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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Aus diesen Worten Tilden's ist deutlich zu erkennen, daß er für seine
Person die Baarzahlung bald angefangen haben möchte; dies sagt er, um
die Reformleute zu gewinnen. Damit er aber auch seine inflationistischen
Freunde befriedigt, fügt er schnell hinzu, daß über die Fixirung der gewünschten
Wiederaufnahme sich kaum etwas Bestimmtes sagen lasse, dies gehöre "in das
Gebiet der practisch-administrativen Staatswissenschaft." Fragen wir aber, was
er etwa unter "practical aÄmilÜZti'g,divo Ltatesmausliip" versteht, so läßt er
uns darüber vollkommen im Zweifel, er empfiehlt nur, was alle Präsident¬
schaftskandidaten unter ähnlichen Umständen empfohlen haben, nämlich:
"öffentliche Sparsamkeit, officielle Einschränkungen und weise Finanzwirth¬
schaft." Dies sind aber nur allgemeine, schönklingende Redensarten, nichts
Anderes. Den einzigen practischen Schritt, der bisher zur Wiederaufnahme
der Baarzahlung geschehen ist, das Gesetz vom 14. Januar 1875, bezeichnet
er als "eine grobe Täuschung O 8nar<z ana äslusiov)." So viel über Tilden's
Bemerkungen in Bezug auf die Geldfrage.

Was Tilden hinsichtlich der Aemterfrage zu bemerken hat, ist noch viel
schwächer. Wie aber die demokratische Partei über diesen zweiten Cardinal-
punkt denkt, dafür liefert die Handlungsweise des gegenwärtigen Repräsen¬
tantenhauses des Congresses eine deutliche Illustration. Wie bereits bemerkt,
sind die Demokraten daselbst in der Majorität, und sie haben nichts eiliger
zu thun gehabt, als, getreu ihrer Maxime: "to tlnz "vietors bslong tke Lxoilg
(den Siegern gehört die Beute)", alle Aemter, über die sie zu verfügen haben,
an ihre Parteigenossen allein zu vergeben.

Auf das Annahmeschreiben von Thomas A. Hendricks näher einzugehen,
ist nicht nöthig. Er stellt sich darin ganz offen auf den einseitigen demo¬
kratischen Standpunkt und tritt als der entschiedenste Gegner des Gesetzes
vom 14. Janur 1875 auf; er verhehlt seine Sympathien für die Jnflatio-
nisten sehr wenig und ist ganz außer Stande, irgendwie von einem höhern
Gesichtspunkte aus die gegenwärtige Lage der Dinge in den Vereinigten
Staaten zu beurtheilen. Während Tilden mit großer Umsicht und Klugheit
und in staatsmännischer Weise seine Ansichten entwickelt, appellirt Hendricks
als ein ganz gewöhnlicher Tagcspolitiker und Demagoge an die Leidenschaften
und Vorurtheile der Wähler. Beide aber vergessen, indem sie die republi¬
kanische Partei für die große Schuldenmasse der Vereinigten Staaten verant¬
wortlich machen, daß die demokratischen Rebellen es in erster Linie gewesen
sind, die durch Beginn des Secessionskrieges zu jener Schulterhöhe die Ver¬
anlassung gaben und daß die demokratischen Repräsentanten im Congresse in
diesem Jahre für die Südstaaten Millionen Dollars als Schadenersatzansprüche
aus eben diesem Kriege anmeldeten. Mit Recht erinnert in dieser Beziehung
ein Aufruf, welchen die deutsch-amerikanischen Republikaner von Chicago


Aus diesen Worten Tilden's ist deutlich zu erkennen, daß er für seine
Person die Baarzahlung bald angefangen haben möchte; dies sagt er, um
die Reformleute zu gewinnen. Damit er aber auch seine inflationistischen
Freunde befriedigt, fügt er schnell hinzu, daß über die Fixirung der gewünschten
Wiederaufnahme sich kaum etwas Bestimmtes sagen lasse, dies gehöre „in das
Gebiet der practisch-administrativen Staatswissenschaft." Fragen wir aber, was
er etwa unter „practical aÄmilÜZti'g,divo Ltatesmausliip" versteht, so läßt er
uns darüber vollkommen im Zweifel, er empfiehlt nur, was alle Präsident¬
schaftskandidaten unter ähnlichen Umständen empfohlen haben, nämlich:
»öffentliche Sparsamkeit, officielle Einschränkungen und weise Finanzwirth¬
schaft." Dies sind aber nur allgemeine, schönklingende Redensarten, nichts
Anderes. Den einzigen practischen Schritt, der bisher zur Wiederaufnahme
der Baarzahlung geschehen ist, das Gesetz vom 14. Januar 1875, bezeichnet
er als „eine grobe Täuschung O 8nar<z ana äslusiov)." So viel über Tilden's
Bemerkungen in Bezug auf die Geldfrage.

Was Tilden hinsichtlich der Aemterfrage zu bemerken hat, ist noch viel
schwächer. Wie aber die demokratische Partei über diesen zweiten Cardinal-
punkt denkt, dafür liefert die Handlungsweise des gegenwärtigen Repräsen¬
tantenhauses des Congresses eine deutliche Illustration. Wie bereits bemerkt,
sind die Demokraten daselbst in der Majorität, und sie haben nichts eiliger
zu thun gehabt, als, getreu ihrer Maxime: „to tlnz »vietors bslong tke Lxoilg
(den Siegern gehört die Beute)", alle Aemter, über die sie zu verfügen haben,
an ihre Parteigenossen allein zu vergeben.

Auf das Annahmeschreiben von Thomas A. Hendricks näher einzugehen,
ist nicht nöthig. Er stellt sich darin ganz offen auf den einseitigen demo¬
kratischen Standpunkt und tritt als der entschiedenste Gegner des Gesetzes
vom 14. Janur 1875 auf; er verhehlt seine Sympathien für die Jnflatio-
nisten sehr wenig und ist ganz außer Stande, irgendwie von einem höhern
Gesichtspunkte aus die gegenwärtige Lage der Dinge in den Vereinigten
Staaten zu beurtheilen. Während Tilden mit großer Umsicht und Klugheit
und in staatsmännischer Weise seine Ansichten entwickelt, appellirt Hendricks
als ein ganz gewöhnlicher Tagcspolitiker und Demagoge an die Leidenschaften
und Vorurtheile der Wähler. Beide aber vergessen, indem sie die republi¬
kanische Partei für die große Schuldenmasse der Vereinigten Staaten verant¬
wortlich machen, daß die demokratischen Rebellen es in erster Linie gewesen
sind, die durch Beginn des Secessionskrieges zu jener Schulterhöhe die Ver¬
anlassung gaben und daß die demokratischen Repräsentanten im Congresse in
diesem Jahre für die Südstaaten Millionen Dollars als Schadenersatzansprüche
aus eben diesem Kriege anmeldeten. Mit Recht erinnert in dieser Beziehung
ein Aufruf, welchen die deutsch-amerikanischen Republikaner von Chicago


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/39>, abgerufen am 15.05.2024.