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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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und es ist ein werthvolles Talent, wenn die Hausfrau die verschiedensten
Lager zu vereinigen und unter ihnen das Gleichgewicht zu erhalten versteht.
Ein wenig Verschiedenheit unter den Gästen kann nichts schaden, sie schließt
die Eintönigkeit aus. Dann aber erkältet es die vom Glücke weniger be¬
günstigten Freunde, wenn sie sehen, daß sie den Bessergestellten nicht nahe
gebracht werden." . .

"Einladungen zum Diner können namentlich in dem Falle, wo man
Einzuladenden einen Besuch schuldet, persönlich überbracht werden. Ist
Man keinen Besuch schuldig, so schreibt man ein Billet, welches sofort einen
Besuch oder wenigstens einen Brief des Empfängers zur Folge hat. Für
Bälle und zahlreichere Versammlungen läßt man oft Karten oder Briefe
Zucken, und in diesem Falle schickt man solche allen Personen, die man bei
steh zu sehen wünscht, auch denen, die man mündlich einladet. Ebenso ver¬
ehrt man bei Einladungen zu Hochzeiten, Begräbnissen u. dergl. Es ist höf¬
licher, die Einladungen austragen zu lassen, als sie mit der Post zu schicken,
und im letzeren Falle gilt für anständiger, sie im Couvert zu versenden als
offen. Eine Dame von Welt, die sehr artig zu sein wünscht, macht die Be¬
suche, die sie schuldet, eher, als sie ihre Einladungen zu einem Ball oder
einer größeren Festlichkeit ergehen läßt, damit man das nicht zum Vorwand
nehmen könnte, nicht zu kommen." . .

"Männer wie Frauen dürfen nie in nachlässigem Anzüge Besuche
abstatten. Ich verstehe darunter Besuche, welche nicht in die Kategorie
der geschäftlichen oder vertraulichen Besuche fallen, die man sich zu jeder
Stunde und in jeder Toilette erlauben kann. Wenn man zu Jemand an
seinem Empfangstage geht, so ist man, auch wenn man mit ihm auf dem
vertrautesten Fuße steht, nicht zu entschuldigen, wenn man nicht so elegant
erscheint, als man irgend kann. Anders verhält es sich, wenn man Jemand
Geschäftsangelegenheiten besucht, man macht ihm dann keinen eigentlichen
Besuch, man ist nicht gehalten, in seinen Besuchsstunden zu kommen, man
^egiebt sich zu ihm an den Tagen und Stunden, wo sein Arbeitszimmer ge¬
öffnet ist; sich bei ihm zu anderer Zeit oder in seinen Privatzimmern einzu¬
stellen, hieße eine Unschicklichkeit begehen. Der Herr des Hauses und die
Hausfrau tragen, wenn sie empfangen, sowohl am Tage als des Abends,
Namentlich aber des Abends, Handschuhe. Am Tage darf jener abwesend
und die Frau allein empfangen, aber bei Diners und bei einem Abend-
"Range ist es durchaus unmöglich, daß einer von den beiden Gatten unter
^gerd welchem Vorwande von dem Empfang fernbleibt. Auch die bereits
^ die Gesellschaft eingeführten Kinder müssen zugegen sein. Sämmtliche
Familienglieder, soweit sie nicht noch in die Kinderstube gehören, müssen fort¬
fahrend unter den Waffen stehen, d. h. sie dürfen sich niemals zurückziehen,


Gttnzboten IV. 1876. 23

und es ist ein werthvolles Talent, wenn die Hausfrau die verschiedensten
Lager zu vereinigen und unter ihnen das Gleichgewicht zu erhalten versteht.
Ein wenig Verschiedenheit unter den Gästen kann nichts schaden, sie schließt
die Eintönigkeit aus. Dann aber erkältet es die vom Glücke weniger be¬
günstigten Freunde, wenn sie sehen, daß sie den Bessergestellten nicht nahe
gebracht werden." . .

„Einladungen zum Diner können namentlich in dem Falle, wo man
Einzuladenden einen Besuch schuldet, persönlich überbracht werden. Ist
Man keinen Besuch schuldig, so schreibt man ein Billet, welches sofort einen
Besuch oder wenigstens einen Brief des Empfängers zur Folge hat. Für
Bälle und zahlreichere Versammlungen läßt man oft Karten oder Briefe
Zucken, und in diesem Falle schickt man solche allen Personen, die man bei
steh zu sehen wünscht, auch denen, die man mündlich einladet. Ebenso ver¬
ehrt man bei Einladungen zu Hochzeiten, Begräbnissen u. dergl. Es ist höf¬
licher, die Einladungen austragen zu lassen, als sie mit der Post zu schicken,
und im letzeren Falle gilt für anständiger, sie im Couvert zu versenden als
offen. Eine Dame von Welt, die sehr artig zu sein wünscht, macht die Be¬
suche, die sie schuldet, eher, als sie ihre Einladungen zu einem Ball oder
einer größeren Festlichkeit ergehen läßt, damit man das nicht zum Vorwand
nehmen könnte, nicht zu kommen." . .

„Männer wie Frauen dürfen nie in nachlässigem Anzüge Besuche
abstatten. Ich verstehe darunter Besuche, welche nicht in die Kategorie
der geschäftlichen oder vertraulichen Besuche fallen, die man sich zu jeder
Stunde und in jeder Toilette erlauben kann. Wenn man zu Jemand an
seinem Empfangstage geht, so ist man, auch wenn man mit ihm auf dem
vertrautesten Fuße steht, nicht zu entschuldigen, wenn man nicht so elegant
erscheint, als man irgend kann. Anders verhält es sich, wenn man Jemand
Geschäftsangelegenheiten besucht, man macht ihm dann keinen eigentlichen
Besuch, man ist nicht gehalten, in seinen Besuchsstunden zu kommen, man
^egiebt sich zu ihm an den Tagen und Stunden, wo sein Arbeitszimmer ge¬
öffnet ist; sich bei ihm zu anderer Zeit oder in seinen Privatzimmern einzu¬
stellen, hieße eine Unschicklichkeit begehen. Der Herr des Hauses und die
Hausfrau tragen, wenn sie empfangen, sowohl am Tage als des Abends,
Namentlich aber des Abends, Handschuhe. Am Tage darf jener abwesend
und die Frau allein empfangen, aber bei Diners und bei einem Abend-
"Range ist es durchaus unmöglich, daß einer von den beiden Gatten unter
^gerd welchem Vorwande von dem Empfang fernbleibt. Auch die bereits
^ die Gesellschaft eingeführten Kinder müssen zugegen sein. Sämmtliche
Familienglieder, soweit sie nicht noch in die Kinderstube gehören, müssen fort¬
fahrend unter den Waffen stehen, d. h. sie dürfen sich niemals zurückziehen,


Gttnzboten IV. 1876. 23
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/181>, abgerufen am 05.06.2024.