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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Um 9 Uhr Vormittags machten wir in der Nähe eines Vächleins mit
fast milchtrübem Wasser im Schatten einer dicht belaubten Tamarinde Halt,
um unsern Leib durch einige von Dondo mitgenommene kalte Speisen zu
stärken und um die übrigen zurückgebliebenen Träger zu erwarten. Lange
saßen wir jedoch nicht beim mündenden Mahl, denn ein Heer großer, gelber
Termiten, welches über uns und unsere Speisen herfiel, trieb uns eiligst in die
Flucht. Um 1^/2 Uhr Mittags erreichten wir das erste Negerdorf Kumbo,
dessen Einwohner natürlich, sobald sie Wind davon bekommen, daß portu-
giesisch-angolensische Landesvertheidiger die Gegend unsicher machten, sich un¬
sichtbar gemacht hatten. Das Dorf schien ausgestorben und nur eben stehen
oder liegen gelassene Geräthe ließen auf kurz vorher dagewesene Bewohner
schließen. Endlich erschien eine alte Frau mit einigen Kindern, zitternd und
heulend vor den Major Marques geführt. -- Der Prozeß war kurz; da die
Frau -- die Gattin des verlangten Dorfherrn -- den Aufenthaltsort dessel¬
ben nicht angeben konnte oder wollte, wurden ihre Kinder auf Marque's Be¬
fehl gebunden und als Sclaven betrachtet. Fast schon unterwegs mit unserer
kleinen menschlichen Beute kam der Dorfherr, um seine Kinder und Unter¬
thanen zu befreien. Durch Unwissenheit unserer Führer waren wir in ein
Dorf gekommen, dessen Fürst nicht, wie Marques es vorausgesetzt, von un¬
serem Kommen benachrichtigt war. -- Wir brachen daher nach der unerquicklichen
Scene, welche die Willkürherrschaft der portugiesischen Beamten und die Werth-
losigkeit des Menschenlebens in Afrika recht ins Licht stellt, wieder aus, um
in das auf unserer Route verzeichnete Dorf zu gelangen; nur wenige Minuten
später und wir hatten unser Ziel, ein Nachbardors, erreicht. -- Von hier,
durch und Nahrung gestärkt, wieder abmarschirend, langten wir nach
Sonnenuntergang schon bei fast vollständiger Dunkelheit in Dombo, dem
Hause eines einzeln lebenden Portugiesen, an. Leider war dort, wie immer
auf unseren Reisen, wenn wir nicht des Coanza mächtige Wasserader berühr¬
en, nur weniges und dazu noch dicktrübes Wasser vorzufinden. Vor dem
Hause wurde das Nachtlager hergerichtet; nachdem die letzten der saumseligen
Träger angelangt, wurde das Gepäck zusammengestaut, wurden nicht weit davon
unsere eisernen Reisebetten gebrauchstüchtig gemacht. Kaum jedoch mit dem
Arrangement für die Nacht fertig, begann die Arbeit von Neuem, da ein
stark drohender Regen uns zwang, Alles ins Haus zu bringen. In dem
^nzigen Raum desselben, zwischen unseren Blechkoffern. Proviantsäcken und
Hängematten bereiteten wir unser Nachtmahl. Das trübe Wasser wurde ge-
kocht, durch ein leinenes Tuch filtrirt und ihm eine genügende Portion
Thee, portugiesischen Weines (pinto as xa.so) und etwas Zucker zugesetzt.
Dazu verzehrten wir etwas Schiffsbrod und um uns doch etwas Europäer
5" fühlen, steckten wir uns eine der damals noch vorhandenen Cigarren an.


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Um 9 Uhr Vormittags machten wir in der Nähe eines Vächleins mit
fast milchtrübem Wasser im Schatten einer dicht belaubten Tamarinde Halt,
um unsern Leib durch einige von Dondo mitgenommene kalte Speisen zu
stärken und um die übrigen zurückgebliebenen Träger zu erwarten. Lange
saßen wir jedoch nicht beim mündenden Mahl, denn ein Heer großer, gelber
Termiten, welches über uns und unsere Speisen herfiel, trieb uns eiligst in die
Flucht. Um 1^/2 Uhr Mittags erreichten wir das erste Negerdorf Kumbo,
dessen Einwohner natürlich, sobald sie Wind davon bekommen, daß portu-
giesisch-angolensische Landesvertheidiger die Gegend unsicher machten, sich un¬
sichtbar gemacht hatten. Das Dorf schien ausgestorben und nur eben stehen
oder liegen gelassene Geräthe ließen auf kurz vorher dagewesene Bewohner
schließen. Endlich erschien eine alte Frau mit einigen Kindern, zitternd und
heulend vor den Major Marques geführt. — Der Prozeß war kurz; da die
Frau — die Gattin des verlangten Dorfherrn — den Aufenthaltsort dessel¬
ben nicht angeben konnte oder wollte, wurden ihre Kinder auf Marque's Be¬
fehl gebunden und als Sclaven betrachtet. Fast schon unterwegs mit unserer
kleinen menschlichen Beute kam der Dorfherr, um seine Kinder und Unter¬
thanen zu befreien. Durch Unwissenheit unserer Führer waren wir in ein
Dorf gekommen, dessen Fürst nicht, wie Marques es vorausgesetzt, von un¬
serem Kommen benachrichtigt war. — Wir brachen daher nach der unerquicklichen
Scene, welche die Willkürherrschaft der portugiesischen Beamten und die Werth-
losigkeit des Menschenlebens in Afrika recht ins Licht stellt, wieder aus, um
in das auf unserer Route verzeichnete Dorf zu gelangen; nur wenige Minuten
später und wir hatten unser Ziel, ein Nachbardors, erreicht. — Von hier,
durch und Nahrung gestärkt, wieder abmarschirend, langten wir nach
Sonnenuntergang schon bei fast vollständiger Dunkelheit in Dombo, dem
Hause eines einzeln lebenden Portugiesen, an. Leider war dort, wie immer
auf unseren Reisen, wenn wir nicht des Coanza mächtige Wasserader berühr¬
en, nur weniges und dazu noch dicktrübes Wasser vorzufinden. Vor dem
Hause wurde das Nachtlager hergerichtet; nachdem die letzten der saumseligen
Träger angelangt, wurde das Gepäck zusammengestaut, wurden nicht weit davon
unsere eisernen Reisebetten gebrauchstüchtig gemacht. Kaum jedoch mit dem
Arrangement für die Nacht fertig, begann die Arbeit von Neuem, da ein
stark drohender Regen uns zwang, Alles ins Haus zu bringen. In dem
^nzigen Raum desselben, zwischen unseren Blechkoffern. Proviantsäcken und
Hängematten bereiteten wir unser Nachtmahl. Das trübe Wasser wurde ge-
kocht, durch ein leinenes Tuch filtrirt und ihm eine genügende Portion
Thee, portugiesischen Weines (pinto as xa.so) und etwas Zucker zugesetzt.
