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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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well Rücksicht genommen ist. Um einen Begriff davon zu geben, wie der¬
gleichen Dinge hier behandelt sind, und was der Leser in den verschiedenen
Kapiteln zu erwarten hat, theilen wir im Folgenden aus den Abschnitten XI.
bis XIII. einige Auszüge mit.

"Häufig hört man sagen: ich lade Den oder Jenen zu meinem Diner
oder Empfang nicht ein, weil ich weiß, daß er nicht annehmen kann, daß er
schon eine andere Einladung hat u. d. Das ist nicht richtig. Man muß
ihm eine Einladung zukommen lassen, auch wenn man von vornherein weiß,
daß sie abgelehnt werden wird; denn die Artigkeit ist ihm erwiesen, und der
Betreffende ist uns dafür ganz ebenso verpflichtet, als ob er davon hätte
Gebrauch machen können. Ueberdieß aber wissen wir nicht, ob er nicht bei¬
den Einladungen entsprechen kann oder sich von der, welche der unsern voraus¬
ging, loszumachen vorzieht. Es verhält sich ebenso, wenn man unter dem
Vorgeben, daß eine Person zu hoch stehe, um auf ihr Erscheinen hoffen zu
lassen, oder daß man wisse, sie sei von zu schwacher Gesundheit, in verdrie߬
licher Stimmung oder in bedrängter Lage, die Einladung unterläßt; man
darf nicht wissen, daß sie ablehnen wird, man muß seinen Bekannten unter
allen Umständen die Artigkett einer Einladung erweisen, wenn man eine
Festlichkeit veranstaltet. Natürlich werden, wenn man nur eine gewisse An¬
zahl von Gästen zum Diner bei sich sehen kann, die übrigen Freunde sich
nicht verletzt fühlen, wenn sie keine Einladung erhalten, auch kann man viele
Bekannte haben, zu denen man in keinem so vertrauten Verhältnisse steht,
daß man sie zu Tische laden darf oder muß." . . "Wenn man eine Ein¬
ladung ergehen läßt, richtet man sie stets an das Haupt der Familie oder an
das älteste Glied derselben. Es genügt, z. B. nicht, ein junges Mädchen zu
bitten, mit ihrer Mutter zu kommen, und es hieße gegen die Gesetze der guten
Gesellschaft verstoßen, wenn man sie beauftragen wollte, diese Einladung
ihren Eltern zu überbringen. Man muß sich vielmehr persönlich zu diesen
begeben und ihre Einwilligung erbitten, bevor man zu der jungen Dame
selbst davon spricht. Eine Einladung zu einem Diner oder einer Abendunter¬
haltung muß, wenn sie nicht aus dem Stegreif veranstaltet wird, wenigstens fünf
und wo möglich acht Tage vorher erfolgen. Eine Frage des Taktes ist es,
wie weit man mit einer Einladung dringend werden, wie sehr man nöthigen
darf. Gewiß ist, daß hier die Eigenliebe ins Spiel kommt. Ich glaube,
daß starke Nöthigung mich nie bestimmt hat, eine Einladung anzunehmen,
die irgend welche Gründe mich auszuschlagen veranlaßten. Demungeachtet
machte mir die Dringlichkeit, wenn sie bis zu einem gewissen Maße ging,
Freude; denn sie bewies, daß man etwas von mir hielt. Es zeigt von
großer Weltkenntniß, wenn man seine Einladungen gut zu grupptren weiß.
Man kann in allen Ständen, allen Lebensstellungen gute Freunde haben,


well Rücksicht genommen ist. Um einen Begriff davon zu geben, wie der¬
gleichen Dinge hier behandelt sind, und was der Leser in den verschiedenen
Kapiteln zu erwarten hat, theilen wir im Folgenden aus den Abschnitten XI.
bis XIII. einige Auszüge mit.

