Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

das Wort: Rot (Rathe), oder auch Ein frag oder auch Item, darauf
erfolgt die Antwort. Meist ist die Frage in Reime gefaßt, die Antwort
hingegen nie. Die meisten dieser Räthsel scheinen im Elsaß selbst entstanden
zu sein und waren wohl mehr oder weniger Witzworte aus dem Kloster-
und Volksleben entnommen, wie ja in älterer Zeit mehr gesunder Humor
als jetzt in allen Schichten der Gesellschaft zu finden war. Es ist also eine
Sammlung von solchen Redensarten in Form von aufgegebenen Fragen,
der wir in diesem Straßburger Räthselbuche begegnen. Einige dieser Räthsel
sind wirkliche bovs mots, andere drollige Späße, mitunter kommen auch, wo¬
rin es bekanntlich unsere Väter nicht so genau nahmen, triviale und schmutzige
Ausdrücke und Vergleichungen vor. Der Dialekt, in dem diese Räthsel ge¬
schrieben sind, ist der alemannische, alt elsässische, von dem sich im Elsaß bis
auf den heutigen Tag Spuren erhalten haben, z. B. Dottenlad (Sarg),
noch jetzt sagt man im Elsaß an vielen Orten Todtenbaum, Karch ist
noch heute der landesübliche elsässische Ausdruck für Karren oder Wagen;
desgleichen sagt man noch Kiffel für Kiefer, Morn für Morgen, Streit
für Kamm, Zehre für Essen, Weckolter für Wachholder u. s. w. Ein
uralter Straßburger Euphemismus, Sprochhus für Abtritt, kommt auch
in dieser Räthselsammlung vor. Der Herausgeber derselben fügt dem Büch¬
lein ein Wo rtverzeichniß bei, in welchem er die schwierigen Ausdrücke
erklärt. Bei einem Worte Feysten, Räthsel 120, hat er dies zu thun
unterlassen. In sprachlicher Beziehung bemerken wir jedoch, daß hie und da
auch ein anderer Dialekt als der alemannische, nämlich der fränkische vor¬
kommt. So z. B. sind Hot für hat, hon für haben, keine elsässischen Sprach -
formen, denn im Elsaß sagt man wie früher, so jetzt noch het für hat und
hen für haben.

Auch in eulturhistorischer Beziehung hat das Büchlein seinen Werth.
Es weiht den Leser in manche Sitte und alte Volksanschauung ein, und
deutet uns an, wie man in Städten und Klöstern, im Haus und auf dem
Markt, dachte, fühlte und redete.

Schließlich sei noch hervorgehoben, daß der Herausgeber dieser Räthsel¬
sammlung an Herrn Karl I. Trübner in Straßburg, bei welchem auch die
Schmoller'schen Abhandlunden erschienen sind, einen intelligenten Verleger
gefunden hat. Eine bibliographische Seltenheit wird jedoch die Straßburger
Räthselsammlung von 1605 auch ferner bleiben, da die gegenwärtige Auflage
Julius Rathgeber. des Büchleins nur 100 Exemplare beträgt.




das Wort: Rot (Rathe), oder auch Ein frag oder auch Item, darauf
erfolgt die Antwort. Meist ist die Frage in Reime gefaßt, die Antwort
hingegen nie. Die meisten dieser Räthsel scheinen im Elsaß selbst entstanden
zu sein und waren wohl mehr oder weniger Witzworte aus dem Kloster-
und Volksleben entnommen, wie ja in älterer Zeit mehr gesunder Humor
als jetzt in allen Schichten der Gesellschaft zu finden war. Es ist also eine
Sammlung von solchen Redensarten in Form von aufgegebenen Fragen,
der wir in diesem Straßburger Räthselbuche begegnen. Einige dieser Räthsel
sind wirkliche bovs mots, andere drollige Späße, mitunter kommen auch, wo¬
rin es bekanntlich unsere Väter nicht so genau nahmen, triviale und schmutzige
Ausdrücke und Vergleichungen vor. Der Dialekt, in dem diese Räthsel ge¬
schrieben sind, ist der alemannische, alt elsässische, von dem sich im Elsaß bis
auf den heutigen Tag Spuren erhalten haben, z. B. Dottenlad (Sarg),
noch jetzt sagt man im Elsaß an vielen Orten Todtenbaum, Karch ist
noch heute der landesübliche elsässische Ausdruck für Karren oder Wagen;
desgleichen sagt man noch Kiffel für Kiefer, Morn für Morgen, Streit
für Kamm, Zehre für Essen, Weckolter für Wachholder u. s. w. Ein
uralter Straßburger Euphemismus, Sprochhus für Abtritt, kommt auch
in dieser Räthselsammlung vor. Der Herausgeber derselben fügt dem Büch¬
lein ein Wo rtverzeichniß bei, in welchem er die schwierigen Ausdrücke
erklärt. Bei einem Worte Feysten, Räthsel 120, hat er dies zu thun
unterlassen. In sprachlicher Beziehung bemerken wir jedoch, daß hie und da
auch ein anderer Dialekt als der alemannische, nämlich der fränkische vor¬
kommt. So z. B. sind Hot für hat, hon für haben, keine elsässischen Sprach -
formen, denn im Elsaß sagt man wie früher, so jetzt noch het für hat und
hen für haben.

