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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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es eine Andeutung, daß mein Leben oder meine Freiheit in Gefahr ist."
Und in derselben Dichtung empfängt der Held von seiner Mutter einen Ring,
der ihn, so lange er ihn an sich trägt, vor dem Ertrinken, dem Verbrennen
und der Verwundung durch Waffen schützt. In einer altenglischen Ballade
vom Verräther Douglas läßt eine Zauberin Mary den Diener Earl Percys,
James Swynard, durch einen Ring hindurchsehen, wo er dessen Feinde im
Felde gewahr wird.

Häufig finden wir im Mittelalter den Bischofsring als Symbol einer
Vermählung mit der Kirche aufgefaßt. Ebenso galt der Eintritt ins Kloster
als Verheirathung der angehenden Nonne mit Jesus, weshalb man derselben
einen vom Bischof geweihten Ring ansteckte, der in der Regel einen Sapphir
enthielt. Hieraus haben sich eine Menge sonderbarer Vorfälle, Fabeln und
abergläubischer Meinungen und Gebräuche entwickelt. Auch Weltleute ver¬
mählten sich mit himmlischen Personen, die Frauen mit Jesus, die Männer
mit der Jungfrau Maria oder einer Heiligen, wobei wunderbare Ringe eine
Rolle spielten.

Edmund Rich, der 1234 zum Erzbischof von Canterbury geweiht wurde,
that als junger Mann das Gelübde ewiger Keuschheit, und um im Stande
zu sein, es zu halten, verheirathete er sich in aller Form mit der Mutter
Gottes. Er ließ sich zwei Ringe machen, welche beide die Inschrift "^.vo
Nari^" trugen, und steckte den einen einer Bildsäule der heiligen Jungfrau
an, die in einer Kirche zu Oxford stand, während er den anderen selbst trug.
Um dieselbe Zeit hatte der heilige Hermann von Köln ein Traumgesicht, in
welchem die Mutter Gottes vom Himmel herabstieg und ihm einen Ring
ansteckte, worauf sie ihn zu ihrem Gemahl erklärte. Er bekam darauf von
der Bruderschaft, der er angehörte, den Namen Joseph. Home erzählt in
seinem "Lvöi^Zg.^ Look" folgende seltsame Geschichte von der heiligen Anna.
Ein Priester, welcher einer dieser Heiligen geweihten Kirche vorstand, hatte
große Lust zu heirathen. Er erbat sich die Erlaubniß des Papstes hierzu,
und dieser gab sie ihm und zugleich einen Smaragdring, wobei er ihm sagte,
er solle sich mit seinem Verlangen an das Bild der Patronin seiner Kirche
wenden. Der Priester that dieß, und das Bild streckte ihm den Finger hin.
Er steckte den Ring darauf und das Bild zog den Finger wieder zu¬
rück und bog ihn krumm, so daß er nicht wieder abging, worauf der Priester
Junggeselle bleiben mußte. Aehnlich erging es einem Ritter, der, im Be¬
griffe, Ball zu spielen, sich durch einen Ring am Finger behindert fand. Er
zog ihn ab, und steckte ihn der Sicherheit halber einem in der Nähe befind¬
lichen Marienbilde an den Finger. Als er ihn sich wiedernehmen wollte,
hatte das Bild die Hand geschlossen, und so behielt es den Ring. Der


es eine Andeutung, daß mein Leben oder meine Freiheit in Gefahr ist."
Und in derselben Dichtung empfängt der Held von seiner Mutter einen Ring,
der ihn, so lange er ihn an sich trägt, vor dem Ertrinken, dem Verbrennen
und der Verwundung durch Waffen schützt. In einer altenglischen Ballade
vom Verräther Douglas läßt eine Zauberin Mary den Diener Earl Percys,
James Swynard, durch einen Ring hindurchsehen, wo er dessen Feinde im
Felde gewahr wird.

Häufig finden wir im Mittelalter den Bischofsring als Symbol einer
Vermählung mit der Kirche aufgefaßt. Ebenso galt der Eintritt ins Kloster
als Verheirathung der angehenden Nonne mit Jesus, weshalb man derselben
einen vom Bischof geweihten Ring ansteckte, der in der Regel einen Sapphir
enthielt. Hieraus haben sich eine Menge sonderbarer Vorfälle, Fabeln und
abergläubischer Meinungen und Gebräuche entwickelt. Auch Weltleute ver¬
mählten sich mit himmlischen Personen, die Frauen mit Jesus, die Männer
mit der Jungfrau Maria oder einer Heiligen, wobei wunderbare Ringe eine
Rolle spielten.

