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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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in einer Zinsengarantie, in unentgeltlicher Abtretung von Grund und Boden,
in unentgeltlicher Leistung von Spann- und Frohndienst, in einem Geld¬
beitrag, in einem unverzinslichen Darlehen oder in einer Betheiligung am
Aktienkapital bestehen mag. Wir sehen also hier, daß der Staat und die
Bevölkerung zuletzt gezwungen sind, außerordentliche Opfer zu bringen, um
in den Besitz von Eisenbahnen zu gelangen und das Eisenbahnnetz des Landes
zu einem organischen Ganzen zu vervollständigen, während die erste Kategorie
der Bahnen vielleicht einen Reingewinn bezieht, welcher die landesüblichen
Zinsen des Anlagekapitals um das Doppelte und Dreifache, ja zuweilen sogar
um das Vierfache übersteigt. Da die Anlage jener Bahnen nur durch die
Wohlthat des Expropriationsgesetzes möglich gemacht worden war und die¬
selben fast ohne Ausnahme sich in ihrer Concession ein Monopol ausbedangen,
welches jede Concurrenz ausschloß, so haben sie jenen Ueberschuß des Rein¬
ertrags dem Staatsschutz zu verdanken, und es liegt eine Unbilligkeit darin,
daß der Staat zum rationellen Ausbau des Netzes zuletzt Opfer bringen
muß, während der Kapitalwerth der Aktien der ersten Unternehmungen die
wirkliche baare Einlage um das Drei- und Vierfache übersteigt. Diese Be¬
reicherung ist daher eine monopolistische. Sie hat keinen legitimen volks-
wirthschaftlichen Grund, denn sie wäre eine zu hohe Versicherungsprämie, ein
zu hohes Aequivalent für die Gefahr, in welcher das Gründungskapital
schwebt, wenn eine solche in diesem Fall überhaupt zugegeben werden kann.

Vergleichen wir damit diejenigen Länder, wo der Staat von vorneherein
das Eigenthum, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen selbst in die Hand
genommen hat, so sehen wir die öffentlichen Interessen in dieser Hinsicht in
ganz anderer Weise gewahrt. Ein in seinen Finanzen geordneter Staat er¬
hält in der Regel das erforderliche Kapital zu billigeren Bedingungen als
eine Eisenbahngesellschaft ihre Prioritätsanleihen. Der Staat macht also gleich
von vorneherein eine Ersparniß in der Verzinsung des Baukapitals. Sodann
aber hat der Staat den ungeheuren Vortheil, daß er mittelst der Ueberschüsse
deS Ertrages der Eisenbahnen die Eisenbahnschuld amortisiren und einen
Reservefonds anlegen kann, mittelst dessen die etwaigen Ausfälle an der Ver¬
zinsung der später contrahirten Eisenbahnschulden gedeckt werden, welche dazu
dienen, die weniger rentablen Eisenbahnen zweiten und dritten Ranges her¬
zustellen und überhaupt das Eisenbahnnetz seiner Vollendung entgegenzuführen.
Auf diese Weise wird Staat und Bevölkerung von jeder Ausbeutung verschont.
Bei dem reinen Privatbahnsystem aber wurde diese Ausbeutung zum Theil
sogar in schablonenmäßiger Art geübt. Es ist zum Beispiel kein billiger
Grund abzusehen, warum den Eisenbahngesellschaften von vorneherein das
Privilegium auf 99 Jahre ertheilt worden ist, und wawm gar noch in den
meisten Ländern nach Ablauf dieser Frist die Gesellschaft den Werth ihres


in einer Zinsengarantie, in unentgeltlicher Abtretung von Grund und Boden,
in unentgeltlicher Leistung von Spann- und Frohndienst, in einem Geld¬
beitrag, in einem unverzinslichen Darlehen oder in einer Betheiligung am
Aktienkapital bestehen mag. Wir sehen also hier, daß der Staat und die
Bevölkerung zuletzt gezwungen sind, außerordentliche Opfer zu bringen, um
in den Besitz von Eisenbahnen zu gelangen und das Eisenbahnnetz des Landes
zu einem organischen Ganzen zu vervollständigen, während die erste Kategorie
der Bahnen vielleicht einen Reingewinn bezieht, welcher die landesüblichen
Zinsen des Anlagekapitals um das Doppelte und Dreifache, ja zuweilen sogar
um das Vierfache übersteigt. Da die Anlage jener Bahnen nur durch die
Wohlthat des Expropriationsgesetzes möglich gemacht worden war und die¬
selben fast ohne Ausnahme sich in ihrer Concession ein Monopol ausbedangen,
welches jede Concurrenz ausschloß, so haben sie jenen Ueberschuß des Rein¬
ertrags dem Staatsschutz zu verdanken, und es liegt eine Unbilligkeit darin,
daß der Staat zum rationellen Ausbau des Netzes zuletzt Opfer bringen
muß, während der Kapitalwerth der Aktien der ersten Unternehmungen die
wirkliche baare Einlage um das Drei- und Vierfache übersteigt. Diese Be¬
reicherung ist daher eine monopolistische. Sie hat keinen legitimen volks-
wirthschaftlichen Grund, denn sie wäre eine zu hohe Versicherungsprämie, ein
zu hohes Aequivalent für die Gefahr, in welcher das Gründungskapital
schwebt, wenn eine solche in diesem Fall überhaupt zugegeben werden kann.

Vergleichen wir damit diejenigen Länder, wo der Staat von vorneherein
das Eigenthum, den Bau und Betrieb der Eisenbahnen selbst in die Hand
genommen hat, so sehen wir die öffentlichen Interessen in dieser Hinsicht in
ganz anderer Weise gewahrt. Ein in seinen Finanzen geordneter Staat er¬
hält in der Regel das erforderliche Kapital zu billigeren Bedingungen als
eine Eisenbahngesellschaft ihre Prioritätsanleihen. Der Staat macht also gleich
von vorneherein eine Ersparniß in der Verzinsung des Baukapitals. Sodann
aber hat der Staat den ungeheuren Vortheil, daß er mittelst der Ueberschüsse
deS Ertrages der Eisenbahnen die Eisenbahnschuld amortisiren und einen
Reservefonds anlegen kann, mittelst dessen die etwaigen Ausfälle an der Ver¬
zinsung der später contrahirten Eisenbahnschulden gedeckt werden, welche dazu
dienen, die weniger rentablen Eisenbahnen zweiten und dritten Ranges her¬
zustellen und überhaupt das Eisenbahnnetz seiner Vollendung entgegenzuführen.
Auf diese Weise wird Staat und Bevölkerung von jeder Ausbeutung verschont.
Bei dem reinen Privatbahnsystem aber wurde diese Ausbeutung zum Theil
sogar in schablonenmäßiger Art geübt. Es ist zum Beispiel kein billiger
Grund abzusehen, warum den Eisenbahngesellschaften von vorneherein das
Privilegium auf 99 Jahre ertheilt worden ist, und wawm gar noch in den
meisten Ländern nach Ablauf dieser Frist die Gesellschaft den Werth ihres


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/510>, abgerufen am 29.05.2024.