Auch in eulturhistorischer Beziehung hat das Büchlein seinen Werth.
Es weiht den Leser in manche Sitte und alte Volksanschauung ein, und
deutet uns an, wie man in Städten und Klöstern, im Haus und auf dem
Markt, dachte, fühlte und redete.

Schließlich sei noch hervorgehoben, daß der Herausgeber dieser Räthsel¬
sammlung an Herrn Karl I. Trübner in Straßburg, bei welchem auch die
Schmoller'schen Abhandlunden erschienen sind, einen intelligenten Verleger
gefunden hat. Eine bibliographische Seltenheit wird jedoch die Straßburger
Räthselsammlung von 1605 auch ferner bleiben, da die gegenwärtige Auflage
Julius Rathgeber. des Büchleins nur 100 Exemplare beträgt.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136699"/>
          <p xml:id="ID_149" prev="#ID_148"> das Wort: Rot (Rathe), oder auch Ein frag oder auch Item, darauf<lb/>
erfolgt die Antwort. Meist ist die Frage in Reime gefaßt, die Antwort<lb/>
hingegen nie. Die meisten dieser Räthsel scheinen im Elsaß selbst entstanden<lb/>
zu sein  und waren wohl mehr oder weniger Witzworte aus dem Kloster-<lb/>
und Volksleben entnommen, wie ja in älterer Zeit mehr gesunder Humor<lb/>
als jetzt in allen Schichten der Gesellschaft zu finden war.  Es ist also eine<lb/>
Sammlung von solchen Redensarten in Form von aufgegebenen Fragen,<lb/>
der wir in diesem Straßburger Räthselbuche begegnen.  Einige dieser Räthsel<lb/>
sind wirkliche bovs mots, andere drollige Späße, mitunter kommen auch, wo¬<lb/>
rin es bekanntlich unsere Väter nicht so genau nahmen, triviale und schmutzige<lb/>
Ausdrücke und Vergleichungen vor.  Der Dialekt, in dem diese Räthsel ge¬<lb/>
schrieben sind, ist der alemannische, alt elsässische, von dem sich im Elsaß bis<lb/>
auf den heutigen Tag Spuren erhalten haben, z. B. Dottenlad (Sarg),<lb/>
noch jetzt sagt man im Elsaß an vielen Orten Todtenbaum, Karch ist<lb/>
noch heute der landesübliche elsässische Ausdruck für Karren oder Wagen;<lb/>
desgleichen sagt man noch Kiffel für Kiefer, Morn für Morgen, Streit<lb/>
für Kamm, Zehre für Essen, Weckolter für Wachholder u. s. w. Ein<lb/>
uralter Straßburger Euphemismus, Sprochhus für Abtritt, kommt auch<lb/>
in dieser Räthselsammlung vor. Der Herausgeber derselben fügt dem Büch¬<lb/>
lein ein Wo rtverzeichniß bei, in welchem er die schwierigen Ausdrücke<lb/>
erklärt.  Bei einem Worte Feysten, Räthsel 120, hat er dies zu thun<lb/>
unterlassen.  In sprachlicher Beziehung bemerken wir jedoch, daß hie und da<lb/>
auch ein anderer Dialekt als der alemannische, nämlich der fränkische vor¬<lb/>
kommt. So z. B. sind Hot für hat, hon für haben, keine elsässischen Sprach -<lb/>
formen, denn im Elsaß sagt man wie früher, so jetzt noch het für hat und<lb/>
hen für haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_150"> Auch in eulturhistorischer Beziehung hat das Büchlein seinen Werth.<lb/>
Es weiht den Leser in manche Sitte und alte Volksanschauung ein, und<lb/>
deutet uns an, wie man in Städten und Klöstern, im Haus und auf dem<lb/>
Markt, dachte, fühlte und redete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_151"> Schließlich sei noch hervorgehoben, daß der Herausgeber dieser Räthsel¬<lb/>
