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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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lachen -- aus vollem Herzen lachen - böse kann man einem solchen Redner
nicht sein, bewahre.

Man überlege sich den Fall. Ein Mensch, der sich für einen Gelehrten
hält, jahraus jahrein den Mühen eines Berufsoffiziers völlig fernsteht, der
außerdem erst die unterste Charge des Offizterstandes erklommen hat und
zwar in d e r Waffengattung, bei welcher in Oesterreich mit Vorliebe die über¬
schüssige Bornirtheit nachgeborner adliger Söhnchen untergebracht zu werden
pflegt -- ein solcher Mensch geht auf einen wissenschaftlichen Congreß in zweierlei
Tuch, in der bunten Jacke, den Tändstikor - Beinkleidern und den lackirten
Stiefeln der österreichischen Lanciers. Auf den Straßen Nanzigs laufen die
Jungen zusammen, stoßen sich in die Seite und fragen sich: "ä'on pisile-it,
ec; ärüls?" Und drinnen im Saal wird diese blühende k. k. Lancierlieutenants'
uniform auf dem Ehrensitz ausgestellt, wo an andern Tagen ernste Männer
über ernste Dinge reden, und hier meint diese Uniform, "ihr sei wohl haupt¬
sächlich die Ehre zu danken", daß der Mensch, der sie anhabe, heute den
Vorsitz führen dürfe. Ein lustigeres Bild als dieses giebt es doch nicht?
Das könnte doch gerade so gut eine alte Kokette sagen, die infolge ihrer
reizenden Toilette in ihrem Altweibersommer noch eine Eroberung macht. Einem
Kultur- und Erdforscher wie Herrn von Hellwald steht es zu reizend, wenn
er selbst sagt: "Meine Schriften -- pah nicht der Rede werth -- aber seht mal
her, dieses Erzeugniß meines Schneiders, und die Waden, hin? So was be¬
rechtigt allerdings zum Vorsitz in einem Gelehrtencongreß. Darin stehe ich
einzig da!"

Niemand in der Versammlung schien eine Empfindung zu haben für die
grobe Beleidigung und Herabwürdigung, die dem Congreß der "Amerikanisten"
durch diese auf einen Schneidercongreß gehörige Rede widerfuhr. Und wir
leben daher der fröhlichen Zuversicht, daß Herr von Hellwald auch in Zu¬
kunft bei Gelehrtencongressen für wohllautende Variationen dieses beliebten
Themas sorgen wird. Wir werden dann vielleicht von ihm Reden hören wie die
folgenden: durch das Weiß meiner Wäsche als Forscher geadelt, durch den
Glanz meiner Stiefel zum Vorsitz der Kulturhistoriker berufen, fühle ich
mich u. s. w.

Aber Herr von Hellwald sagte noch mehr in Nanzig.

Herr v. Hellwald gibt in Cannstatt das "Ausland" heraus. Er
wohnt dort und hat mit Oesterreich nicht mehr Fühlung, als irgend ein
anderer "draußen im Reich" angesiedelter Oesterreicher, der draußen arbeitet
und wirkt nach seiner Weise. Gleichwohl ist Herr von Hellwald in Nanzig
aus eigener Machtvollkommenheit plötzlich "der Vertreter seiner Nation"
-- natürlich der österreichischen -- und in dieser Vollmacht giebt er die Ver¬
sicherung ab, daß diese seine Nation "die lebhaftesten Sympathien nähre für


lachen — aus vollem Herzen lachen - böse kann man einem solchen Redner
nicht sein, bewahre.

Man überlege sich den Fall. Ein Mensch, der sich für einen Gelehrten
hält, jahraus jahrein den Mühen eines Berufsoffiziers völlig fernsteht, der
außerdem erst die unterste Charge des Offizterstandes erklommen hat und
zwar in d e r Waffengattung, bei welcher in Oesterreich mit Vorliebe die über¬
schüssige Bornirtheit nachgeborner adliger Söhnchen untergebracht zu werden
pflegt — ein solcher Mensch geht auf einen wissenschaftlichen Congreß in zweierlei
Tuch, in der bunten Jacke, den Tändstikor - Beinkleidern und den lackirten
Stiefeln der österreichischen Lanciers. Auf den Straßen Nanzigs laufen die
Jungen zusammen, stoßen sich in die Seite und fragen sich: „ä'on pisile-it,
ec; ärüls?" Und drinnen im Saal wird diese blühende k. k. Lancierlieutenants'
uniform auf dem Ehrensitz ausgestellt, wo an andern Tagen ernste Männer
über ernste Dinge reden, und hier meint diese Uniform, „ihr sei wohl haupt¬
sächlich die Ehre zu danken", daß der Mensch, der sie anhabe, heute den
Vorsitz führen dürfe. Ein lustigeres Bild als dieses giebt es doch nicht?
Das könnte doch gerade so gut eine alte Kokette sagen, die infolge ihrer
reizenden Toilette in ihrem Altweibersommer noch eine Eroberung macht. Einem
Kultur- und Erdforscher wie Herrn von Hellwald steht es zu reizend, wenn
er selbst sagt: „Meine Schriften — pah nicht der Rede werth — aber seht mal
her, dieses Erzeugniß meines Schneiders, und die Waden, hin? So was be¬
rechtigt allerdings zum Vorsitz in einem Gelehrtencongreß. Darin stehe ich
einzig da!"