Edmund Rich, der 1234 zum Erzbischof von Canterbury geweiht wurde,
that als junger Mann das Gelübde ewiger Keuschheit, und um im Stande
zu sein, es zu halten, verheirathete er sich in aller Form mit der Mutter
Gottes. Er ließ sich zwei Ringe machen, welche beide die Inschrift „^.vo
Nari^" trugen, und steckte den einen einer Bildsäule der heiligen Jungfrau
an, die in einer Kirche zu Oxford stand, während er den anderen selbst trug.
Um dieselbe Zeit hatte der heilige Hermann von Köln ein Traumgesicht, in
welchem die Mutter Gottes vom Himmel herabstieg und ihm einen Ring
ansteckte, worauf sie ihn zu ihrem Gemahl erklärte. Er bekam darauf von
der Bruderschaft, der er angehörte, den Namen Joseph. Home erzählt in
seinem „Lvöi^Zg.^ Look" folgende seltsame Geschichte von der heiligen Anna.
Ein Priester, welcher einer dieser Heiligen geweihten Kirche vorstand, hatte
große Lust zu heirathen. Er erbat sich die Erlaubniß des Papstes hierzu,
und dieser gab sie ihm und zugleich einen Smaragdring, wobei er ihm sagte,
er solle sich mit seinem Verlangen an das Bild der Patronin seiner Kirche
wenden. Der Priester that dieß, und das Bild streckte ihm den Finger hin.
Er steckte den Ring darauf und das Bild zog den Finger wieder zu¬
rück und bog ihn krumm, so daß er nicht wieder abging, worauf der Priester
Junggeselle bleiben mußte. Aehnlich erging es einem Ritter, der, im Be¬
griffe, Ball zu spielen, sich durch einen Ring am Finger behindert fand. Er
zog ihn ab, und steckte ihn der Sicherheit halber einem in der Nähe befind¬
lichen Marienbilde an den Finger. Als er ihn sich wiedernehmen wollte,
hatte das Bild die Hand geschlossen, und so behielt es den Ring. Der


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[0212] es eine Andeutung, daß mein Leben oder meine Freiheit in Gefahr ist." Und in derselben Dichtung empfängt der Held von seiner Mutter einen Ring, der ihn, so lange er ihn an sich trägt, vor dem Ertrinken, dem Verbrennen und der Verwundung durch Waffen schützt. In einer altenglischen Ballade vom Verräther Douglas läßt eine Zauberin Mary den Diener Earl Percys, James Swynard, durch einen Ring hindurchsehen, wo er dessen Feinde im Felde gewahr wird. Häufig finden wir im Mittelalter den Bischofsring als Symbol einer Vermählung mit der Kirche aufgefaßt. Ebenso galt der Eintritt ins Kloster als Verheirathung der angehenden Nonne mit Jesus, weshalb man derselben einen vom Bischof geweihten Ring ansteckte, der in der Regel einen Sapphir enthielt. Hieraus haben sich eine Menge sonderbarer Vorfälle, Fabeln und abergläubischer Meinungen und Gebräuche entwickelt. Auch Weltleute ver¬ mählten sich mit himmlischen Personen, die Frauen mit Jesus, die Männer mit der Jungfrau Maria oder einer Heiligen, wobei wunderbare Ringe eine Rolle spielten. Edmund Rich, der 1234 zum Erzbischof von Canterbury geweiht wurde, that als junger Mann das Gelübde ewiger Keuschheit, und um im Stande zu sein, es zu halten, verheirathete er sich in aller Form mit der Mutter Gottes. Er ließ sich zwei Ringe machen, welche beide die Inschrift „^.vo Nari^" trugen, und steckte den einen einer Bildsäule der heiligen Jungfrau an, die in einer Kirche zu Oxford stand, während er den anderen selbst trug. Um dieselbe Zeit hatte der heilige Hermann von Köln ein Traumgesicht, in welchem die Mutter Gottes vom Himmel herabstieg und ihm einen Ring ansteckte, worauf sie ihn zu ihrem Gemahl erklärte. Er bekam darauf von der Bruderschaft, der er angehörte, den Namen Joseph. Home erzählt in seinem „Lvöi^Zg.^ Look" folgende seltsame Geschichte von der heiligen Anna. Ein Priester, welcher einer dieser Heiligen geweihten Kirche vorstand, hatte große Lust zu heirathen. Er erbat sich die Erlaubniß des Papstes hierzu, und dieser gab sie ihm und zugleich einen Smaragdring, wobei er ihm sagte, er solle sich mit seinem Verlangen an das Bild der Patronin seiner Kirche wenden. Der Priester that dieß, und das Bild streckte ihm den Finger hin. Er steckte den Ring darauf und das Bild zog den Finger wieder zu¬ rück und bog ihn krumm, so daß er nicht wieder abging, worauf der Priester Junggeselle bleiben mußte. Aehnlich erging es einem Ritter, der, im Be¬ griffe, Ball zu spielen, sich durch einen Ring am Finger behindert fand. Er zog ihn ab, und steckte ihn der Sicherheit halber einem in der Nähe befind¬ lichen Marienbilde an den Finger. Als er ihn sich wiedernehmen wollte, hatte das Bild die Hand geschlossen, und so behielt es den Ring. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/212>, abgerufen am 01.11.2024.