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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Derselbe Erfolg ist der Vervollständigung jener Schrift, die uns jetzt
unter dem Titel "I^a Leievce "Zu Rorate" (?aris, I-iKrairie as la Kamille,
?r. MdarÄt) vorliegt, in Frankreich sicher, und da gegen den Inhalt dieser
Betrachtungen und Rathschläge vom Standpunkte deutscher Lebensanschauung
und Sitte kaum Wesentliches einzuwenden ist, da dieselben vielmehr in manchen
Punkten zur Verschönerung und Bereicherung des Gebietes, welches wir gute
Lebensart nennen, beitragen können, und da sie in höchst anmuthiger und
natürlicher Sprache vorgetragen werden, so sehen wir nicht ein, warum sie
nicht auch unter uns willkommen genannt werden sollten. Wenn uns manche
Aeußerungen des französischen Geistes nicht sympathisch sind, so darf uns das
nicht abhalten, seine guten Seiten anzuerkennen, und wenn nicht Weniges
von den Auswüchsen des pariser Lebens von uns besser nicht schön gefunden
worden und nicht nachgeahmt geblieben wäre, im Punkte des feinen Taktes,
des urbaren Verkehrs mit Freunden und Fremden, der Artigkeit und des
rücksichtsvollen Verhaltens gegen Jedermann konnten und können wir noch
jetzt von den Franzosen lernen.

Die "FoisQcs an Noväs" fällt in vielen Stücken mit der Lebenskunst
zusammen, man kann sie so, wie die Verfasserin sie begreift, die Quintessenz
des savoir vivre oder die Politik des gesellschaftlichen Lebens nennen. Sie
ist gleichsam das Ceremoniel der wohlerzognen, zartempfindenden Welt, sie
ist in wesentlichen Punkten synonym mit Etiquette, Höflichkeit, berechtigtem
Herkommen im socialen Verkehr. Der Gentleman wird geboren, und die
xolitksss nu eoour läßt sich nicht anerziehen; aber der Welt gegenüber als
Gentleman wenigstens aufzutreten, kann man lernen, und hier haben wir
ein in liebenswürdiger Form abgefaßtes Compendium dazu, in dem wir schon
Bekannten und zur zweiten Natur Gewordenen fast ebenso gern begegnen,
wie dem Neuen, was geboten wird.

Die Verfasserin behandelt zunächst den Eintritt der jungen Leute in die
Welt, um dann zu zeigen, wie sie sich mit ihr zu stellen haben, und darauf
die verschiedenen Verhältnisse zu betrachten, in die Männer und Frauen durch
das Leben gebracht werden können. Ein interessantes Kapitel beschäftigt sich
mit dem Beginn einer Hauswirthschaft, ein anderes mit der allein stehenden
Frau und den Pflichten, die sie zu beobachten hat. Weiterhin begegnen
wir u. A. Regeln in Betreff von Picnies und Vergnügungspartien, von
Wetten und Vielliebchen, Besuchen und Einladungen. Die verschiedenen
Arten der Begrüßungen werden besprochen, desgleichen die Musik in der Ge¬
sellschaft, die Unterhaltung. Bälle, kleine Thee- und Abendgesellschaften, die
beste Art zu geben und zu empfangen, das Verhältniß der Tochter zum Vater,
der Tanz und die Gesellschaftsspiele, sowie noch manches andere hier in Be¬
tracht Kommende, wobei vorzugsweise auf das Bedürfniß der jungen Damen-


Derselbe Erfolg ist der Vervollständigung jener Schrift, die uns jetzt
unter dem Titel „I^a Leievce «Zu Rorate" (?aris, I-iKrairie as la Kamille,
?r. MdarÄt) vorliegt, in Frankreich sicher, und da gegen den Inhalt dieser
Betrachtungen und Rathschläge vom Standpunkte deutscher Lebensanschauung
und Sitte kaum Wesentliches einzuwenden ist, da dieselben vielmehr in manchen
Punkten zur Verschönerung und Bereicherung des Gebietes, welches wir gute
Lebensart nennen, beitragen können, und da sie in höchst anmuthiger und
natürlicher Sprache vorgetragen werden, so sehen wir nicht ein, warum sie
nicht auch unter uns willkommen genannt werden sollten. Wenn uns manche
Aeußerungen des französischen Geistes nicht sympathisch sind, so darf uns das
nicht abhalten, seine guten Seiten anzuerkennen, und wenn nicht Weniges
von den Auswüchsen des pariser Lebens von uns besser nicht schön gefunden
worden und nicht nachgeahmt geblieben wäre, im Punkte des feinen Taktes,
des urbaren Verkehrs mit Freunden und Fremden, der Artigkeit und des
rücksichtsvollen Verhaltens gegen Jedermann konnten und können wir noch
jetzt von den Franzosen lernen.

