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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Hudson in den Ocean ergießt und dort, gegen die Wellenbrandung des Meeres
ausströmend, seine Sand- und Kiesgeschiebe fallen läßt. Diese bilden eine
Masse von Sandbänken, zwischen welchen sich in vielen Windungen der Haupt-
schifffahrts-Canal hinzieht. Derselbe ist stellenweise sehr schmal und an der
seichtesten Stelle, der sogenannten Sandy Hook Bar, nur 21 Fuß tief bei
Ebbe. Die großen Kriegsschiffe, der Great Eastern, ja manche See-Passagier-
Dampfer mußten oft stundenlang vor dieser "Bar" warten, bis die Höhe
der Fluth ihnen ein gefahrloses Einlaufen gestattete.

Die Tiefe der Bay von New-Uork, sowie der den Hafen bildenden Flüsse
Hudson und East River, ist fast überall über 60, ja stellenweise über 100
Fuß. Auch der Verbindungsarm des East Rivers mit dem Long Island
Sourd (dem Sund, der die Lange Insel vom Continente trennt) hat eine
Tiefe, die nirgends unter 50 Fuß herabgeht, er war aber bisher an der Enge
zwischen Ward Island und Haltet's Point durch die Felsengruppen des Hell
Gale so gut wie gesperrt. See-Dampfer versuchten niemals durch das Höllen-
thor zu fahren. Selbst die großen flachgehenden Passagier-Dampfer, welche
den lebhaften Verkehr New-Uorks mit New-Haven, New-London, Stonington,
Providence, Newport und Boston vermitteln, kamen in dieser gefährlichen
Enge oft in sehr schlimme Lagen; einige scheiterten dort. Die Kriegsschiffe
durften am wenigsten wagen, das Höllenthor zu passiren. Die Erinnerung
an den Untergang einer englischen Fregatte während des Unabhängigkeits-
Kriegs der Colonien lebt noch heute im Gedächtniß der Leute. Daß es aber
für die Regierung von größter Wichtigkeit sein mußte, einen Tiefwafseraus-
gang aus dem Hafen New-Uork's zu besitzen, dessen Brauchbarkeit nicht durch
Ebbe und Fluth in Zweifel gestellt werden konnte, lag auf der Hand. So
bildete die Beseitigung der Felsen des Hell Gale schon seit Jahrzehnten den
Gegenstand des Nachstnnens fast aller in New-Uork stationirten Genie- und
Marine - Officiere der Vereinigten Staaten. Es kamen die wunderbarsten
Vorschläge, Versuche und Experimente zur Ausführung, deren Erfolglosigkeit
klar vorauszusagen gewesen wäre, bis endlich, aufgemuntert durch die erfolg¬
reiche Sprengung des "ZZIossoin Il,ooK" (Knospen-Felsen) am Eingang zum
Hafen von San Francisco, durch den in Karlsruhe geschulten Ingenieur
Karl Hofmann, General Newton (der sich den tüchtigen deutschen Ingenieur-
Officier aus San Francisco als Subalternen zukommandiren ließ) ebenfalls
wagte, den Felsen und Riffen des Hell Gale's von unten, aus der Tiefe des
Meeres, beizukommen, während alle bisherigen Versuche darauf abgezielt hatten,
die Felsen von oben aus zu verkleinern oder umzustürzen. Die Erwartungen,
welche von dem großen Publikum an die projectirten Arbeiten geknüpft wurden,
waren der mannigfaltigsten Art. Den Laien, d. h. der Masse des Volkes, konnte


Hudson in den Ocean ergießt und dort, gegen die Wellenbrandung des Meeres
ausströmend, seine Sand- und Kiesgeschiebe fallen läßt. Diese bilden eine
Masse von Sandbänken, zwischen welchen sich in vielen Windungen der Haupt-
schifffahrts-Canal hinzieht. Derselbe ist stellenweise sehr schmal und an der
seichtesten Stelle, der sogenannten Sandy Hook Bar, nur 21 Fuß tief bei
Ebbe. Die großen Kriegsschiffe, der Great Eastern, ja manche See-Passagier-
Dampfer mußten oft stundenlang vor dieser „Bar" warten, bis die Höhe
der Fluth ihnen ein gefahrloses Einlaufen gestattete.