Niemand in der Versammlung schien eine Empfindung zu haben für die
grobe Beleidigung und Herabwürdigung, die dem Congreß der „Amerikanisten"
durch diese auf einen Schneidercongreß gehörige Rede widerfuhr. Und wir
leben daher der fröhlichen Zuversicht, daß Herr von Hellwald auch in Zu¬
kunft bei Gelehrtencongressen für wohllautende Variationen dieses beliebten
Themas sorgen wird. Wir werden dann vielleicht von ihm Reden hören wie die
folgenden: durch das Weiß meiner Wäsche als Forscher geadelt, durch den
Glanz meiner Stiefel zum Vorsitz der Kulturhistoriker berufen, fühle ich
mich u. s. w.

Aber Herr von Hellwald sagte noch mehr in Nanzig.

Herr v. Hellwald gibt in Cannstatt das „Ausland" heraus. Er
wohnt dort und hat mit Oesterreich nicht mehr Fühlung, als irgend ein
anderer „draußen im Reich" angesiedelter Oesterreicher, der draußen arbeitet
und wirkt nach seiner Weise. Gleichwohl ist Herr von Hellwald in Nanzig
aus eigener Machtvollkommenheit plötzlich „der Vertreter seiner Nation"
— natürlich der österreichischen — und in dieser Vollmacht giebt er die Ver¬
sicherung ab, daß diese seine Nation „die lebhaftesten Sympathien nähre für


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[0428] lachen — aus vollem Herzen lachen - böse kann man einem solchen Redner nicht sein, bewahre. Man überlege sich den Fall. Ein Mensch, der sich für einen Gelehrten hält, jahraus jahrein den Mühen eines Berufsoffiziers völlig fernsteht, der außerdem erst die unterste Charge des Offizterstandes erklommen hat und zwar in d e r Waffengattung, bei welcher in Oesterreich mit Vorliebe die über¬ schüssige Bornirtheit nachgeborner adliger Söhnchen untergebracht zu werden pflegt — ein solcher Mensch geht auf einen wissenschaftlichen Congreß in zweierlei Tuch, in der bunten Jacke, den Tändstikor - Beinkleidern und den lackirten Stiefeln der österreichischen Lanciers. Auf den Straßen Nanzigs laufen die Jungen zusammen, stoßen sich in die Seite und fragen sich: „ä'on pisile-it, ec; ärüls?" Und drinnen im Saal wird diese blühende k. k. Lancierlieutenants' uniform auf dem Ehrensitz ausgestellt, wo an andern Tagen ernste Männer über ernste Dinge reden, und hier meint diese Uniform, „ihr sei wohl haupt¬ sächlich die Ehre zu danken", daß der Mensch, der sie anhabe, heute den Vorsitz führen dürfe. Ein lustigeres Bild als dieses giebt es doch nicht? Das könnte doch gerade so gut eine alte Kokette sagen, die infolge ihrer reizenden Toilette in ihrem Altweibersommer noch eine Eroberung macht. Einem Kultur- und Erdforscher wie Herrn von Hellwald steht es zu reizend, wenn er selbst sagt: „Meine Schriften — pah nicht der Rede werth — aber seht mal her, dieses Erzeugniß meines Schneiders, und die Waden, hin? So was be¬ rechtigt allerdings zum Vorsitz in einem Gelehrtencongreß. Darin stehe ich einzig da!" Niemand in der Versammlung schien eine Empfindung zu haben für die grobe Beleidigung und Herabwürdigung, die dem Congreß der „Amerikanisten" durch diese auf einen Schneidercongreß gehörige Rede widerfuhr. Und wir leben daher der fröhlichen Zuversicht, daß Herr von Hellwald auch in Zu¬ kunft bei Gelehrtencongressen für wohllautende Variationen dieses beliebten Themas sorgen wird. Wir werden dann vielleicht von ihm Reden hören wie die folgenden: durch das Weiß meiner Wäsche als Forscher geadelt, durch den Glanz meiner Stiefel zum Vorsitz der Kulturhistoriker berufen, fühle ich mich u. s. w. Aber Herr von Hellwald sagte noch mehr in Nanzig. Herr v. Hellwald gibt in Cannstatt das „Ausland" heraus. Er wohnt dort und hat mit Oesterreich nicht mehr Fühlung, als irgend ein anderer „draußen im Reich" angesiedelter Oesterreicher, der draußen arbeitet und wirkt nach seiner Weise. Gleichwohl ist Herr von Hellwald in Nanzig aus eigener Machtvollkommenheit plötzlich „der Vertreter seiner Nation" — natürlich der österreichischen — und in dieser Vollmacht giebt er die Ver¬ sicherung ab, daß diese seine Nation „die lebhaftesten Sympathien nähre für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/428>, abgerufen am 05.06.2024.