Die „FoisQcs an Noväs" fällt in vielen Stücken mit der Lebenskunst
zusammen, man kann sie so, wie die Verfasserin sie begreift, die Quintessenz
des savoir vivre oder die Politik des gesellschaftlichen Lebens nennen. Sie
ist gleichsam das Ceremoniel der wohlerzognen, zartempfindenden Welt, sie
ist in wesentlichen Punkten synonym mit Etiquette, Höflichkeit, berechtigtem
Herkommen im socialen Verkehr. Der Gentleman wird geboren, und die
xolitksss nu eoour läßt sich nicht anerziehen; aber der Welt gegenüber als
Gentleman wenigstens aufzutreten, kann man lernen, und hier haben wir
ein in liebenswürdiger Form abgefaßtes Compendium dazu, in dem wir schon
Bekannten und zur zweiten Natur Gewordenen fast ebenso gern begegnen,
wie dem Neuen, was geboten wird.

Die Verfasserin behandelt zunächst den Eintritt der jungen Leute in die
Welt, um dann zu zeigen, wie sie sich mit ihr zu stellen haben, und darauf
die verschiedenen Verhältnisse zu betrachten, in die Männer und Frauen durch
das Leben gebracht werden können. Ein interessantes Kapitel beschäftigt sich
mit dem Beginn einer Hauswirthschaft, ein anderes mit der allein stehenden
Frau und den Pflichten, die sie zu beobachten hat. Weiterhin begegnen
wir u. A. Regeln in Betreff von Picnies und Vergnügungspartien, von
Wetten und Vielliebchen, Besuchen und Einladungen. Die verschiedenen
Arten der Begrüßungen werden besprochen, desgleichen die Musik in der Ge¬
sellschaft, die Unterhaltung. Bälle, kleine Thee- und Abendgesellschaften, die
beste Art zu geben und zu empfangen, das Verhältniß der Tochter zum Vater,
der Tanz und die Gesellschaftsspiele, sowie noch manches andere hier in Be¬
tracht Kommende, wobei vorzugsweise auf das Bedürfniß der jungen Damen-


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[0179] Derselbe Erfolg ist der Vervollständigung jener Schrift, die uns jetzt unter dem Titel „I^a Leievce «Zu Rorate" (?aris, I-iKrairie as la Kamille, ?r. MdarÄt) vorliegt, in Frankreich sicher, und da gegen den Inhalt dieser Betrachtungen und Rathschläge vom Standpunkte deutscher Lebensanschauung und Sitte kaum Wesentliches einzuwenden ist, da dieselben vielmehr in manchen Punkten zur Verschönerung und Bereicherung des Gebietes, welches wir gute Lebensart nennen, beitragen können, und da sie in höchst anmuthiger und natürlicher Sprache vorgetragen werden, so sehen wir nicht ein, warum sie nicht auch unter uns willkommen genannt werden sollten. Wenn uns manche Aeußerungen des französischen Geistes nicht sympathisch sind, so darf uns das nicht abhalten, seine guten Seiten anzuerkennen, und wenn nicht Weniges von den Auswüchsen des pariser Lebens von uns besser nicht schön gefunden worden und nicht nachgeahmt geblieben wäre, im Punkte des feinen Taktes, des urbaren Verkehrs mit Freunden und Fremden, der Artigkeit und des rücksichtsvollen Verhaltens gegen Jedermann konnten und können wir noch jetzt von den Franzosen lernen. Die „FoisQcs an Noväs" fällt in vielen Stücken mit der Lebenskunst zusammen, man kann sie so, wie die Verfasserin sie begreift, die Quintessenz des savoir vivre oder die Politik des gesellschaftlichen Lebens nennen. Sie ist gleichsam das Ceremoniel der wohlerzognen, zartempfindenden Welt, sie ist in wesentlichen Punkten synonym mit Etiquette, Höflichkeit, berechtigtem Herkommen im socialen Verkehr. Der Gentleman wird geboren, und die xolitksss nu eoour läßt sich nicht anerziehen; aber der Welt gegenüber als Gentleman wenigstens aufzutreten, kann man lernen, und hier haben wir ein in liebenswürdiger Form abgefaßtes Compendium dazu, in dem wir schon Bekannten und zur zweiten Natur Gewordenen fast ebenso gern begegnen, wie dem Neuen, was geboten wird. Die Verfasserin behandelt zunächst den Eintritt der jungen Leute in die Welt, um dann zu zeigen, wie sie sich mit ihr zu stellen haben, und darauf die verschiedenen Verhältnisse zu betrachten, in die Männer und Frauen durch das Leben gebracht werden können. Ein interessantes Kapitel beschäftigt sich mit dem Beginn einer Hauswirthschaft, ein anderes mit der allein stehenden Frau und den Pflichten, die sie zu beobachten hat. Weiterhin begegnen wir u. A. Regeln in Betreff von Picnies und Vergnügungspartien, von Wetten und Vielliebchen, Besuchen und Einladungen. Die verschiedenen Arten der Begrüßungen werden besprochen, desgleichen die Musik in der Ge¬ sellschaft, die Unterhaltung. Bälle, kleine Thee- und Abendgesellschaften, die beste Art zu geben und zu empfangen, das Verhältniß der Tochter zum Vater, der Tanz und die Gesellschaftsspiele, sowie noch manches andere hier in Be¬ tracht Kommende, wobei vorzugsweise auf das Bedürfniß der jungen Damen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/179>, abgerufen am 15.05.2024.