vertheidigung
die edelsten Patrioten als Ehrensache voll Humanität führten, John Adams
und Josias Quincy. Der Capitain du jour, Preston, und sechs Soldaten
wurden freigesprochen, zwei als Todtschläger überführt und, so gebrandmarkt,
begnadigt. Zum eigenen Ruhme entschied die bürgerliche Gerechtigkeit in
diesem Falle in edelster Mäßigung und Ruhe, ungetrübt durch Leidenschaft.
Chatham forderte die Aufhebung aller durch Townshend gebrachten Taxen,
North aber hielt am 5. März 1770 den Theezoll als das Zeichen der parlamen¬
tarischen Besteuerungsbefugniß aufrecht und siegte mit kleiner Majorität; an


an den Agenten und Spionen der Regierung, er entkleidete sie, beschmierte
sie mit Theer, wälzte sie in Federn und peitschte sie durch die Straßen. Die
Soldaten aber wurden verhöhnt, man verhöhnte sie als „Seekrebse" oder —
in Anspielung auf die cat ok nine dans — „blutige Buckel" und sie ver¬
galten mit „verfluchte Uankees" und „verdammte Rebellen".

Während von New-Uork aus der Aufruf zur Bestellung einer allgemeinen
legislativen Corporation nach allen Colonien erging und man an eine mit
England verbundene amerikanische Union dachte, wünschte man überhaupt
in Amerika Ausgleich und Versöhnung, keinen Krieg — mit Spannung sah
man der Aufhebung aller Taxen mehr um des Principes als um des Beutels
willen entgegen. England strebte natürlich, mit Einsetzung seiner Kräfte, die
amerikanische Union in der Geburt zu ersticken. Im Januar 1770 fiel das
Ministerium; Chatham, der an eine Parlamentsreform dachte, rieth dem
Könige zu freiheitlicheren Ideen, dies war aber gerade als wenn er ihm zur
Abdankung gerathen hätte: Lord North wurde erster Lord des Schatzes und
auf ihn konnte Georg III. bauen. —

In New-Uork war es bereits am 17. Januar zur Fehde zwischen den
Bürgern und Soldaten gekommen, weil letztere einen Freiheitsbaum um¬
gehauen hatten. Boston nahm sich dies zum Beispiel, denn es mißachtete
seine Garnison und kleine Streitigkeiten waren nichts Ungewöhnliches, zumal
die Offiziere ihrer Mannschaft erlaubten, Abends auf den Straßen herumzu¬
lungern. Besonders lärmend ging es am Abend des 5. März 1770 zu; die
Soldaten fielen mit Knüppeln, Messern und Bayonnetten über das Volk
her, von den Thürmen läutete es Sturm, die Trommeln wirbelten, in hellen
Haufen stürmte das Volk daher — im Handgemenge blieben drei Todte und
acht Verwundete. Dies war „das Bostoner Morden", wovon die englischen
Soldaten lange englische Mörder genannt wurden; schon der übertriebene
Name bezeichnet die gegenseitige Wuth; sobald Blut geflossen, wurde der
Gegner zur Bestie gestempelt. Am 6. März forderten die Bürger den Abzug
der Truppen, mit denen sie keinen Frieden haben könnten; durch Samuel
Adams eingeschüchtert, entfernte sie Hutchinson nach dem Fort William.
Gerichtlich wurde dann gegen die Soldaten verhandelt, deren Vertheidigung
die edelsten Patrioten als Ehrensache voll Humanität führten, John Adams
und Josias Quincy. Der Capitain du jour, Preston, und sechs Soldaten
wurden freigesprochen, zwei als Todtschläger überführt und, so gebrandmarkt,
begnadigt. Zum eigenen Ruhme entschied die bürgerliche Gerechtigkeit in
diesem Falle in edelster Mäßigung und Ruhe, ungetrübt durch Leidenschaft.
Chatham forderte die Aufhebung aller durch Townshend gebrachten Taxen,
North aber hielt am 5. März 1770 den Theezoll als das Zeichen der parlamen¬
tarischen Besteuerungsbefugniß aufrecht und siegte mit kleiner Majorität; an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/92>, abgerufen am 16.06.2024.