sammlung an Herrn Karl I. Trübner in Straßburg, bei welchem auch die<lb/>
Schmoller'schen Abhandlunden erschienen sind, einen intelligenten Verleger<lb/>
gefunden hat. Eine bibliographische Seltenheit wird jedoch die Straßburger<lb/>
Räthselsammlung von 1605 auch ferner bleiben, da die gegenwärtige Auflage<lb/><note type="byline"> Julius Rathgeber.</note> des Büchleins nur 100 Exemplare beträgt.   </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] das Wort: Rot (Rathe), oder auch Ein frag oder auch Item, darauf erfolgt die Antwort. Meist ist die Frage in Reime gefaßt, die Antwort hingegen nie. Die meisten dieser Räthsel scheinen im Elsaß selbst entstanden zu sein und waren wohl mehr oder weniger Witzworte aus dem Kloster- und Volksleben entnommen, wie ja in älterer Zeit mehr gesunder Humor als jetzt in allen Schichten der Gesellschaft zu finden war. Es ist also eine Sammlung von solchen Redensarten in Form von aufgegebenen Fragen, der wir in diesem Straßburger Räthselbuche begegnen. Einige dieser Räthsel sind wirkliche bovs mots, andere drollige Späße, mitunter kommen auch, wo¬ rin es bekanntlich unsere Väter nicht so genau nahmen, triviale und schmutzige Ausdrücke und Vergleichungen vor. Der Dialekt, in dem diese Räthsel ge¬ schrieben sind, ist der alemannische, alt elsässische, von dem sich im Elsaß bis auf den heutigen Tag Spuren erhalten haben, z. B. Dottenlad (Sarg), noch jetzt sagt man im Elsaß an vielen Orten Todtenbaum, Karch ist noch heute der landesübliche elsässische Ausdruck für Karren oder Wagen; desgleichen sagt man noch Kiffel für Kiefer, Morn für Morgen, Streit für Kamm, Zehre für Essen, Weckolter für Wachholder u. s. w. Ein uralter Straßburger Euphemismus, Sprochhus für Abtritt, kommt auch in dieser Räthselsammlung vor. Der Herausgeber derselben fügt dem Büch¬ lein ein Wo rtverzeichniß bei, in welchem er die schwierigen Ausdrücke erklärt. Bei einem Worte Feysten, Räthsel 120, hat er dies zu thun unterlassen. In sprachlicher Beziehung bemerken wir jedoch, daß hie und da auch ein anderer Dialekt als der alemannische, nämlich der fränkische vor¬ kommt. So z. B. sind Hot für hat, hon für haben, keine elsässischen Sprach - formen, denn im Elsaß sagt man wie früher, so jetzt noch het für hat und hen für haben. Auch in eulturhistorischer Beziehung hat das Büchlein seinen Werth. Es weiht den Leser in manche Sitte und alte Volksanschauung ein, und deutet uns an, wie man in Städten und Klöstern, im Haus und auf dem Markt, dachte, fühlte und redete. Schließlich sei noch hervorgehoben, daß der Herausgeber dieser Räthsel¬ sammlung an Herrn Karl I. Trübner in Straßburg, bei welchem auch die Schmoller'schen Abhandlunden erschienen sind, einen intelligenten Verleger gefunden hat. Eine bibliographische Seltenheit wird jedoch die Straßburger Räthselsammlung von 1605 auch ferner bleiben, da die gegenwärtige Auflage Julius Rathgeber. des Büchleins nur 100 Exemplare beträgt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/60
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/60>, abgerufen am 15.05.2024.