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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Die Sache verhielt sich doch anders. Nun kommt wieder ein geographischer
Gedankenblitz von origineller Neuheit:... "diese Einbiegungen des Meeres (wie
die Kieler Bucht) finden sich zahlreich, besonders an den Küsten von Dänemark
und Schweden, man nennt sie "Fiords." -- Edler Gallier, du irrst dich auch hier:
die "Fiords" sind eine Eigenthümlichkeit der Westküste Norwegens, und in ihrer
Entstehung. Form und Gestaltung gar nicht zu vergleichen mit den breiten,
flachen, gemüthlichen "Föhrden" Schleswig-Holsteins und Dänemarks. Nun aber
wird die Sache ernst; Merruau beschreibt die Kieler Bucht, wie sie jetzt ist. Da
wird nichts vergessen werden, jede Befestigung, kurz aber klar umrissen, hebt
sich aus den blauen Wellen, deutlich in ihren Details, vor dem entzückten
Leser. Hören wir: "Sehr breit.am Eingange, wird der "I^ora 60 Kiol"
späterhin schmaler, am schmalsten an einer Stelle, wo sich zwei Vorgebirge
gegenüberstehen. -- Hier ist der Ort, wo man 1870 eine dreifache Barre
von Ketten, Flößen und Torpedos gezogen hatte." (Leider auch wieder nicht
wahr!) "Es giebt da eine Festung (tortörossö) Friedrichsort auf einer
Landspitze, rechts vom Eingange. Auf dem gegenüberliegenden Kap liegt
eine Redoute mit schwerem Geschütz. Die Meerenge dazwischen ist höchstens
7--800 Meter breit, (was Fahrwasser anlangt, nicht ein drittel) und man
müßte die jedenfalls im Kriege wiederhergestellte Wasserbarricade unter dem
Kreuzfeuer der beiden stark armirten Werke nehmen I" Plötzlich "stoppt"
aber der biedere Franzose und giebt "rückwärts Dampf", denn ganz un-
motivirt schleppt er seinen Leser, der sich harmlos eben auf den Torpedos
der Wasserbarricade einrichten wollte, wieder nach dem Ausgang der Kieler
Bucht, die immer noch zwischen: 1v Holstein c>,t, 1<z Llosvi^ liegt. Wir
werden gleich sehen warum. Merruau sagt: "Das Geschwader, welches diesen
verzweifelten Versuch unternehmen wollte, müßte aber zuerst das Feuer der
andern Plätze zum Schweigen bringen, welche weiter nördlich am Eingange
der Bucht liegen, und von denen der eine bei einem Dorfe Namens Braune¬
berg liegt, der andere gegenüber aber eine Schanze mit geblendeter Brustwehr
ist (a MiÄWts dlmclLs)!"

"Aber, Herr Merruau, warum haben Sie das nicht gleich gesagt!" ruft
der aufgeregte Leser, durch diese äußerst klare Beschreibung mitten in die
Situation versetzt! Paul Merruau aber läßt sich nicht stören. Er docirt
weiter: "Dieses Viereck streckt dem Feinde mehr als 200 Feuerschlünde ent¬
gegen." (Ueber's Kaliber schweigt er.) "Doch scheint dem Berliner General¬
stab die Sache noch nicht hinreichend sicher, und er berettet noch den Bau
dreier weiterer Werke vor." Nun kommt eine etwas confuse Beschreibung
eines Flottenmanövers, das einst in der Kieler Bucht abgehalten worden
sein soll, um die Mannschaft auszubilden. Aber außer diesem Manöver, es
scheint nur eins gewesen zu sein, hat das wachsame "Muvornement 60


Die Sache verhielt sich doch anders. Nun kommt wieder ein geographischer
Gedankenblitz von origineller Neuheit:... „diese Einbiegungen des Meeres (wie
die Kieler Bucht) finden sich zahlreich, besonders an den Küsten von Dänemark
und Schweden, man nennt sie „Fiords." — Edler Gallier, du irrst dich auch hier:
die „Fiords" sind eine Eigenthümlichkeit der Westküste Norwegens, und in ihrer
Entstehung. Form und Gestaltung gar nicht zu vergleichen mit den breiten,
flachen, gemüthlichen „Föhrden" Schleswig-Holsteins und Dänemarks. Nun aber
wird die Sache ernst; Merruau beschreibt die Kieler Bucht, wie sie jetzt ist. Da
wird nichts vergessen werden, jede Befestigung, kurz aber klar umrissen, hebt
sich aus den blauen Wellen, deutlich in ihren Details, vor dem entzückten
Leser. Hören wir: „Sehr breit.am Eingange, wird der „I^ora 60 Kiol"
späterhin schmaler, am schmalsten an einer Stelle, wo sich zwei Vorgebirge
gegenüberstehen. — Hier ist der Ort, wo man 1870 eine dreifache Barre
von Ketten, Flößen und Torpedos gezogen hatte." (Leider auch wieder nicht
wahr!) „Es giebt da eine Festung (tortörossö) Friedrichsort auf einer
Landspitze, rechts vom Eingange. Auf dem gegenüberliegenden Kap liegt
eine Redoute mit schwerem Geschütz. Die Meerenge dazwischen ist höchstens
7—800 Meter breit, (was Fahrwasser anlangt, nicht ein drittel) und man
müßte die jedenfalls im Kriege wiederhergestellte Wasserbarricade unter dem
Kreuzfeuer der beiden stark armirten Werke nehmen I" Plötzlich „stoppt"
aber der biedere Franzose und giebt „rückwärts Dampf", denn ganz un-
motivirt schleppt er seinen Leser, der sich harmlos eben auf den Torpedos
der Wasserbarricade einrichten wollte, wieder nach dem Ausgang der Kieler
Bucht, die immer noch zwischen: 1v Holstein c>,t, 1<z Llosvi^ liegt. Wir
werden gleich sehen warum. Merruau sagt: „Das Geschwader, welches diesen
verzweifelten Versuch unternehmen wollte, müßte aber zuerst das Feuer der
andern Plätze zum Schweigen bringen, welche weiter nördlich am Eingange
der Bucht liegen, und von denen der eine bei einem Dorfe Namens Braune¬
berg liegt, der andere gegenüber aber eine Schanze mit geblendeter Brustwehr
ist (a MiÄWts dlmclLs)!"

„Aber, Herr Merruau, warum haben Sie das nicht gleich gesagt!" ruft
der aufgeregte Leser, durch diese äußerst klare Beschreibung mitten in die
Situation versetzt! Paul Merruau aber läßt sich nicht stören. Er docirt
weiter: „Dieses Viereck streckt dem Feinde mehr als 200 Feuerschlünde ent¬
gegen." (Ueber's Kaliber schweigt er.) „Doch scheint dem Berliner General¬
stab die Sache noch nicht hinreichend sicher, und er berettet noch den Bau
dreier weiterer Werke vor." Nun kommt eine etwas confuse Beschreibung
eines Flottenmanövers, das einst in der Kieler Bucht abgehalten worden
sein soll, um die Mannschaft auszubilden. Aber außer diesem Manöver, es
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/446>, abgerufen am 15.05.2024.