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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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lich nicht gefallen kann und der es erklärlich macht, wenn auch freilich nicht
rechtfertigt, daß die "Livländischdeutschen Hefte" in Rußland verboten sind.

Was uns in den beiden Heften am meisten interessirt, das ist im zweiten
der Aufsatz "Ein offener Schutzbrief des Römischen Kaisers für das Deutsche
Livland 1561." Daraus erhellt nämlich nach Urkunden, welche der Verfasser
im Stadtarchiv von Lübeck eingesehen, daß die Livländer vor ihrer Unter¬
werfung unter die fremde Herrschaft, von deutscher Seite doch erhebliche Unter¬
stützung erhalten haben, allerdings nicht vom Reich, aber von einem seiner
mächtigsten Glieder, von der Hansa. Würdig machten sich die Inländischen
Städte, denen sie zuging, derselben nicht, weder durch Bundesfreundlichkeit
noch durch verständige Befolgung des vom Vorort kommenden Rathes, sich
der Barbarengefahr gegenüber zu einer festeren Einheit unter dem Ordens¬
meister zusammenzuthun. In ersterer Beziehung verweigerten sie standhaft
den hansischen Bundesgenossen den Handel mit Rußland, indem sie denselben
für sich allein in Anspruch nahmen. Die Revaler gingen, als Narwa 1SS8
von den Russen erobert und somit eine russische Hafenstadt geworden war,
sogar so weit, lübecker Schiffe, die mit Waaren dorthin segelten, in Beschlag
zu legen. In größerem Sinne haben die Hanseaten diese selbstsüchtige Unge¬
bühr mit bundesbrüderlichem Beistand vergolten.

In den "Livländischdeutschen Heften" sind die bezüglichen Thatsachen im
genauen Anschluß an die archivalischen Quellen aufgeführt, und wir geben einige
von diesen, wie wir sie dort finden, wieder. Im Juli 1SS8 erbittet sich Reval
von Danzig in seinem Kriege gegen die Moskowiter Unterstützung an Mu¬
nition, besonders vier kupferne halbe Schlangen auf Rädern und dazu Pulver
und Kugeln, deren Größe aus einer Zeichnung sich ergiebt; zugleich soll der
von Reval bevollmächtigte Peter thor Harem 200 Bootsleute, darunter we¬
nigstens 20 gute Schiffsbogenschützen, anwerben, deren Gesammtheit eine
Woche später auf 300 Mann erhöht wird. Im September dankt Reval für
die gesandte Munition und bittet um weitere Unterstützung. Für die Ge¬
währung der hier weiter aufgeführten Unterstützungsgesuche finden sich in
unserer Quelle meistens keine Danksagungen oder Empfangsbescheinigungen,
doch können wir sie mit dem Verfasser des Aufsatzes als bewilligt ansehen.

Auch Riga erhält in derselben Zeit von Danzig Pulver und sechs geschmie¬
dete Falkonette; im folgenden Winter ersucht Riga Danzig, sich als Quartier¬
stadt bei Elbing und Thorn dafür zu verwenden, daß diese preußischen Städte
ihm eine Anleihe von mehreren tausend Thalern gewähren.

An Reval zahlt Danzig als Quartierstadt zur Unterstützung in seiner
Kriegsnoth 60 Rthlr. aus Braunsberg und 200 Rthlr. aus Königsberg.

Aus dem Hansetage zu Lübeck im I. 1559 entschuldigt Riga sein Nicht¬
erscheinen mit der großen Kriegsgefahr. Reval ist dagegen vertreten und


lich nicht gefallen kann und der es erklärlich macht, wenn auch freilich nicht
rechtfertigt, daß die „Livländischdeutschen Hefte" in Rußland verboten sind.

Was uns in den beiden Heften am meisten interessirt, das ist im zweiten
der Aufsatz „Ein offener Schutzbrief des Römischen Kaisers für das Deutsche
Livland 1561." Daraus erhellt nämlich nach Urkunden, welche der Verfasser
im Stadtarchiv von Lübeck eingesehen, daß die Livländer vor ihrer Unter¬
werfung unter die fremde Herrschaft, von deutscher Seite doch erhebliche Unter¬
stützung erhalten haben, allerdings nicht vom Reich, aber von einem seiner
mächtigsten Glieder, von der Hansa. Würdig machten sich die Inländischen
Städte, denen sie zuging, derselben nicht, weder durch Bundesfreundlichkeit
noch durch verständige Befolgung des vom Vorort kommenden Rathes, sich
der Barbarengefahr gegenüber zu einer festeren Einheit unter dem Ordens¬
meister zusammenzuthun. In ersterer Beziehung verweigerten sie standhaft
den hansischen Bundesgenossen den Handel mit Rußland, indem sie denselben
für sich allein in Anspruch nahmen. Die Revaler gingen, als Narwa 1SS8
von den Russen erobert und somit eine russische Hafenstadt geworden war,
sogar so weit, lübecker Schiffe, die mit Waaren dorthin segelten, in Beschlag
zu legen. In größerem Sinne haben die Hanseaten diese selbstsüchtige Unge¬
bühr mit bundesbrüderlichem Beistand vergolten.

In den „Livländischdeutschen Heften" sind die bezüglichen Thatsachen im
genauen Anschluß an die archivalischen Quellen aufgeführt, und wir geben einige
von diesen, wie wir sie dort finden, wieder. Im Juli 1SS8 erbittet sich Reval
von Danzig in seinem Kriege gegen die Moskowiter Unterstützung an Mu¬
nition, besonders vier kupferne halbe Schlangen auf Rädern und dazu Pulver
und Kugeln, deren Größe aus einer Zeichnung sich ergiebt; zugleich soll der
von Reval bevollmächtigte Peter thor Harem 200 Bootsleute, darunter we¬
nigstens 20 gute Schiffsbogenschützen, anwerben, deren Gesammtheit eine
Woche später auf 300 Mann erhöht wird. Im September dankt Reval für
die gesandte Munition und bittet um weitere Unterstützung. Für die Ge¬
währung der hier weiter aufgeführten Unterstützungsgesuche finden sich in
unserer Quelle meistens keine Danksagungen oder Empfangsbescheinigungen,
doch können wir sie mit dem Verfasser des Aufsatzes als bewilligt ansehen.

Auch Riga erhält in derselben Zeit von Danzig Pulver und sechs geschmie¬
dete Falkonette; im folgenden Winter ersucht Riga Danzig, sich als Quartier¬
stadt bei Elbing und Thorn dafür zu verwenden, daß diese preußischen Städte
ihm eine Anleihe von mehreren tausend Thalern gewähren.

An Reval zahlt Danzig als Quartierstadt zur Unterstützung in seiner
Kriegsnoth 60 Rthlr. aus Braunsberg und 200 Rthlr. aus Königsberg.

Aus dem Hansetage zu Lübeck im I. 1559 entschuldigt Riga sein Nicht¬
erscheinen mit der großen Kriegsgefahr. Reval ist dagegen vertreten und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/439>, abgerufen am 15.05.2024.