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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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so weit zu sagen: "Nichts können wir den Amerikanern bewilligen als was
sie den Strick um den Hals erbitten" -- er theilte den Statthaltern den
Cabinetsbeschluß mit. Als Virginien die Drohung hörte, amerikanische
Bürger nach England zu deportiren, erhob sich die Legislatur dagegen; sie
beanspruchte am 16. Mai das alleinige Recht den Virginiern Steuern auf-
zulegen und warnte den König ein tyrannisches Edikt aus den Tagen der
Tudor zu erneuern und auf Amerika, also ein fremdes Gebiet, anzuwenden;
Tags darauf löste Gouverneur Lord Botetourt sie auf. Sie aber theilte ihre
Beschlüsse den anderen Legislaturen mit und erbat ihre Mitwirkung, richtete
auch eine Adresse an Georg III. Dann versammelte sie sich als Privat¬
gesellschaft, beschloß fernerhin keine englischen Produkte zu tmportiren, bis
alle Zölle aufgehoben seien, und weder Sklaven einzuführen noch eingeführte
zu kaufen, und theilte dies der ganzen Colonie mit -- wir begegnen hier
den gefeierten Namen Georg Washington, Jefferson, Patrick Henry, Richard
Bland, Richard Henry Lee, Peplon Randolph. Wörtlich nahm Delaware
die virginischen Beschlüsse an, Pennsylvanien und beide Carolina billigten sie,
ebenso Massachusetts. Hier war eine neue Legislatur gewählt worden, die
am 31. Mai von Bernard vergebens die Zurückziehung der Truppen forderte,
dann die Beschlüsse Virginiens annahm und rundweg jede Verwilligung für
die Truppen abschlug -- demzufolge wurde sie vertagt auf den 10. Januar 1770.
Boston genügte nicht die Aufhebung einiger Zölle, es forderte die aller.
Nun wurde zwar Bernard, der doppelzüngige Mann, abberufen und fuhr
unter Freudenfeuer, Geläute und Kanonendonner ab, aber sein Nachfolger,
der längst verdächtige Hutchinson, erregte kein Vertrauen. Ein Sohn von
Massachusetts, betheuerte der achselträgerische Gouverneur der Colonie sein
wärmstes Interesse, während er, unterstützt von vollkommener Detailkenntniß
der colonialen Geschichte und Verfassung, England die Mittel zur Unter¬
jochung an die Hand gab, freilich stets um Vernichtung oder Geheimhaltung
seiner Briefe bittend. Wie Boston importirte New-York keine britischen
Erzeugnisse, bildete Vereine, und dachte bald an eine Union der Colonien in
einem amerikanischen Parlamente, doch sollte jede ihre Sonderregierung be¬
halten; es fand den Zuspruch von Massachusetts und Südcarolina. In
einer Ansprache "an die Welt" vom 18. Oktober forderte die Bostoner
Vürgerversammlung die Rücknahme aller Steuern und die Entfernung der
Truppen und erklärte diejenigen, welche wie Hutchinson's Söhne englische
Waaren importirten und kauften, für infam. Unausgesetzt hetzte nun der
Gouverneur in London, seine Briefe gössen Oel ins Feuer. In Boston
standen that- und zwecklos die Truppen, ihr Anblick wie ihre Uebungen
waren den Bürgern ein Greuel, ihre Kanonen waren auf das Staatenhaus
gerichtet. Ohne alle Rücksicht auf die Soldaten übte der Pöbel Lynchjusti-


so weit zu sagen: „Nichts können wir den Amerikanern bewilligen als was
sie den Strick um den Hals erbitten" — er theilte den Statthaltern den
Cabinetsbeschluß mit. Als Virginien die Drohung hörte, amerikanische
Bürger nach England zu deportiren, erhob sich die Legislatur dagegen; sie
beanspruchte am 16. Mai das alleinige Recht den Virginiern Steuern auf-
zulegen und warnte den König ein tyrannisches Edikt aus den Tagen der
Tudor zu erneuern und auf Amerika, also ein fremdes Gebiet, anzuwenden;
Tags darauf löste Gouverneur Lord Botetourt sie auf. Sie aber theilte ihre
Beschlüsse den anderen Legislaturen mit und erbat ihre Mitwirkung, richtete
auch eine Adresse an Georg III. Dann versammelte sie sich als Privat¬
gesellschaft, beschloß fernerhin keine englischen Produkte zu tmportiren, bis
alle Zölle aufgehoben seien, und weder Sklaven einzuführen noch eingeführte
zu kaufen, und theilte dies der ganzen Colonie mit — wir begegnen hier
den gefeierten Namen Georg Washington, Jefferson, Patrick Henry, Richard
Bland, Richard Henry Lee, Peplon Randolph. Wörtlich nahm Delaware
die virginischen Beschlüsse an, Pennsylvanien und beide Carolina billigten sie,
ebenso Massachusetts. Hier war eine neue Legislatur gewählt worden, die
am 31. Mai von Bernard vergebens die Zurückziehung der Truppen forderte,
dann die Beschlüsse Virginiens annahm und rundweg jede Verwilligung für
die Truppen abschlug — demzufolge wurde sie vertagt auf den 10. Januar 1770.
Boston genügte nicht die Aufhebung einiger Zölle, es forderte die aller.
Nun wurde zwar Bernard, der doppelzüngige Mann, abberufen und fuhr
unter Freudenfeuer, Geläute und Kanonendonner ab, aber sein Nachfolger,
der längst verdächtige Hutchinson, erregte kein Vertrauen. Ein Sohn von
Massachusetts, betheuerte der achselträgerische Gouverneur der Colonie sein
wärmstes Interesse, während er, unterstützt von vollkommener Detailkenntniß
der colonialen Geschichte und Verfassung, England die Mittel zur Unter¬
jochung an die Hand gab, freilich stets um Vernichtung oder Geheimhaltung
seiner Briefe bittend. Wie Boston importirte New-York keine britischen
Erzeugnisse, bildete Vereine, und dachte bald an eine Union der Colonien in
einem amerikanischen Parlamente, doch sollte jede ihre Sonderregierung be¬
halten; es fand den Zuspruch von Massachusetts und Südcarolina. In
einer Ansprache „an die Welt" vom 18. Oktober forderte die Bostoner
Vürgerversammlung die Rücknahme aller Steuern und die Entfernung der
Truppen und erklärte diejenigen, welche wie Hutchinson's Söhne englische
Waaren importirten und kauften, für infam. Unausgesetzt hetzte nun der
Gouverneur in London, seine Briefe gössen Oel ins Feuer. In Boston
standen that- und zwecklos die Truppen, ihr Anblick wie ihre Uebungen
waren den Bürgern ein Greuel, ihre Kanonen waren auf das Staatenhaus
gerichtet. Ohne alle Rücksicht auf die Soldaten übte der Pöbel Lynchjusti-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/91>, abgerufen am 24.05.2024.