„Häufig hört man sagen: ich lade Den oder Jenen zu meinem Diner
oder Empfang nicht ein, weil ich weiß, daß er nicht annehmen kann, daß er
schon eine andere Einladung hat u. d. Das ist nicht richtig. Man muß
ihm eine Einladung zukommen lassen, auch wenn man von vornherein weiß,
daß sie abgelehnt werden wird; denn die Artigkeit ist ihm erwiesen, und der
Betreffende ist uns dafür ganz ebenso verpflichtet, als ob er davon hätte
Gebrauch machen können. Ueberdieß aber wissen wir nicht, ob er nicht bei¬
den Einladungen entsprechen kann oder sich von der, welche der unsern voraus¬
ging, loszumachen vorzieht. Es verhält sich ebenso, wenn man unter dem
Vorgeben, daß eine Person zu hoch stehe, um auf ihr Erscheinen hoffen zu
lassen, oder daß man wisse, sie sei von zu schwacher Gesundheit, in verdrie߬
licher Stimmung oder in bedrängter Lage, die Einladung unterläßt; man
darf nicht wissen, daß sie ablehnen wird, man muß seinen Bekannten unter
allen Umständen die Artigkett einer Einladung erweisen, wenn man eine
Festlichkeit veranstaltet. Natürlich werden, wenn man nur eine gewisse An¬
zahl von Gästen zum Diner bei sich sehen kann, die übrigen Freunde sich
nicht verletzt fühlen, wenn sie keine Einladung erhalten, auch kann man viele
Bekannte haben, zu denen man in keinem so vertrauten Verhältnisse steht,
daß man sie zu Tische laden darf oder muß." . . „Wenn man eine Ein¬
ladung ergehen läßt, richtet man sie stets an das Haupt der Familie oder an
das älteste Glied derselben. Es genügt, z. B. nicht, ein junges Mädchen zu
bitten, mit ihrer Mutter zu kommen, und es hieße gegen die Gesetze der guten
Gesellschaft verstoßen, wenn man sie beauftragen wollte, diese Einladung
ihren Eltern zu überbringen. Man muß sich vielmehr persönlich zu diesen
begeben und ihre Einwilligung erbitten, bevor man zu der jungen Dame
selbst davon spricht. Eine Einladung zu einem Diner oder einer Abendunter¬
haltung muß, wenn sie nicht aus dem Stegreif veranstaltet wird, wenigstens fünf
und wo möglich acht Tage vorher erfolgen. Eine Frage des Taktes ist es,
wie weit man mit einer Einladung dringend werden, wie sehr man nöthigen
darf. Gewiß ist, daß hier die Eigenliebe ins Spiel kommt. Ich glaube,
daß starke Nöthigung mich nie bestimmt hat, eine Einladung anzunehmen,
die irgend welche Gründe mich auszuschlagen veranlaßten. Demungeachtet
machte mir die Dringlichkeit, wenn sie bis zu einem gewissen Maße ging,
Freude; denn sie bewies, daß man etwas von mir hielt. Es zeigt von
großer Weltkenntniß, wenn man seine Einladungen gut zu grupptren weiß.
Man kann in allen Ständen, allen Lebensstellungen gute Freunde haben,


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[0180] well Rücksicht genommen ist. Um einen Begriff davon zu geben, wie der¬ gleichen Dinge hier behandelt sind, und was der Leser in den verschiedenen Kapiteln zu erwarten hat, theilen wir im Folgenden aus den Abschnitten XI. bis XIII. einige Auszüge mit. „Häufig hört man sagen: ich lade Den oder Jenen zu meinem Diner oder Empfang nicht ein, weil ich weiß, daß er nicht annehmen kann, daß er schon eine andere Einladung hat u. d. Das ist nicht richtig. Man muß ihm eine Einladung zukommen lassen, auch wenn man von vornherein weiß, daß sie abgelehnt werden wird; denn die Artigkeit ist ihm erwiesen, und der Betreffende ist uns dafür ganz ebenso verpflichtet, als ob er davon hätte Gebrauch machen können. Ueberdieß aber wissen wir nicht, ob er nicht bei¬ den Einladungen entsprechen kann oder sich von der, welche der unsern voraus¬ ging, loszumachen vorzieht. Es verhält sich ebenso, wenn man unter dem Vorgeben, daß eine Person zu hoch stehe, um auf ihr Erscheinen hoffen zu lassen, oder daß man wisse, sie sei von zu schwacher Gesundheit, in verdrie߬ licher Stimmung oder in bedrängter Lage, die Einladung unterläßt; man darf nicht wissen, daß sie ablehnen wird, man muß seinen Bekannten unter allen Umständen die Artigkett einer Einladung erweisen, wenn man eine Festlichkeit veranstaltet. Natürlich werden, wenn man nur eine gewisse An¬ zahl von Gästen zum Diner bei sich sehen kann, die übrigen Freunde sich nicht verletzt fühlen, wenn sie keine Einladung erhalten, auch kann man viele Bekannte haben, zu denen man in keinem so vertrauten Verhältnisse steht, daß man sie zu Tische laden darf oder muß." . . „Wenn man eine Ein¬ ladung ergehen läßt, richtet man sie stets an das Haupt der Familie oder an das älteste Glied derselben. Es genügt, z. B. nicht, ein junges Mädchen zu bitten, mit ihrer Mutter zu kommen, und es hieße gegen die Gesetze der guten Gesellschaft verstoßen, wenn man sie beauftragen wollte, diese Einladung ihren Eltern zu überbringen. Man muß sich vielmehr persönlich zu diesen begeben und ihre Einwilligung erbitten, bevor man zu der jungen Dame selbst davon spricht. Eine Einladung zu einem Diner oder einer Abendunter¬ haltung muß, wenn sie nicht aus dem Stegreif veranstaltet wird, wenigstens fünf und wo möglich acht Tage vorher erfolgen. Eine Frage des Taktes ist es, wie weit man mit einer Einladung dringend werden, wie sehr man nöthigen darf. Gewiß ist, daß hier die Eigenliebe ins Spiel kommt. Ich glaube, daß starke Nöthigung mich nie bestimmt hat, eine Einladung anzunehmen, die irgend welche Gründe mich auszuschlagen veranlaßten. Demungeachtet machte mir die Dringlichkeit, wenn sie bis zu einem gewissen Maße ging, Freude; denn sie bewies, daß man etwas von mir hielt. Es zeigt von großer Weltkenntniß, wenn man seine Einladungen gut zu grupptren weiß. Man kann in allen Ständen, allen Lebensstellungen gute Freunde haben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/180>, abgerufen am 31.05.2024.