Die Tiefe der Bay von New-Uork, sowie der den Hafen bildenden Flüsse
Hudson und East River, ist fast überall über 60, ja stellenweise über 100
Fuß. Auch der Verbindungsarm des East Rivers mit dem Long Island
Sourd (dem Sund, der die Lange Insel vom Continente trennt) hat eine
Tiefe, die nirgends unter 50 Fuß herabgeht, er war aber bisher an der Enge
zwischen Ward Island und Haltet's Point durch die Felsengruppen des Hell
Gale so gut wie gesperrt. See-Dampfer versuchten niemals durch das Höllen-
thor zu fahren. Selbst die großen flachgehenden Passagier-Dampfer, welche
den lebhaften Verkehr New-Uorks mit New-Haven, New-London, Stonington,
Providence, Newport und Boston vermitteln, kamen in dieser gefährlichen
Enge oft in sehr schlimme Lagen; einige scheiterten dort. Die Kriegsschiffe
durften am wenigsten wagen, das Höllenthor zu passiren. Die Erinnerung
an den Untergang einer englischen Fregatte während des Unabhängigkeits-
Kriegs der Colonien lebt noch heute im Gedächtniß der Leute. Daß es aber
für die Regierung von größter Wichtigkeit sein mußte, einen Tiefwafseraus-
gang aus dem Hafen New-Uork's zu besitzen, dessen Brauchbarkeit nicht durch
Ebbe und Fluth in Zweifel gestellt werden konnte, lag auf der Hand. So
bildete die Beseitigung der Felsen des Hell Gale schon seit Jahrzehnten den
Gegenstand des Nachstnnens fast aller in New-Uork stationirten Genie- und
Marine - Officiere der Vereinigten Staaten. Es kamen die wunderbarsten
Vorschläge, Versuche und Experimente zur Ausführung, deren Erfolglosigkeit
klar vorauszusagen gewesen wäre, bis endlich, aufgemuntert durch die erfolg¬
reiche Sprengung des „ZZIossoin Il,ooK" (Knospen-Felsen) am Eingang zum
Hafen von San Francisco, durch den in Karlsruhe geschulten Ingenieur
Karl Hofmann, General Newton (der sich den tüchtigen deutschen Ingenieur-
Officier aus San Francisco als Subalternen zukommandiren ließ) ebenfalls
wagte, den Felsen und Riffen des Hell Gale's von unten, aus der Tiefe des
Meeres, beizukommen, während alle bisherigen Versuche darauf abgezielt hatten,
die Felsen von oben aus zu verkleinern oder umzustürzen. Die Erwartungen,
welche von dem großen Publikum an die projectirten Arbeiten geknüpft wurden,
waren der mannigfaltigsten Art. Den Laien, d. h. der Masse des Volkes, konnte


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[0238] Hudson in den Ocean ergießt und dort, gegen die Wellenbrandung des Meeres ausströmend, seine Sand- und Kiesgeschiebe fallen läßt. Diese bilden eine Masse von Sandbänken, zwischen welchen sich in vielen Windungen der Haupt- schifffahrts-Canal hinzieht. Derselbe ist stellenweise sehr schmal und an der seichtesten Stelle, der sogenannten Sandy Hook Bar, nur 21 Fuß tief bei Ebbe. Die großen Kriegsschiffe, der Great Eastern, ja manche See-Passagier- Dampfer mußten oft stundenlang vor dieser „Bar" warten, bis die Höhe der Fluth ihnen ein gefahrloses Einlaufen gestattete. Die Tiefe der Bay von New-Uork, sowie der den Hafen bildenden Flüsse Hudson und East River, ist fast überall über 60, ja stellenweise über 100 Fuß. Auch der Verbindungsarm des East Rivers mit dem Long Island Sourd (dem Sund, der die Lange Insel vom Continente trennt) hat eine Tiefe, die nirgends unter 50 Fuß herabgeht, er war aber bisher an der Enge zwischen Ward Island und Haltet's Point durch die Felsengruppen des Hell Gale so gut wie gesperrt. See-Dampfer versuchten niemals durch das Höllen- thor zu fahren. Selbst die großen flachgehenden Passagier-Dampfer, welche den lebhaften Verkehr New-Uorks mit New-Haven, New-London, Stonington, Providence, Newport und Boston vermitteln, kamen in dieser gefährlichen Enge oft in sehr schlimme Lagen; einige scheiterten dort. Die Kriegsschiffe durften am wenigsten wagen, das Höllenthor zu passiren. Die Erinnerung an den Untergang einer englischen Fregatte während des Unabhängigkeits- Kriegs der Colonien lebt noch heute im Gedächtniß der Leute. Daß es aber für die Regierung von größter Wichtigkeit sein mußte, einen Tiefwafseraus- gang aus dem Hafen New-Uork's zu besitzen, dessen Brauchbarkeit nicht durch Ebbe und Fluth in Zweifel gestellt werden konnte, lag auf der Hand. So bildete die Beseitigung der Felsen des Hell Gale schon seit Jahrzehnten den Gegenstand des Nachstnnens fast aller in New-Uork stationirten Genie- und Marine - Officiere der Vereinigten Staaten. Es kamen die wunderbarsten Vorschläge, Versuche und Experimente zur Ausführung, deren Erfolglosigkeit klar vorauszusagen gewesen wäre, bis endlich, aufgemuntert durch die erfolg¬ reiche Sprengung des „ZZIossoin Il,ooK" (Knospen-Felsen) am Eingang zum Hafen von San Francisco, durch den in Karlsruhe geschulten Ingenieur Karl Hofmann, General Newton (der sich den tüchtigen deutschen Ingenieur- Officier aus San Francisco als Subalternen zukommandiren ließ) ebenfalls wagte, den Felsen und Riffen des Hell Gale's von unten, aus der Tiefe des Meeres, beizukommen, während alle bisherigen Versuche darauf abgezielt hatten, die Felsen von oben aus zu verkleinern oder umzustürzen. Die Erwartungen, welche von dem großen Publikum an die projectirten Arbeiten geknüpft wurden, waren der mannigfaltigsten Art. Den Laien, d. h. der Masse des Volkes, konnte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/238>, abgerufen am 05.06.2024.