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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Der Regen hatte nun aufgehört und die kühlere Luft, die Sternennacht lock¬
ten uns ins Freie hinaus. Wieder stellten wir unsere Reisebetten vor der
Thür auf und warfen uns des kräftigenden Schlafes harrend hinein. --
Bald verriethen nur das glimmende Feuer und bisweilen aufsteigende
Rauchwölkchen der Cigarre, daß wir noch nicht entschlafen. Da lag ich nun
unter dem Tropenhimmel einer lauen Nacht; träumerisch sah ich der wirbeln¬
den Säule des Rauches nach, der sich bald in der kühlen Luft verlor, und
mein Blick traf die tiefdunkele Himmels-Kuppel. übersäet mit der Unzahl
glanzvoller Sterne. Des Orion Bild bewunderte ich, das Siebengestirn, die
Magelhaen'schen Wolkenschleier und das liedgefeierte Kreuz des Südens. Es
war lange Zeit Sitte oder eigentlich Manie, diesem letztgenannten Sternbild
den Preis der Schönheit zuzuerkennen und selbst noch Humboldt sprach von
ihm in glühenden Worten. Ich muß jedoch, die Schönheit des Kreuzes
immerhin würdigend, gestehen, daß anderen Sternbildern der Vorrang zu¬
kommt. Das Kreuz ist nicht von regelmäßiger Form und einer seiner Sterne bei
nicht ganz klarem Wetter seiner geringen Größe wegen nicht zu sehen; Jda Pfeiffer
soll die Erste gewesen sein, die das Bild etwas nüchterner betrachtete, und
der gewiß schwärmerische, phantasiereiche Maximilian von Mexiko schloß sein
Urtheil dem ihrigen an. -- So schön die Nacht war, so glanzvoll die Sterne von
unnahbaren Fernen leuchteten, so forderte doch auch der Körper sein Recht; das
Feuer des duftenden Krautes und der Augen erlosch allmählich und bald ent¬
schlief ich, leider nicht unbelästigt von den bei Regenluft ihren Eifer verdop¬
pelnden Moskiten. -- Schon vor 6 Uhr am nächsten Tage wieder munter,
kamen wir doch wegen der Saumseligkeit unserer Träger vor 5^/-, Uhr nicht
vom Platze. Wegen dieser Bequemlichkeit der Träger scheint es geboten, die
Hülfe der Militairbegleitung zu benutzen. Wer jedoch das portugiesisch-an-
golensische .Heer" aus eigener Anschauung und durch Umgang mit demselben
kennt, wird sich vor ihm hüten. Uebrigens richtet auch zweckgemäßes, haupt¬
sächlich consequentes Benehmen beim Neger oft mehr aus, als die größte
Machtentfaltung. -- Von Dombo abmarschirt, campirten wir in der Mit¬
tagszeit in M-panda, der Niederlassung eines viehhandelnden, alten Portu¬
giesen, auf dessen Weiden wir die fetten Ochsen grasen sahen, die später als
spindelmagere Thiere auf dem Markte (Kitanda) Loandas. der Hauptstadt
Angolas, verkauft werden. Um 6'/-, Uhr Abends erreichten wir, auf dem
Wege dorthin verfallene und verlassene Dörfer passirend und vorbei an Ueber¬
resten von Bauten aus portugiesischer Blüthezeit, Angola Calunga, wo uns
die etwas emancipirte, wirklich forsche schwarze Herrin des Dorfes in höchst
cordialer Weise empfing. Angola Calunga liegt schon weit hinein in den
Bergen und gestattet nur einen kurzen Fernblick, der im Kreise von den
Contouren der Bergzugsrücken gegen den Horizont beschränkt wird. Erheb-


Der Regen hatte nun aufgehört und die kühlere Luft, die Sternennacht lock¬
ten uns ins Freie hinaus. Wieder stellten wir unsere Reisebetten vor der
Thür auf und warfen uns des kräftigenden Schlafes harrend hinein. —
Bald verriethen nur das glimmende Feuer und bisweilen aufsteigende
Rauchwölkchen der Cigarre, daß wir noch nicht entschlafen. Da lag ich nun
unter dem Tropenhimmel einer lauen Nacht; träumerisch sah ich der wirbeln¬
den Säule des Rauches nach, der sich bald in der kühlen Luft verlor, und
mein Blick traf die tiefdunkele Himmels-Kuppel. übersäet mit der Unzahl
glanzvoller Sterne. Des Orion Bild bewunderte ich, das Siebengestirn, die
Magelhaen'schen Wolkenschleier und das liedgefeierte Kreuz des Südens. Es
war lange Zeit Sitte oder eigentlich Manie, diesem letztgenannten Sternbild
den Preis der Schönheit zuzuerkennen und selbst noch Humboldt sprach von
ihm in glühenden Worten. Ich muß jedoch, die Schönheit des Kreuzes
immerhin würdigend, gestehen, daß anderen Sternbildern der Vorrang zu¬
kommt. Das Kreuz ist nicht von regelmäßiger Form und einer seiner Sterne bei
nicht ganz klarem Wetter seiner geringen Größe wegen nicht zu sehen; Jda Pfeiffer
soll die Erste gewesen sein, die das Bild etwas nüchterner betrachtete, und
der gewiß schwärmerische, phantasiereiche Maximilian von Mexiko schloß sein
Urtheil dem ihrigen an. — So schön die Nacht war, so glanzvoll die Sterne von
unnahbaren Fernen leuchteten, so forderte doch auch der Körper sein Recht; das