Dazu verzehrten wir etwas Schiffsbrod und um uns doch etwas Europäer
5" fühlen, steckten wir uns eine der damals noch vorhandenen Cigarren an.


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[0101] Um 9 Uhr Vormittags machten wir in der Nähe eines Vächleins mit fast milchtrübem Wasser im Schatten einer dicht belaubten Tamarinde Halt, um unsern Leib durch einige von Dondo mitgenommene kalte Speisen zu stärken und um die übrigen zurückgebliebenen Träger zu erwarten. Lange saßen wir jedoch nicht beim mündenden Mahl, denn ein Heer großer, gelber Termiten, welches über uns und unsere Speisen herfiel, trieb uns eiligst in die Flucht. Um 1^/2 Uhr Mittags erreichten wir das erste Negerdorf Kumbo, dessen Einwohner natürlich, sobald sie Wind davon bekommen, daß portu- giesisch-angolensische Landesvertheidiger die Gegend unsicher machten, sich un¬ sichtbar gemacht hatten. Das Dorf schien ausgestorben und nur eben stehen oder liegen gelassene Geräthe ließen auf kurz vorher dagewesene Bewohner schließen. Endlich erschien eine alte Frau mit einigen Kindern, zitternd und heulend vor den Major Marques geführt. — Der Prozeß war kurz; da die Frau — die Gattin des verlangten Dorfherrn — den Aufenthaltsort dessel¬ ben nicht angeben konnte oder wollte, wurden ihre Kinder auf Marque's Be¬ fehl gebunden und als Sclaven betrachtet. Fast schon unterwegs mit unserer kleinen menschlichen Beute kam der Dorfherr, um seine Kinder und Unter¬ thanen zu befreien. Durch Unwissenheit unserer Führer waren wir in ein Dorf gekommen, dessen Fürst nicht, wie Marques es vorausgesetzt, von un¬ serem Kommen benachrichtigt war. — Wir brachen daher nach der unerquicklichen Scene, welche die Willkürherrschaft der portugiesischen Beamten und die Werth- losigkeit des Menschenlebens in Afrika recht ins Licht stellt, wieder aus, um in das auf unserer Route verzeichnete Dorf zu gelangen; nur wenige Minuten später und wir hatten unser Ziel, ein Nachbardors, erreicht. — Von hier, durch und Nahrung gestärkt, wieder abmarschirend, langten wir nach Sonnenuntergang schon bei fast vollständiger Dunkelheit in Dombo, dem Hause eines einzeln lebenden Portugiesen, an. Leider war dort, wie immer auf unseren Reisen, wenn wir nicht des Coanza mächtige Wasserader berühr¬ en, nur weniges und dazu noch dicktrübes Wasser vorzufinden. Vor dem Hause wurde das Nachtlager hergerichtet; nachdem die letzten der saumseligen Träger angelangt, wurde das Gepäck zusammengestaut, wurden nicht weit davon unsere eisernen Reisebetten gebrauchstüchtig gemacht. Kaum jedoch mit dem Arrangement für die Nacht fertig, begann die Arbeit von Neuem, da ein stark drohender Regen uns zwang, Alles ins Haus zu bringen. In dem ^nzigen Raum desselben, zwischen unseren Blechkoffern. Proviantsäcken und Hängematten bereiteten wir unser Nachtmahl. Das trübe Wasser wurde ge- kocht, durch ein leinenes Tuch filtrirt und ihm eine genügende Portion Thee, portugiesischen Weines (pinto as xa.so) und etwas Zucker zugesetzt. Dazu verzehrten wir etwas Schiffsbrod und um uns doch etwas Europäer 5" fühlen, steckten wir uns eine der damals noch vorhandenen Cigarren an. MronzlwttN IV. 1K7«>. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/101>, abgerufen am 31.05.2024.