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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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befinden. Diese Einrichtung hat offenbar dazu gedient, Profanen die eigent¬
liche Natur des Ringes als eines Zaubermittels zu verbergen.

Das Horn des Narwal, welches im Mtttelalter für das des fabelhaften
Einhorns galt, wurde als ein Mittel angesehen, mit welchem sich Gift ent¬
decken und unschädlich machen ließ. Man verarbeitete es daher zu Ringen,
die man in Wasser tauchte, welches dann getrunken gegen Vergiftung gut
sein sollte. Michaelis, ein Leipziger Arzt, wendete bei allen Krankheiten ohne
Unterschied einen derartigen Ring an.

Sehr geschätzt waren einst und sind in manchen deutschen Gegenden,
z.B. in Tirol, sowie in England noch heutigen Tages Ringe mit sogenannten
Krötensteinen (dieselben sind fossile Zähne einer Rochenart). Sie schützen
neugeborne und noch umgetaufte Kinder vor den Nachstellungen der Zwerge,
sie heilen (in England) Nierenkrankheiten und (in Tirol) Wunden. Kommt
Gift in ihre Nähe, so zeigen sie es durch Veränderung ihrer Farbe oder
durch Schwitzen an. Der Krötenstetn sitzt nach tiroler Volksglauben im Kopfe
der männlichen Kröte und wird nur auf dem Wege gewonnen, daß man das
Thier in einem irdenen Topfe in einen Ameisenhaufen steckt. Nach Andern
kann man ihn auch von dem lebenden Thiere erlangen, wenn man es auf ein
Stück rothes Tuch stellt. Da schüttelt die vor Vergnügen herumspringende
Kröte ihn heraus, doch muß man flink sein, und ihn heimlich wegnehmen,
weil sie ihn sonst sogleich wieder verschluckt. Die wiederholt erwähnte Lon-
desborough Sammlung besitzt zwei von den mit diesem Aberglauben in Ver¬
bindung stehenden Ringen. Der eine ist von gemischtem Metall, vergoldet
und mit der Figur einer Kröte geschmückt, die eine Schlange verschlingt. Der
zweite enthält in seinem Steine das Bild einer Kröte und darunter den
echten Krötenstein.

Die Steine, welche orthodoxe Muselmänner zu Talismanringen ver¬
wenden, sind Blutstein, Achat, weißer und rother Karneol und Chalcedon.
Das Metall derselben ist stets Silber, da alle andern Metalle, edle wie un¬
edle durch die mündlichen Vorschriften des Propheten verboten sind. Als
Muhammed eines Tages einem Manne begegnete, der einen Ring von Erz
am Finger trug, rief er: "Dieser Ring riecht nach Götzendienst." Bei einer
andern Gelegenheit, wo einer seiner Anhänger mit einem eisernen Ringe in
seine Nähe kam, sagte er zornig: "Dieß ist das Zeichen der zu den ewigen
Flammen verdammten Seelen." Ein drittes Mal, als er jemand auf sich
zukommen sah, der einen Goldreif anstecken hatte, machte er ein finsteres Ge¬
sicht, drehte sich um und spie aus, als ob er einem Hunde oder einem Un¬
gläubigen begegnet wäre. Für die wirksamsten Amuletringe gelten die, welche
auf einem weißen Achat die Abbildung des Maales zeigen, welches Muhammed


befinden. Diese Einrichtung hat offenbar dazu gedient, Profanen die eigent¬
liche Natur des Ringes als eines Zaubermittels zu verbergen.

Das Horn des Narwal, welches im Mtttelalter für das des fabelhaften
Einhorns galt, wurde als ein Mittel angesehen, mit welchem sich Gift ent¬
decken und unschädlich machen ließ. Man verarbeitete es daher zu Ringen,
die man in Wasser tauchte, welches dann getrunken gegen Vergiftung gut
sein sollte. Michaelis, ein Leipziger Arzt, wendete bei allen Krankheiten ohne
Unterschied einen derartigen Ring an.

Sehr geschätzt waren einst und sind in manchen deutschen Gegenden,
z.B. in Tirol, sowie in England noch heutigen Tages Ringe mit sogenannten
Krötensteinen (dieselben sind fossile Zähne einer Rochenart). Sie schützen
neugeborne und noch umgetaufte Kinder vor den Nachstellungen der Zwerge,
sie heilen (in England) Nierenkrankheiten und (in Tirol) Wunden. Kommt
Gift in ihre Nähe, so zeigen sie es durch Veränderung ihrer Farbe oder
durch Schwitzen an. Der Krötenstetn sitzt nach tiroler Volksglauben im Kopfe
der männlichen Kröte und wird nur auf dem Wege gewonnen, daß man das
Thier in einem irdenen Topfe in einen Ameisenhaufen steckt. Nach Andern
kann man ihn auch von dem lebenden Thiere erlangen, wenn man es auf ein
Stück rothes Tuch stellt. Da schüttelt die vor Vergnügen herumspringende
Kröte ihn heraus, doch muß man flink sein, und ihn heimlich wegnehmen,
weil sie ihn sonst sogleich wieder verschluckt. Die wiederholt erwähnte Lon-
desborough Sammlung besitzt zwei von den mit diesem Aberglauben in Ver¬
bindung stehenden Ringen. Der eine ist von gemischtem Metall, vergoldet
und mit der Figur einer Kröte geschmückt, die eine Schlange verschlingt. Der
zweite enthält in seinem Steine das Bild einer Kröte und darunter den
echten Krötenstein.

Die Steine, welche orthodoxe Muselmänner zu Talismanringen ver¬
wenden, sind Blutstein, Achat, weißer und rother Karneol und Chalcedon.
Das Metall derselben ist stets Silber, da alle andern Metalle, edle wie un¬
edle durch die mündlichen Vorschriften des Propheten verboten sind. Als
Muhammed eines Tages einem Manne begegnete, der einen Ring von Erz
am Finger trug, rief er: „Dieser Ring riecht nach Götzendienst." Bei einer
andern Gelegenheit, wo einer seiner Anhänger mit einem eisernen Ringe in
seine Nähe kam, sagte er zornig: „Dieß ist das Zeichen der zu den ewigen
Flammen verdammten Seelen." Ein drittes Mal, als er jemand auf sich
zukommen sah, der einen Goldreif anstecken hatte, machte er ein finsteres Ge¬
sicht, drehte sich um und spie aus, als ob er einem Hunde oder einem Un¬
gläubigen begegnet wäre. Für die wirksamsten Amuletringe gelten die, welche
auf einem weißen Achat die Abbildung des Maales zeigen, welches Muhammed


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/216>, abgerufen am 05.06.2024.