Feuer des duftenden Krautes und der Augen erlosch allmählich und bald ent¬
schlief ich, leider nicht unbelästigt von den bei Regenluft ihren Eifer verdop¬
pelnden Moskiten. — Schon vor 6 Uhr am nächsten Tage wieder munter,
kamen wir doch wegen der Saumseligkeit unserer Träger vor 5^/-, Uhr nicht
vom Platze. Wegen dieser Bequemlichkeit der Träger scheint es geboten, die
Hülfe der Militairbegleitung zu benutzen. Wer jedoch das portugiesisch-an-
golensische .Heer" aus eigener Anschauung und durch Umgang mit demselben
kennt, wird sich vor ihm hüten. Uebrigens richtet auch zweckgemäßes, haupt¬
sächlich consequentes Benehmen beim Neger oft mehr aus, als die größte
Machtentfaltung. — Von Dombo abmarschirt, campirten wir in der Mit¬
tagszeit in M-panda, der Niederlassung eines viehhandelnden, alten Portu¬
giesen, auf dessen Weiden wir die fetten Ochsen grasen sahen, die später als
spindelmagere Thiere auf dem Markte (Kitanda) Loandas. der Hauptstadt
Angolas, verkauft werden. Um 6'/-, Uhr Abends erreichten wir, auf dem
Wege dorthin verfallene und verlassene Dörfer passirend und vorbei an Ueber¬
resten von Bauten aus portugiesischer Blüthezeit, Angola Calunga, wo uns
die etwas emancipirte, wirklich forsche schwarze Herrin des Dorfes in höchst
cordialer Weise empfing. Angola Calunga liegt schon weit hinein in den
Bergen und gestattet nur einen kurzen Fernblick, der im Kreise von den
Contouren der Bergzugsrücken gegen den Horizont beschränkt wird. Erheb-


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[0102] Der Regen hatte nun aufgehört und die kühlere Luft, die Sternennacht lock¬ ten uns ins Freie hinaus. Wieder stellten wir unsere Reisebetten vor der Thür auf und warfen uns des kräftigenden Schlafes harrend hinein. — Bald verriethen nur das glimmende Feuer und bisweilen aufsteigende Rauchwölkchen der Cigarre, daß wir noch nicht entschlafen. Da lag ich nun unter dem Tropenhimmel einer lauen Nacht; träumerisch sah ich der wirbeln¬ den Säule des Rauches nach, der sich bald in der kühlen Luft verlor, und mein Blick traf die tiefdunkele Himmels-Kuppel. übersäet mit der Unzahl glanzvoller Sterne. Des Orion Bild bewunderte ich, das Siebengestirn, die Magelhaen'schen Wolkenschleier und das liedgefeierte Kreuz des Südens. Es war lange Zeit Sitte oder eigentlich Manie, diesem letztgenannten Sternbild den Preis der Schönheit zuzuerkennen und selbst noch Humboldt sprach von ihm in glühenden Worten. Ich muß jedoch, die Schönheit des Kreuzes immerhin würdigend, gestehen, daß anderen Sternbildern der Vorrang zu¬ kommt. Das Kreuz ist nicht von regelmäßiger Form und einer seiner Sterne bei nicht ganz klarem Wetter seiner geringen Größe wegen nicht zu sehen; Jda Pfeiffer soll die Erste gewesen sein, die das Bild etwas nüchterner betrachtete, und der gewiß schwärmerische, phantasiereiche Maximilian von Mexiko schloß sein Urtheil dem ihrigen an. — So schön die Nacht war, so glanzvoll die Sterne von unnahbaren Fernen leuchteten, so forderte doch auch der Körper sein Recht; das Feuer des duftenden Krautes und der Augen erlosch allmählich und bald ent¬ schlief ich, leider nicht unbelästigt von den bei Regenluft ihren Eifer verdop¬ pelnden Moskiten. — Schon vor 6 Uhr am nächsten Tage wieder munter, kamen wir doch wegen der Saumseligkeit unserer Träger vor 5^/-, Uhr nicht vom Platze. Wegen dieser Bequemlichkeit der Träger scheint es geboten, die Hülfe der Militairbegleitung zu benutzen. Wer jedoch das portugiesisch-an- golensische .Heer" aus eigener Anschauung und durch Umgang mit demselben kennt, wird sich vor ihm hüten. Uebrigens richtet auch zweckgemäßes, haupt¬ sächlich consequentes Benehmen beim Neger oft mehr aus, als die größte Machtentfaltung. — Von Dombo abmarschirt, campirten wir in der Mit¬ tagszeit in M-panda, der Niederlassung eines viehhandelnden, alten Portu¬ giesen, auf dessen Weiden wir die fetten Ochsen grasen sahen, die später als spindelmagere Thiere auf dem Markte (Kitanda) Loandas. der Hauptstadt Angolas, verkauft werden. Um 6'/-, Uhr Abends erreichten wir, auf dem Wege dorthin verfallene und verlassene Dörfer passirend und vorbei an Ueber¬ resten von Bauten aus portugiesischer Blüthezeit, Angola Calunga, wo uns die etwas emancipirte, wirklich forsche schwarze Herrin des Dorfes in höchst cordialer Weise empfing. Angola Calunga liegt schon weit hinein in den Bergen und gestattet nur einen kurzen Fernblick, der im Kreise von den Contouren der Bergzugsrücken gegen den Horizont beschränkt wird. Erheb-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/102>, abgerufen am 31.05.2024.