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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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dicke Cigarren, nach den kurzen, nach vorn sich erweiternden Gewehren der
spanischen Banditten benannt und vor zwanzig Jahren ungemein beliebt,
sind nicht mehr in der Mode. Ebenso haben die viereckig gepreßten Pren-
sados, von einigen Fabriken als Brevas (frühreife Feigen) versandt, und die
Trompetas, die von der Spitze nach dem Brennende gleichmäßig an Umfang
zu nehmen, nur kurze Zeit gefallen. Cigarren mit vergoldeten Spitzen sind
ein unnützer Luxus, das Goldblatt verbessert selbstverständlich den Geschmack des
Tabaks nicht, und bleibt dem Raucher an den Lippen hängen.

Nach der Qualität wird die Cigarre als "superfino", "sino," "superior"
und "bueno" bezeichnet, nach der Stärke als "maduro" (besonders stark),
"oscuro" (stark), "colorato" (Mittel) und "claro" (mild). Weniger gebräuch¬
lich ist die Sortirung der Cigarren in "flojo" (leicht), "entrefuerte" (Mittel
schwer) und "fuerte" (schwer). Ein sehr wesentliches Moment bei der Beur¬
theilung der Havanna-Cigarren ist der Unterschied nach Ernten oder Jahr¬
gängen ; denn wie beim Weine hat auch bei dem Havanna-Tabake jede Ernte
ihre Eigenthümlichkeiten, ihre Vorzüge und ihre Mängel. Es giebt Jahr¬
gänge, die ebenso schön von Farbe, als gehaltvoll und von gutem Brande
sind, und es giebt andere, deren Farbe fahl, deren Geruch dumpfig oder sonst
unangenehm ist, und die so schwammig sind, daß sie selbst ganz abgelagert
und trocken nach einigen Zügen weich werden und von der Hälfte an nicht
mehr im Brande zu erhalten sind. Als die besten Ernten der letzten Jahre
wurden uns von der Handlung Bernhard Schwabe in Leipzig, die von den
oben erwähnten und andern guten Marken Lager hält, die der Jahre 1869
und 1872 (die allerbeste) bezeichnet. Die von 1873 war noch gut, die von
1874 ungenießbar, die von 1875 mittelmäßig, die dießjährige schlecht.

In den Cigarrenfabriken Havannah, von denen einige 5 bis 600 Ar¬
beiter ausweisen, sind keineswegs blos Neger, sondern fast ebenso viele
Weiße -- theils Eingeborne, theils Einwanderer aus Spanien und von den
Canarischen Inseln -- als Farbige beschäftigt, und die Ansicht, daß die
Negerinnen der Fabriken oder Vegas die Cigarren auf ihren nackten Schen¬
keln rollen, ist eine Fabel, welche die Comtesse Merlin unter die Leute ge¬
bracht hat. Dagegen ist richtig, daß die Guajiras, d. h. die Creolinnen
unter der derben, altväterischen Landbevölkerung im Innern Cubas dem
Gaste, der bei ihnen vorspricht, eine Veguero-Cigarre aus freier Hand
drehen, einige Züge daraus thun und sie dann zum Weiterrauchen über¬
reichen -- eine Sitte, die an die altindianische Friedenspfeife erinnert.

Die Fabrikpreise der gangbarsten Cabannas betragen 120 bis 130 Dollars,
doch giebt es auch billigere Sorten ("reguläres" oder "communes") bis zu 30
Dollars herab, während Upmann seine Preise noch beträchtlich höher als
Cadannas normirt. Es giebt Cigarren, von denen das Tausend 3000 Mark


dicke Cigarren, nach den kurzen, nach vorn sich erweiternden Gewehren der
spanischen Banditten benannt und vor zwanzig Jahren ungemein beliebt,
sind nicht mehr in der Mode. Ebenso haben die viereckig gepreßten Pren-
sados, von einigen Fabriken als Brevas (frühreife Feigen) versandt, und die
Trompetas, die von der Spitze nach dem Brennende gleichmäßig an Umfang
zu nehmen, nur kurze Zeit gefallen. Cigarren mit vergoldeten Spitzen sind
ein unnützer Luxus, das Goldblatt verbessert selbstverständlich den Geschmack des
Tabaks nicht, und bleibt dem Raucher an den Lippen hängen.

Nach der Qualität wird die Cigarre als „superfino", „sino," „superior"
und „bueno" bezeichnet, nach der Stärke als „maduro" (besonders stark),
„oscuro" (stark), „colorato" (Mittel) und „claro" (mild). Weniger gebräuch¬
lich ist die Sortirung der Cigarren in „flojo" (leicht), „entrefuerte" (Mittel
schwer) und „fuerte" (schwer). Ein sehr wesentliches Moment bei der Beur¬
theilung der Havanna-Cigarren ist der Unterschied nach Ernten oder Jahr¬
gängen ; denn wie beim Weine hat auch bei dem Havanna-Tabake jede Ernte
ihre Eigenthümlichkeiten, ihre Vorzüge und ihre Mängel. Es giebt Jahr¬
gänge, die ebenso schön von Farbe, als gehaltvoll und von gutem Brande
sind, und es giebt andere, deren Farbe fahl, deren Geruch dumpfig oder sonst
unangenehm ist, und die so schwammig sind, daß sie selbst ganz abgelagert
und trocken nach einigen Zügen weich werden und von der Hälfte an nicht
mehr im Brande zu erhalten sind. Als die besten Ernten der letzten Jahre
wurden uns von der Handlung Bernhard Schwabe in Leipzig, die von den
oben erwähnten und andern guten Marken Lager hält, die der Jahre 1869
und 1872 (die allerbeste) bezeichnet. Die von 1873 war noch gut, die von
1874 ungenießbar, die von 1875 mittelmäßig, die dießjährige schlecht.

In den Cigarrenfabriken Havannah, von denen einige 5 bis 600 Ar¬
beiter ausweisen, sind keineswegs blos Neger, sondern fast ebenso viele
Weiße — theils Eingeborne, theils Einwanderer aus Spanien und von den
Canarischen Inseln — als Farbige beschäftigt, und die Ansicht, daß die
Negerinnen der Fabriken oder Vegas die Cigarren auf ihren nackten Schen¬
keln rollen, ist eine Fabel, welche die Comtesse Merlin unter die Leute ge¬
bracht hat. Dagegen ist richtig, daß die Guajiras, d. h. die Creolinnen
unter der derben, altväterischen Landbevölkerung im Innern Cubas dem
Gaste, der bei ihnen vorspricht, eine Veguero-Cigarre aus freier Hand
drehen, einige Züge daraus thun und sie dann zum Weiterrauchen über¬
reichen — eine Sitte, die an die altindianische Friedenspfeife erinnert.

Die Fabrikpreise der gangbarsten Cabannas betragen 120 bis 130 Dollars,
doch giebt es auch billigere Sorten („reguläres" oder „communes") bis zu 30
Dollars herab, während Upmann seine Preise noch beträchtlich höher als
Cadannas normirt. Es giebt Cigarren, von denen das Tausend 3000 Mark


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/394>, abgerufen am 06.06.2024.