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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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und ein interessantes, kluges Gesicht, welches von dem in Europa als allge¬
mein angenommenen Negertypus nichts weiter besaß, als die allerdings etwas
aufgeworfenen Lippen. Seine Hautfarbe war ein schönes Schwarzbraun.
Seinen Körper umgab eine kleidsame Uniform, da er Capitain in der "ersten"
Linie der portugiestsch-angolenstschen Armee war. In San Paolo de Loanda
erzogen, ist er in gesellschaftlichen Benehmen jedem courfähigen Europäer
ebenbürtig, und an Tactgefühl Manchem von uns überlegen. Er ist ange¬
stammter Herrscher eines kleinen Reiches, das er im Verein mit seinen Ma¬
ltas, den nettesten des Volkes, im Dienste der Krone Portugals verwaltet.
Er giebt sich Mühe, die Lichtseiten europäischer Cultur seinem Lande zu Gute
kommen zu lassen und versucht viele unserer Institutionen dort einzuführen; --
freilich nicht immer mit Erfolg, denn nach seinen Klagen war es ihm bisher
unmöglich gewesen, die dort so nothwendige Pockenimpfung durchzubringen,
alle seine Versuche scheiterten an der Ungläubigkeit und dem Aberglauben
seines -- Senates.

Um 10 Uhr, müde gemacht durch den anstrengenden Marsch durch die
Berge, begaben wir uns zur Ruhe, und zwar diesmal in einem Lehmhause.
Es sollte jedoch eine schlaflose Nacht werden; denn kleine Fliegen --
"Gnitzen" -- trieben zu unendlichen Schaaren ihr blutsaugerisches Hand¬
werk, so daß ich rauchend und lesend die Zeit bis zum Tagesanbruch ver¬
brachte. Schon der erste Strahl der Sonne traf mich weit draußen in der
Steppe, die das Dorf umgiebt. Fernher tönte mir das Rauschen eines der
Coanzakatarakte zwischen das Jubellied der erwachenden Vogelwelt, und
siegreich verjagte das goldene Gestirn jenen Erlkönigschweif, der unheimlich
dicht und gespenstig über dem Flusse lag. Thauschwer senkten die "Schmuck-
gräser" ihre feinen Aehren nieder, eine Welt kleinen, geschäftigen Lebens vor
dem Blick des schonungsloser Menschen und noch viel schonungsloseren
Sammlers verbergend. Ein Brillantenmeer streute der Sonne Strahl über
die Welt, üppig umschmeichelte er die verwetterte Stirne der altersgrauen
Berge und von den zarten Blättchen der Acacien sog er wollüstig den feuchten
Kuß der Nacht. Auch der Mensch erwachte; von einem Baum, auf den ich.
um gute Rundschau zu halten, geklettert war, sah ich im Dorf Rauchwolken
häufiger werden, als die von den Nachtfeuern, und Töne menschlicher
Stimmen drangen an mein Ohr. Langsam schlenderte ich nach Haus, -- lang¬
sam, denn heute war Zeit dazu, da wir einen Tag der Rast in Dumbo
a Pepe zubringen wollten. Schon fand ich meine Collegen, unsere Reise¬
begleiter und unseren Wirth wieder unter dem großen Baobab. schnell war
der Morgenthee bereitet und plaudernd rückten wir zusammen. Unsere
Träger hockten fröstelnd um ihre Feuer, die sehnigen Gestalten in ein dünnes
Kattunstück vollständig eingehüllt, wortkarg und still, bis ein miMbiedo --


und ein interessantes, kluges Gesicht, welches von dem in Europa als allge¬
mein angenommenen Negertypus nichts weiter besaß, als die allerdings etwas
aufgeworfenen Lippen. Seine Hautfarbe war ein schönes Schwarzbraun.
Seinen Körper umgab eine kleidsame Uniform, da er Capitain in der „ersten"
Linie der portugiestsch-angolenstschen Armee war. In San Paolo de Loanda
erzogen, ist er in gesellschaftlichen Benehmen jedem courfähigen Europäer
ebenbürtig, und an Tactgefühl Manchem von uns überlegen. Er ist ange¬
stammter Herrscher eines kleinen Reiches, das er im Verein mit seinen Ma¬
ltas, den nettesten des Volkes, im Dienste der Krone Portugals verwaltet.
Er giebt sich Mühe, die Lichtseiten europäischer Cultur seinem Lande zu Gute
kommen zu lassen und versucht viele unserer Institutionen dort einzuführen; —
freilich nicht immer mit Erfolg, denn nach seinen Klagen war es ihm bisher
unmöglich gewesen, die dort so nothwendige Pockenimpfung durchzubringen,
alle seine Versuche scheiterten an der Ungläubigkeit und dem Aberglauben
seines — Senates.

Um 10 Uhr, müde gemacht durch den anstrengenden Marsch durch die
Berge, begaben wir uns zur Ruhe, und zwar diesmal in einem Lehmhause.
Es sollte jedoch eine schlaflose Nacht werden; denn kleine Fliegen —
„Gnitzen" — trieben zu unendlichen Schaaren ihr blutsaugerisches Hand¬
werk, so daß ich rauchend und lesend die Zeit bis zum Tagesanbruch ver¬
brachte. Schon der erste Strahl der Sonne traf mich weit draußen in der
Steppe, die das Dorf umgiebt. Fernher tönte mir das Rauschen eines der
Coanzakatarakte zwischen das Jubellied der erwachenden Vogelwelt, und
siegreich verjagte das goldene Gestirn jenen Erlkönigschweif, der unheimlich
dicht und gespenstig über dem Flusse lag. Thauschwer senkten die „Schmuck-
gräser" ihre feinen Aehren nieder, eine Welt kleinen, geschäftigen Lebens vor
dem Blick des schonungsloser Menschen und noch viel schonungsloseren
Sammlers verbergend. Ein Brillantenmeer streute der Sonne Strahl über
die Welt, üppig umschmeichelte er die verwetterte Stirne der altersgrauen
Berge und von den zarten Blättchen der Acacien sog er wollüstig den feuchten
Kuß der Nacht. Auch der Mensch erwachte; von einem Baum, auf den ich.
um gute Rundschau zu halten, geklettert war, sah ich im Dorf Rauchwolken
häufiger werden, als die von den Nachtfeuern, und Töne menschlicher
Stimmen drangen an mein Ohr. Langsam schlenderte ich nach Haus, — lang¬
sam, denn heute war Zeit dazu, da wir einen Tag der Rast in Dumbo
a Pepe zubringen wollten. Schon fand ich meine Collegen, unsere Reise¬
begleiter und unseren Wirth wieder unter dem großen Baobab. schnell war
der Morgenthee bereitet und plaudernd rückten wir zusammen. Unsere
Träger hockten fröstelnd um ihre Feuer, die sehnigen Gestalten in ein dünnes
Kattunstück vollständig eingehüllt, wortkarg und still, bis ein miMbiedo —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/105>, abgerufen am 31.05.2024.